Das Hinweisgeberschutzgesetz - Was Unternehmen zu beachten haben

Update zum Hinweisgeberschutzgesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie umsetzt, wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. 
Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern sollten sich bereits auf die Regelungen einstellen, denn es wird nach Inkrafttreten keine Übergangsfrist für sie geben. Lediglich kleinere Unternehmen ab 50 Mitarbeiter müssen die Regelungen voraussichtlich ab dem 17. Dezember 2023 in ihren Betrieben umsetzen. 
Im Vermittlungsausschuss wurden zum ursprünglichen Gesetzesentwurf folgende wichtige Änderungen vorgenommen:
  • Keine Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldekanäle, § 16 Abs. 1.
  • Anreiz zur bevorzugten Nutzung des internen Meldekanals: Hinweisgeber sollten in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen, § 7 Abs. 1.
  • Die Dokumentation kann länger als drei Jahre aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist, § 11 Abs. 5.
  • Klarstellung, dass der Hinweisgeberschutz nur Hinweise auf Verstöße aus dem beruflichen Umfeld umfasst, § 3 Abs. 2 und 3.
  • Absenkung des Bußgeldrahmens von 100.000 EUR auf 50.000 EUR, § 40. Zudem wird für eine Übergangszeit von 6 Monaten kein Bußgeld wegen der fehlenden Einrichtung von Meldekanälen verhängt, § 42.
  • Kein Schmerzensgeld für den Hinweisgeber für immaterielle Schäden, § 37 Abs. 1. S. 2 wird gestrichen.
  • Die Beweislastumkehr im Zusammenhang mit einer Benachteiligung des Hinweisgebers kommt nur dann zum Tragen, wenn der Hinweisgeber dies selbst geltend macht, § 36 Abs. 2 S. 1.

Ziel des Gesetzes

Das Hinweisgeberschutzgesetz dient dem Schutze vor Benachteiligungen hinweisgebender Personen (Whistleblower) und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen. Bislang hatten hinweisgebende Personen mit Nachteilen zu rechnen, wenn sie ihnen bekanntes Fehlverhalten meldeten, obwohl ihre Meldung dieses Fehlverhalten aufdecken und eine Korrektur ermöglichen könnte.

Schutzbereich

Der Schutzbereich des HinSchG ist sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht umfangreich ausgestaltet. Er umfasst sowohl hinweisgebende Personen, also solche, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die internen oder externen Meldestellen weitergeben, als auch Personen, welche die hinweisgebende Person unterstützen, und solche, die Gegenstand der Meldung sind oder von ihr betroffen werden. Dabei sind nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Beamte, Selbständige, Gesellschafter, Praktikanten, Freiwillige, Mitarbeitende von Lieferanten sowie Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat und sich in einem vorvertraglichen Stadium befindet, erfasst.
Diese Personen sind jedoch nur geschützt, wenn
  1. diese eine interne oder externe Meldung erstattet oder eine Offenlegung gemäß § 32 HinSchG vorgenommen haben,
  2. die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  3. die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei. In den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen z. B. Verstöße gegen Strafvorschriften nach deutschem Recht, Bußgeldbewehrte Vorschriften wie beispielsweise im Arbeitsschutzgesetz und bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz und Regelungen, welche die Umsetzung europäischer Rechtsnormen angehen, wie Produktsicherheit, Umweltschutz, Verbraucherschutz und der Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten, etc.
Auch der Kreis der erfassten Beschäftigungsgeber ist weit gefasst und erfasst natürliche und juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts sowie rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen.
Juristische Personen des Privatrechts sind beispielsweise der eingetragene Verein, die eingetragene Genossenschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts.
In diesem Anwendungsbereich sind Repressalien und jedwede Vergeltungsmaßnahmen, wie z. B. Kündigung, Versagung einer Beförderung, negative Leistungsbeurteilung, etc. gegenüber der hinweisgebenden Person untersagt. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass eine Beweislastumkehr vorgesehen ist, sodass bei Benachteiligungen, wie zum Beispiel einer Kündigung nach einer erfolgten Meldung, vermutet wird, dass es sich um eine Repressalie aufgrund der Meldung handelt. Diese Vermutung muss die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, widerlegen, indem sie beweist, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruhte. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist der Verursacher nach dem HinSchG dazu verpflichtet, der hinweisgebenden Person den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Dies gilt auch für solche Schäden, die keine Vermögensschäden sind.

