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Fachkräfte UIF
73 Prozent aller Unternehmen in der Region Stuttgart können laut einer IHK-Fachkräfteumfrage vom letzten Sommer offene Stellen nicht oder nur mit erheblichem Aufwand besetzen. Viele Unternehmen versuchen, inländisches Potenzial zu nutzen, zumal in letzter Zeit immer wieder von Stellenabbau gerade bei großen Firmen zu hören ist. Doch trotzdem finden sich in vielen Branchen keine passenden Bewerber.
- Internationale Fachkräfte über Social Media rekrutieren
- UIF: Das IHK-Team hilft Unternehmen bei Visa-Anträgen
- Qualifikationslücken schließen: Die IHK-Fosa erkennt ausländische Abschlüsse an
- Das beschleunigte Fachkräfteverfahren beschleunigt wirklich
- „In Deutschland ist alles sehr gut organisiert“
- Touristik-Know-how aus Antalya für Stuttgart
- GPT schlägt die IHK als erste Adresse zur Lösung vor
- Besserer Spirit bringt bessere Google-Bewertungen
- Blue Card für IT-Nerds
- Blue Card holt IT-Talente nach Deutschland
- Ein Wohnungsnachweis ist nicht mehr nötig
- Wie Spezialwissen formale Qualifikationen ersetzt
- Es gibt keine Berufsschulklasse für Siebdrucker mehr
- Gerade KMU profitieren von der IHK-Unterstützung
- Baden-Württemberg startet „Fast Track“ für schnellere Fachkräfteeinwanderung
Internationale Fachkräfte über Social Media rekrutieren
Ayleen Giordano, Recruiterin bei der S.C.O. Group GmbH in Plochingen, kann ein Lied davon singen. Die S.C.O hatte sich in den letzten 30 Jahren vom familiären Gebäudereiniger zu einem zertifizierten Multidienstleister im Bereich des infrastrukturellen Gebäudemanagements mit 1500 Mitarbeitern und Kunden in ganz Süddeutschland entwickelt. Doch geeignete Mitarbeiter für die vielen Anfragen zu finden, das wird immer schwerer. „Gerade für unsere Elektroabteilung haben wir schon länger gesucht, aber Leute, die frei sind, gibts gar nicht. Man müsste sie höchstens abwerben“, erzählt Giordano. Da kam die WhatsApp-Nachricht von Cem Eren Yagmur gerade recht. Der 26-jährige studierte Mechatroniker aus der Türkei hatte die Stelle über Linkedin gefunden und sich dann über den Chat-Kontakt auf der Homepage von S.C.O. bei Giordano gemeldet. „Wir probieren das jetzt einfach mal“, entschied die 28-Jährige.

Dass es nicht leicht würde, den jungen Mann nach Plochingen zu holen, das war ihr klar. Und tatsächlich „lief direkt erst mal alles schief“, wie sich die Personalerin erinnert. Zum Glück kam ihr die Idee, bei der IHK nachzufragen – und sie ist noch jetzt begeistert: „Die Zusammenarbeit hat wunderbar funktionier! Die Betreuung war wirklich toll und das Feedback kam immer ganz schnell.“
UIF: Das IHK-Team hilft Unternehmen bei Visa-Anträgen
Das lag auch daran, dass die IHK im letzten Jahr ein eigenes Betreuungsteam auf die Beine gestellt hat, das Mitgliedsfirmen bei der Zuwanderung von ausländischen Fachkräften unterstützt. Unternehmensservice Internationale Fachkräfte, kurz UIF heißt das Team, bestehend aus Sigrit Walsdorff, Lana Meyer-Vogt, Vira Rudych und Ulrike Weber. Die vier zeigen den Unternehmen auf, welche Lösungswege es für ihren konkreten Fall gibt und welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind. Sie gehen ihnen aber auch bei der Zusammenstellung aller notwendigen Unterlagen für das Visumverfahren zur Hand und helfen beim Ausfüllen der unzähligen Formulare. Die Firmen müssen dann nur noch mit der kompletten „Mappe“ beim Ausländeramt vorstellig werden.
Für die 18 Ausländerbehörden in der Region, mit denen IHK und Handwerkskammer eine Kooperationsvereinbarung zum beschleunigten Fachkräfteverfahren getroffen haben, übernimmt der UIF neben der gesamten Erstberatung zusätzlich die Weiterleitung der Unterlagen. Das Team versteht sich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Ausländerbehörde und punktet mit seiner tiefe Spezialisierung, der Erfahrung sowie mit seiner Nähe zu den Mitgliedsunternehmen und ihren Belangen. Außerdem gibt es einen kurzen Draht zu Fachkollegen, zum Beispiel aus dem Verkehrsrecht oder der Berufsausbildung.
