Standortwettbewerb annehmen, Steuern vereinfachen

Die Höhe der Steuerbelastung ist ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen und deren Investitionen. (Direkt-) Investitionen sichern Beschäftigung und erhalten den Wohlstand.
Es geht dabei nicht allein um die Höhe der Steuersätze und die Festlegung von Bemessungsgrundlagen. Auch eine Begrenzung der Steuerbürokratie hilft, Administrationskosten für Unternehmen und die Verwaltung klein zu halten und so die Wettbewerbsposition der Unternehmen in der EU zu stärken. Wichtig ist darüber hinaus, europäische Unternehmen nicht in ihrem Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Wirtschaftsräumen einseitig zu schwächen. Aus diesem Grund ist die Einführung von Mindeststeuern, Finanztransaktionssteuern oder einer zu engmaschigen Überwachung zum Zweck einer weiteren Begrenzung der Steuerplanung aus Sicht der Mehrheit der Unternehmen keine Option, wenn sie nicht auch die weltweite Konkurrenz mit einbezieht.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
  • OECD-Maßnahmen gegen Steuervermeidung mit Augenmaß umsetzen
  • EU-Mehrwertsteuersystem weiter harmonisieren und transparenter gestalten
  • Unternehmenssteuern: Bemessungsgrundlagen vereinheitlichen
  • Auf Finanztransaktionssteuer (FTS) verzichten

OECD-Maßnahmen gegen Steuervermeidung ohne zusätzliche Regelungen umsetzen

OECD und EU haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um Gewinnverlagerungen und Steuervermeidung zu begrenzen bzw. zu verhindern (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS). Die Umsetzung in nationales Recht der Mitgliedstaaten, beispielsweise zur Ausweitung steuerlicher Berichtspflichten auf Basis der EU-Amtshilferichtlinie (Directive on Administrative Cooperation, DAC), vollzieht sich mit schneller Schlagzahl: Begonnen im Jahr 2011 steht man nun bei Änderungs-Richtlinie Nummer 7. Nach Banken (über Kundendaten) oder Aufsichtsräten (über ihre Entschädigung) berichten nun Online-Plattformbetreiber und Verwender von Kryptowährungen über ihre Nutzerdaten und Gewinne. Der Gesetzgeber sollte die Wirkungsweise seiner Regeln in der Praxis prüfen, bevor er weitere Berichtspflichten einführt.
Der Wettbewerb zu Unternehmen aus anderen Wirtschaftsräumen wird verzerrt, wenn internationale Verpflichtungen auf europäischer oder nationaler Ebene „übererfüllt“ werden. Das ist in den vergangenen Jahren gleich zweimal passiert: Aus der Einigung auf internationaler Ebene, Berichte zu den Gewinnen und Unternehmenssteuern für jedes einzelne Tätigkeitsland zwischen den Steuerverwaltungen auszutauschen (DAC 4) wurde in der EU eine Berichtspflicht „gegenüber jedermann“. Und die Pflicht zur Meldung von grenzüberschreitenden Steuersparmodellen (DAC 6) soll in Deutschland auch rein nationale Sachverhalte umfassen. In beiden Fällen entstehen für die Unternehmen in Deutschland erhebliche Anpassungskosten und damit Wettbewerbsnachteile. Letzteres lehnt die Wirtschaft mit großer Mehrheit ab.
Die auf internationaler Ebene zwischen 141 Staaten verhandelten Maßnahmen zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten (Säule 1) und Einführung einer globalen Mindeststeuer (Säule 2) stellen eine grundlegende Neugestaltung der internationalen Steuerarchitektur dar. Die betroffenen Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen – auch, weil die Neuregelungen bei den Unternehmen zu erheblichen administrativen Belastungen führen wird. Umso wichtiger ist es, mit Wirkung für die gesamte EU eine einheitliche und konsistente Umsetzung der internationalen Regelungen zu gewährleisten. Ein solches Vorgehen würde Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zumindest gegenüber ihren EU-Mitwettbewerbern vermeiden. Es ist allerdings darauf zu achten, dass auf EU-Ebene nur die Maßnahmen umgesetzt werden, die auf internationaler Ebene auch tatsächlich verabschiedet wurden. Weitergehende, die Unternehmen belastende Maßnahmen - im Sinne eines EU-Goldplating – sollten so weit wie möglich vermieden werden. Vielmehr sollten alle international vereinbarten Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um europäische Unternehmen administrativ zu entlasten.
Das Steuerrecht der Europäischen Union sollte die Verwirklichung des Binnenmarktes unterstützen. Widerspruchsfreie und einfache Regelungen helfen dabei, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und den Handel im Binnenmarkt erhöhen. Steuerbemessungsgrundlagen sollten harmonisiert und Steuersätze möglichst auf nationaler Ebene bestimmt werden. Neue verhältnismäßige steuerliche Pflichten für Unternehmen sollten dagegen aus Sicht der Wirtschaft mit Blick auf den stärker werdenden globalen (und innereuropäischen) Wettbewerb, allenfalls international abgestimmt eingeführt werden. Dabei sollten bereits eingeführte Regeln regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und ggf. abgeschafft werden („One in - one out“).