Die Umsetzung im Unternehmen

Es ist schon jetzt ratsam, die Umsetzung der Anforderungen des HinSchG anzugehen.
Beschäftigte haben nach dem HinSchG die Wahl zwischen der Nutzung interner und externer Meldestellen. Die zentrale Aufgabe für Unternehmen besteht deshalb darin, eine interne Meldestelle, also ein Hinweisgeberverfahren, einzurichten und zu betreiben. Die interne Meldestelle hat zudem klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des externen Meldeverfahrens bereitzustellen. Daneben soll der Beschäftigungsgeber Anreize für die Beschäftigten schaffen, vorrangig das interne Meldeverfahren zu nutzen und hat Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitzustellen. Wie diese Anreize gesetzt werden, ist nicht gesetzlich vorgegeben, allerdings darf nicht der Zugang zu externen Meldestellen eingeschränkt werden.

Die Einrichtung der internen Meldestelle

Für die Einrichtung der internen Meldestellen sind gesetzliche Fristen vorgesehen. Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten haben ab der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt drei Monate Zeit für die Umsetzung der Regelungen. Sie könnten deshalb schon im Mai 2023 dazu verpflichtet sein, den Anforderungen des HinSchG zu entsprechen. Dahingegen erhalten Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten eine längere Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten sind zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle nur dann verpflichtet, wenn sie den in § 12 Abs. 3 HinSchG genannten Unternehmen zuzuordnen sind.
Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden können eine gemeinsame Meldestelle betreiben. Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden müssen eine eigene interne Meldestelle einrichten, es darf aber ein Dritter mit der Aufgabe der internen Meldestelle beauftragt werden. Gemäß dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip kann auch bei einer anderen Konzerngesellschaft (zum Beispiel Mutter-, Schwester-, oder Tochtergesellschaft) eine unabhängige und vertrauliche Stelle als Dritter eingerichtet werden, die auch für mehrere selbständige Unternehmen in dem Konzern tätig sein kann. Dabei ist es nach Ausführungen des Gesetzgebers allerdings notwendig, dass die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, immer bei dem jeweiligen beauftragenden Tochterunternehmen verbleibt.
Die internen Meldestellen müssen die folgenden Anforderungen erfüllen:
  • Die Meldekanäle sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben
  • Ermöglichung von Meldungen in mündlicher Form (per Telefon oder andere Art der Sprachübermittlung), in Textform (Brief/Mail), persönlich oder über ein sog. Whistleblowing-Portal.
  • Auf Ersuchen der hinweisgebenden Person ist für eine Meldung innerhalb einer angemessenen Zeit eine persönliche Zusammenkunft mit einer für die Entgegennahme einer Meldung zuständigen Person der internen Meldestelle zu ermöglichen. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
  • Die mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragte Personen sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig. Sie dürfen zwar andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, es darf dabei aber nicht zu Interessenkonflikten kommen. Zudem hat der Beschäftigungsgeber sicherzustellen, dass die mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.
Daneben kann der interne Meldekanal auch so gestaltet werden, dass er neben Beschäftigten und dem Beschäftigungsgeber überlassenen Leiharbeitnehmern auch natürlichen Personen offensteht, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit dem jeweiligen zur Einrichtung der internen Meldestelle verpflichteten Beschäftigungsgeber in Kontakt stehen.

Verfahren bei internen Meldungen

Die interne Meldestelle
  1. bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang der Meldung spätestens nach sieben Tagen,
  2. prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 HinSchG fällt,
  3. hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt,
  4. prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung,
  5. ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Information und
  6. ergreift angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG.
Sie erteilt der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung. Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Sie darf jedoch nur insoweit erfolgen, als dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder die in der Meldung genannt werden, nicht beeinträchtigt werden. Alle eingehenden Meldungen sind zu dokumentieren und aufzubewahren, wobei hierfür die Einwilligung des Hinweisgebers eingeholt werden muss. Diese Dokumentation ist drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen.

Technische Umsetzung

Für eine technische Umsetzung gibt es zahlreiche Anbieter, die entsprechende Software anbieten.

Informationen über externe Meldestellen

Die interne Meldestelle hat zudem Informationen über externe Meldestellen bereitzuhalten. Neben den externen Meldestellen des Bundes beim Bundesamt für Justiz, den externen Meldestellen der Länder, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Bundeskartellamt (§§ 19 ff. HinSchG) hat sie auch Informationen über Verfahren für Meldungen an Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union bereitzustellen. Darunter fallen externe Meldekanäle der Kommission, des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF), der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA).
Zusammenfassend haben Unternehmen nun eine interne Meldestelle einzurichten, die den Anforderungen des HinSchG gerecht wird. Darüber hinaus müssen Beschäftigungsgeber klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens zur Verfügung stellen, während die interne Meldestelle Informationen über externe Meldestellen zur Verfügung stellen muss.
-Mit freundlicher Genehmigung der IHK Frankfurt am Main-