Qualifikationslücken schließen: Die IHK-Fosa erkennt ausländische Abschlüsse an
Das wird zum Beispiel dann wichtig, wenn es um die Qualifikation geht. „Bis auf wenige Ausnahmen können nur qualifizierte Personen aus Drittstaaten in Deutschland eingestellt werden, und die müssen qualifizierte Tätigkeiten ausführen“, erklärt Meyer-Vogt. Die Mindestvoraussetzung für das beschleunigte Fachkräfteverfahren ist deshalb in der Regel ein Hochschulabschluss oder eine mindestens zweijährige Berufsausbildung. Beides muss im Herkunftsland staatlich anerkannt sein.
Wobei es immer wieder Missverständnisse gibt: Was nämlich in anderen Teilen der Welt als Studium gilt, entspricht nach deutschen Vorstellungen oft eher einer Ausbildung, bei der allerdings nicht selten der praktische Teil fehlt. Auch bei Yagmur war es so. Doch das UIF-Team konnte aufzeigen, wie sich mit einem fundierten Qualifizierungsplan für die ersten Monate diese Lücke schließen ließ.
Giordano findet das gut und richtig so: „Die Standards sind doch andere als hier“, hat sie festgestellt. Genau aus dem Grund hält sie es allerdings für überflüssig, dass der Bewerber quasi jeden absolvierten Uni-Kurs einzeln nachweisen musste: „Wenn das sowieso nicht anerkannt wird, könnte man sich den Aufwand und Papierkram doch sparen“, ist sie überzeugt.
Das beschleunigte Fachkräfteverfahren beschleunigt wirklich
Der große Vorteil des beschleunigte Fachkräfteverfahren besteht darin, dass die interessierten Firmen das Arbeitsvisum von Deutschland aus beantragen können. Beim Standard-Verfahren muss der Bewerber es bei der deutschen Vertretung in seinem Heimatland beantragen. Zweiter Vorteil des beschleunigten Verfahrens: Alle Beteiligte sind an kürzere Fristen gebunden.
Das macht sich auf jeden Fall positiv bemerkbar, wie Yagmurs Beispiel zeigt: Von der allerersten Kontaktaufnahme bis zum Arbeitsbeginn dauerte die gesamte Prozedur circa acht Monate. Rechnet man ab der Zusammenarbeit mit der IHK, sind es sogar nur vier Monate: Am 1. September 2024 konnte der junge Mann in der Plochinger Fabrikstraße an den Start gehen.
„In Deutschland ist alles sehr gut organisiert“
Zu seiner großen Freude hatte er da auch schon eine Wohnung. Giordano hatte sie für ihn gesucht. Und auch bei den Behördengängen nach Yagmurs Ankunft begleitete die Personalerin den jungen Mann. Hat sie dabei viel gelernt? „Definitiv“, ruft sie aus. Aber man merkt ihr an, dass es ihr auch Spaß gemacht und sie die Erfolgserlebnisse genossen hat. „Ich organisiere gern, das ist genau mein Ding“, erzählt sie und strahlt dabei.
Und was sagt Cem Eren Yagmur? Was erzählt er der Familie, wenn er zu Hause anruft? „In Deutschland ist alles sehr gut organisiert und der Arbeitsstandard ist hoch“. Nicht einmal Klagen über das Wetter? „Nein, das ist wie zu Hause“, meint er.
Touristik-Know-how aus Antalya für Stuttgart
Letzteres kann Zülfikar Yeter beim besten Willen nicht behaupten, denn er kommt vom entgegengesetzten Ende der Türkei. Allerdings, dass jemand wegen des Sonnenscheins nach Deutschland zieht, erwartet wohl niemand. Auch Yeter gibt als Motivation für diesen Schritt den Wunsch an, sich weiterzuentwickeln. Aber auch der höhere Lebensstandard hat den 25-Jährigen bewogen, das Angebot von Fatma Arli anzunehmen, die Restaurantleitung im Tevhid in der Stuttgarter Neckarstraße zu übernehmen.
Dabei hatte der 25-Jährige nach seinem BWL-Studium eigentlich einen guten Job in der Touristenhochburg Antalya. Wie modern dort die Gastronomie aufgestellt ist, davon können sich jedes Jahr Millionen deutscher Touristen überzeugen – wie Fatma Arli. 2019 hatte sie das Tevhid gegründet, dass wegen Corona aber erst 2022 so richtig in Schwung kam. Doch zwei Dinge bereiteten der Gastronomin Kopfzerbrechen: „Es ist so schwer, Mitarbeiter zu finden, weil die Leute in der Branche wissen, dass wir uns um sie bewerben müssen“, hat sie festgestellt. Außerdem gebe es nur wenige Fachkräfte mit der nötigen Erfahrung, um ein größeres türkisches Restaurant zu führen. Ihr Eindruck: „Ein großer Teil der türkischen Gastronomie in Deutschland ist im Jahr 2000 stehen geblieben.“ Das gelte sowohl für das Ambiente als auch für die Speisekarte.