EU-Mehrwertsteuersystem einfacher und transparenter gestalten

Das EU-Mehrwertsteuersystem kennzeichnet noch immer eine Fülle von Ausnahmeregelungen und eine nicht einheitliche Auslegung bestehender Vorschriften durch die Mitgliedstaaten. Beides erschwert es europäischen Unternehmen, sich rechtstreu zu verhalten. So führen beispielsweise selbst kleinste Fehler bei der Erstellung von Rechnungen zu Nachforderungen bis hin zu Sanktionen für den Unternehmer oder zur Versagung des Vorsteueranspruchs. Zudem sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Reverse Charge-Verfahrens (Steuerschuldumkehr) bei Geschäften zwischen Unternehmen nicht EU-weit abgestimmt. Das Fehlen einheitlicher Verfahren erschwert den Unternehmern die korrekte Abführung der Steuer.
Etwa die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten haben bereits digitale Meldesysteme für nationale Umsätze eingeführt bzw. beabsichtigen dies in absehbarer Zeit zu tun. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen sind bereits jetzt mit unterschiedlichen Systemen und Anforderungen konfrontiert. Gerade für kleine Unternehmen kann dies schnell zu einem Hemmschuh für die Nutzung des Binnenmarktes werden. Deshalb wäre es gut, wenn sich die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung auf ein Elektronisches Meldesystem einigen oder zumindest die Vielfalt der Systeme reduzieren könnten. Allerdings ist festzuhalten, dass Digitalisierung bei der Bekämpfung des Betrugs unterstützen kann. Kriminelle Energie und die Folgen von Schwarzarbeit oder Insolvenzen lassen sich damit aber nur begrenzt ausgleichen.
Die Effizienz eines neuen elektronischen Melde- und Kontrollsystems für Rechnungen setzt allerdings ein für KMU wie Großunternehmen praktikables und reibungslos funktionierendes System voraus. Es sollte möglichst mit bestehenden Systemen in den Unternehmen kompatibel sein und mit europäischen Lösungen abgestimmt werden. Zudem sollte es zumindest flankiert werden mit der zeitnahen Auswertung durch die Finanzverwaltung sowie Vereinfachungen und Rechtssicherheit für die Unternehmen. Kontrolle und Technik stellen Wirtschaftsteilnehmer und Administration jedoch vor große Aufgaben und Kosten. Daher müssen die Sicherheits- und Effizienzgewinne auch zwischen beiden aufgeteilt werden und nicht nur Erleichterungen für die Steuerverwaltung erreichen.
Der schrittweise Übergang zum Bestimmungslandprinzip sollte den Unternehmen möglichst einfach gemacht werden. Für den grenzüberschreitenden Warenaustausch zwischen Unternehmen würde das z. B. bedeuten, den Kunden aktiv in die Steuererhebung einzubeziehen, etwa indem die Steuerschuld auf ihn übergeht. Im B2C-Bereich kann mit der Einführung des One-Stop-Shop (OSS) zwar teilweise die Registrierung im EU-Ausland vermieden werden. Die abgesenkte Umsatzgrenze, die nunmehr EU-weit gilt, führt dazu, dass deutlich mehr kleine Unternehmen das MwSt-Recht anderer EU-Mitgliedstaaten anwenden müssen als das bisher der Fall war. Die Beschaffung rechtssicherer Informationen über das ausländische Recht ist für KMU häufig sehr aufwändig. Die Nutzung des OSS gleicht den höheren Aufwand und die Steuerrisiken fehlerhafter Anwendung des ausländischen Rechts aus Sicht der Vielzahl der Betriebe nicht adäquat aus. Es sollten rechtsverbindliche Informationen auch zu Ausnahmeregelungen und Verfahrensvorschriften zentral seitens der EU zur Verfügung gestellt werden, um den Unternehmen die Informationsbeschaffung zu erleichtern. Bei Steuersatzänderungen sollten die Informationen frühzeitig vor Inkrafttreten bereitgestellt werden. Die Kommunikation sollte idealerweise in allen EU-Amtssprachen möglich sein.

