IHK Berlin

Ausbildungsbilanz 2022

Trendwende bei IHK-Neuverträgen: Die Zahl der neu abgeschlossenen IHK-Ausbildungsverträge ist 2022 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Es wurden 7.708 neue betriebliche Verträge in den IHK-Ausbildungsberufen abgeschlossen bei dann insgesamt 19.400 Ausbildungsverträgen.
Die durch Pandemie und Lockdown verursachten Rückgänge konnten damit wieder aufgeholt werden, in einigen Branchen wie etwa Gastronomie und Hotellerie wurden sogar mehr Verträge abgeschlossen als vor der Corona-Krise.
Diese Bilanz zog heute der Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, Stefan Spieker, bei der Vorstellung der Vertragszahlen für 2022. Die Bestehensquote bei den Abschlussprüfungen lag im vergangenen Jahr bei mehr als 83 Prozent und damit auf Vorkrisen-Niveau. Pandemie und damit verbundene Einschränkungen haben die Ausbildungsqualität und Prüfungsvorbereitungen demnach kaum beeinträchtigt.
Sorgen bereitet der IHK und den Berliner Ausbildungsunternehmen jedoch die zunehmenden Schwierigkeiten, freie Ausbildungsplätze auch zu besetzen. So hat IHK-Umfragen zufolge ein Drittel der Ausbildungsunternehmen überhaupt keine Bewerbungen erhalten. Vizepräsident Spieker forderte deshalb, die umstrittenen Pläne zur Einführung einer Ausbildungsumlage nicht weiter zu verfolgen.
Dadurch werde nur ein neues bürokratisches Monstrum geschaffen und lenke den Blick aller Beteiligten vom Wesentlichen ab: Ausbildungsfähigkeit zu fördern, Berufsorientierung zu stärken und massiv für die vielen bereitstehenden Ausbildungsplätze zu werben. Zudem bestrafe die Umlage die vielen Unternehmen mit nicht-belegten Ausbildungsplätzen doppelt und schaffe keine neuen Ausbildungsplätze, so Spieker.
Stefan Spieker, Vize-Präsident der IHK Berlin: Der Berliner Senat muss im neuen Koalitionsvertrag Lösungen anbieten, statt den Irrweg der Ausbildungsumlage weiterzugehen. Wenn es 2023 nicht gelingt, mutige Bildungsreformen für eine bessere Schulqualität und Berufsorientierung zu verabreden und zeitgemäße Antworten auf den enormen Fachkräftemangel der Berliner Wirtschaft sowie auf den Lehrkräftemangel in den Berliner Schulen zu geben, wird der Fachkräftemangel das Wirtschaftswachstum ausbremsen und den Wohlstand der Hauptstadt aufs Spiel setzen. Insgesamt hätte das Plus von 13 Prozent bei den Verträgen noch deutlich höher ausfallen können, denn die Zahl der unbesetzten Stellen lag ebenfalls auf Rekordniveau. Aktuell stehen 11.200 Bewerbern der Bundesagentur für Arbeit rund 12.000 freie Ausbildungsstellen auf ausbildung.berlin allein in Berlin zur Verfügung.
Kerstin Ehrig-Wettstaedt, Geschäftsführerin Ehrig GmbH: „Für uns ist die Ausbildung ein wichtiges Instrument, um dem Fachkräftemangel im IT-Bereich frühzeitig zu begegnen und unsere Fachkräfte selbst heranzuziehen. Wir bilden schon seit vielen Jahren aus und erleben, dass die Besetzung der Ausbildungsstellen jedes Jahr schwieriger wird. Zum einen scheint die Vielzahl der Ausbildungsberufe den Jugendlichen nicht bekannt zu sein, zum anderen ermuntern die gymnasialen Oberstufen die Schüler:innen eher zum Studium als zur Ausbildung. Statt einer Ausbildungsplatzumlage finden wir den Ausbau der Berufsorientierung an den Schulen weitaus wichtiger. Zusätzlich müssen wir uns als mittelständischer Betrieb immer stärker anstrengen, sichtbar zu werden und unsere Ausbildung qualitativ, unter anderem durch das IHK-Ausbildungssiegel „Exzellente Ausbildungsqualität“, von anderen Unternehmen abzuheben.“
Andreas Kliebsch, Prokurist Stadler Deutschland GmbH: „Als langjährig ausbildender Betrieb sehen wir die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Berlin mit wachsender Sorge. 2022 haben erstmalig weniger Bewerbende das im Rahmen der Verbundausbildung erforderliche Einstellungsverfahren erfolgreich abgeschlossen als Stadler Ausbildungsplätze anzubieten hat. Wir haben also Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Das ist ein Novum. Wir wollen ausbilden. Stadler entwickelt und baut Züge, die in Berlin fahren und fahren werden und hat mit z.B. Fachinformatik, Technischer Systemplanung, oder Industriemechanik spannende Zukunftsberufe in einer wachsenden Branche. Wir schließen uns daher dem Appell für mutige Bildungsreformen, für eine verbesserte Schulqualität mit einer starken Berufsorientierung klar an.“
Um die Herausforderungen bei der Berufsorientierung und der Besetzung der freien Ausbildungsplätte zu lösen, hat die Berliner Wirtschaft deshalb fünf Vorschläge für die anstehenden Koalitionsverhandlungen erarbeitet:  
  • Gemeinsame Fachkräftestrategie Berlin-Brandenburg
  • Abkehr von der Einführung einer Ausbildungsumlage
  • Bildungsoffensive entlang der gesamten Bildungskette
  • Verbindliche, flächendeckende Berufsorientierung und Coaching
  • Umfassende Bekämpfung des Lehrkräftemangels

Die Zahlen im Einzelnen:
Die größten Vertragszuwächse gab es etwa beim Ausbildungsberuf Fachmann/-frau für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie (+114 Prozent), bei den Veranstaltungskaufleuten (+ 65 Prozent) oder beim Ausbildungsberuf Chemielaborant/-in (+ 34 Prozent).
Die meisten Verträge wurden im kaufmännischen Bereich für die Einzelhandelskaufleute (946 Verträge), Kaufleute für Büromanagement (664 Verträge) sowie Hotelfachleute (516 Verträge) abgeschlossen. Im gewerblich-technischen Bereich führen Fachinformatiker/in (558 Verträge), Elektroniker/in (664 Verträge) und Mechatroniker/in (195 Verträge) die Liste mit den meisten neuen Auszubildenden an. 
Nur auf den ersten Blick rückläufig waren die Zahlen bei den Kaufleuten für IT-System-Management (- 33 Prozent). Hier wurde das ursprüngliche Berufsbild gesplittet, hier gibt es seit 2022 auch Kaufleute für Digitalisierungsmanagement. Bei den Kaufleuten im E-Commerce (- 27 Prozent) sind die Vertragszahlen nach einem pandemiebedingten Anstieg zum Vorkrisenniveau zurückgekehrt.
Bei den Betrieben, die Kaufleute für Versicherungen und Finanzanlagen ausbilden, hat eine seit 2022 gültige neue Ausbildungsordnung mit veränderten Anforderungen zumindest für dieses Ausbildungsjahr zu einem vorläufigen Rückgang der Verträge geführt (-27 Prozent). Der Rückgang beim Ausbildungsberuf Zerspanungsmechaniker (- 22 Prozent) ist die Umstrukturierung zweier Großunternehmen zurückzuführen, die den Großteil der Auszubildenden in diesem Bereich stellen.