Unternehmenssteuern: Bemessungsgrundlagen vereinheitlichen

Die Kommission hat angekündigt, im Jahr 2023 Vorschläge für die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert (“Business in Europe: Framework for Income Taxation” - BEFIT) vorzulegen. Für ein solches Regelwerk besteht ein Bedürfnis bei grenzüberschreitend aktiven Unternehmen. Deshalb sollte sich die Kommission mit den Mitgliedstaaten im Vorhinein über Ziele und wesentliche Eigenschaften der BEFIT verständigen.
Die Wirtschaft erwartet mehrheitlich u. a. Regeln für die Gewinnabgrenzung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten. Wichtig wären EU-weit einheitliche Standards zur steuerlichen Förderung von privaten Ausgaben für Forschung, Entwicklung oder Innovation. Schließlich wetteifern Staaten heutzutage genau damit um die Ansiedlung von forschenden Unternehmen. Die Standards sollten zusätzliche private FuE-Ausgaben anreizen und damit hohe positive gesamtwirtschaftliche Effekte erzielen. Dabei sollten alle Größenklassen von Unternehmen gefördert werden. Eine schwerpunktmäßige Förderung von KMU könnte durch eine degressiv ausgestaltete Steuergutschrift erreicht werden. Einheitliche Standards gäben forschenden Unternehmen größere Sicherheit hinsichtlich der Vereinbarkeit nationaler Förderung mit dem EU-Beihilfenrecht – ähnlich den Beihilfeleitlinien für Restrukturierungen oder für Erleichterungen im Bereich Umwelt und Energie.
Für Unternehmen, die nicht grenzüberschreitend tätig sind, sollte BEFIT eine Option sein. Ein Systemwechsel ist für sie mit Nachteilen verbunden, ohne dass sie profitieren würden.

Auf Finanztransaktionssteuer (FTS) verzichten

Die nach wie vor diskutierte Einführung einer Finanztransaktionssteuer – die darüber hinaus als eine künftige Finanzierungsquelle der EU vorgesehen ist („EU-Eigenmittel“) – würde den Wettbewerb zu Unternehmen, die vergleichbare Lasten nicht zu tragen haben, verzerren. Eine FTS würde Absicherungsgeschäfte ebenso wie Altersvorsorgeprodukte verteuern und damit die gewerbliche Wirtschaft erheblich treffen. Zudem würde sie zu einem Abfluss von Kapital in nicht oder weniger regulierte Finanzmärkte – innerhalb oder außerhalb der EU - führen, woraus sich weitreichende Nachteile für die gewerbliche Wirtschaft ergäben. Zur Stabilisierung der weltweiten Finanzmärkte würde die FTS außerdem keinen Beitrag leisten. Eine zielgenaue Regulierung wäre an dieser Stelle das bessere Instrument.