Dass es auch anders geht, sah Arli beim Familienurlaub 2022 an der türkischen Südküste: „Unser Hotel war einfach perfekt. Deswegen haben wir den Restaurantleiter gefragt, ob er nicht für uns in Stuttgart arbeiten möchte“, erzählt sie. Der hatte jedoch gerade geheiratet und wollte deshalb nicht auswandern. Stattdessen schlug er seinen besten Freund vor - eben Zülfikar Yeter.
Im Jahr darauf lernten sich Arli und Yeter persönlich kennen: „Wir haben alles abgesprochen“, erinnert sich die junge Unternehmerin, „Vor allem wollte ich klären, dass er nicht in einer Traumblase gefangen ist, sondern ehrlich weiß, was ihn in Deutschland und im Tevhid erwartet“, erzählt sie.
GPT schlägt die IHK als erste Adresse zur Lösung vor
Weil alles passte, begann Arli im August 2023, die Papiere für das Arbeitsvisum zusammenzutragen. Als alles beisammen war, wollte sie die Unterlagen beim Ausländeramt checken lassen, doch auf einen Termin hätte sie lange warten müssen. „Ich hab dann ChatGPT gefragt, wohin ich mich wenden soll. Es hat die IHK Region Stuttgart vorgeschlagen“, erinnert sie sich. Und tatsächlich ging es dann „ratz fatz“: Im November war der erste Termin bei der IHK, im März konnte Yeter anfangen.
Mit UIF-Frau Vira Rudych sprach Arli auch über das Gehalt. „Die Ausländerbehörde prüft nämlich, ob der Lebensunterhalt gesichert ist und die Arbeitsagentur prüft zusätzlich, dass die Bewerber nicht schlechter bezahlt werden als vergleichbar tätige Inländer“, erklärt Rudych.
Besserer Spirit bringt bessere Google-Bewertungen
Im Tevhid hat sich seit dem Arbeitsantritt von Yeter viel getan. Zum Beispiel wurden neue Holztische angeschafft und mit dem Firmenlogo gebrandet. „Heutzutage wird das Essen ja erst mal fotografiert, bevor man isst“, schmunzelt Arli. Aber nicht nur die Tische selber sind neu, auch die Anordnung, die Deko und die Tatsache, dass gleich morgens eingedeckt wird. Ganz neu ist auch, dass man online reservieren kann.
Noch wichtiger sind die Neuerungen, die man erst auf den zweiten Blick bemerkt. Arli muss nicht lange überlegen: „Die Arbeitsethik, Teambuilding und dass der Fokus auf die Kundenzufriedenheit gerichtet ist“, zählt sie auf. Schlägt sich das auch in den Zahlen nieder? „Oh ja, wir sehen es am Umsatz und an den Google-Bewertungen“, freut sich die Chefin.
Deutsch konnte Yeter gar nicht, als er nach Stuttgart aufbrach. Inzwischen arbeitet er am B1-Level. Zwar können alle seine Mitarbeiter Türkisch, aber er legt großen Wert darauf, mit den Gästen persönlich zu sprechen: „60 Prozent meiner Aufgaben kann ich mit meinen Sprachkenntnissen schon meistern“, erzählt er stolz. Dank „learning by doing“ und dem wöchentlichen Sprachkurs werden die 40 Prozent sicher bald folgen.
Blue Card für IT-Nerds
Im Rahmen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens gibt es einen Spezialfall, der unter dem Namen Blue Card bekannt ist – sozusagen die europäische Schwester der US-Greenard. Sie richtet sich an Menschen, die über einen Abschluss verfügen, der mindestens der Stufe 6 der internationalen Standardklassifikation im Bildungswesen entspricht, etwa Meister oder Bachelor. Auch muss das Bruttojahresgehalt deutlich über 40.000 Euro liegen.

Oft wird die Blue Card mit IT-Spezialisten assoziiert, und so ist es auch bei der Sereact GmbH. Das Stuttgarter Unternehmen beschäftigt sich mit „embodied AI“, also Robotern, die von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden und intuitiv und per Sprache bedienbar sind. Auf diese Weise will Sereact Roboter demokratisieren, also auch für kleine Unternehmen nutzbar machen, zum Beispiel wenn sie Probleme haben, für unergonomische und eintönige Aufgaben Mitarbeiter zu finden.
Blue Card holt IT-Talente nach Deutschland
„Robotic 2.0“ nennt Co-Founder und CEO Ralf Gulde das, und dafür braucht er „einzigartige Köpfe“. Viele Köpfe! In den letzten Monaten hat der Gründer seine Mannschaft von 18 auf 33 Mitarbeiter aufgestockt, die Hälfte „Internationals“. Die meisten davon seien schon im Lande gewesen als er sie einstellte, aber „wir hiren in der ganzen Welt.“ Zuletzt fand er drei neue Mitarbeiter in Vietnam, Brasilien und Weißrussland. Sie alle erfüllten die Bedingungen für die Blue Card.
Gulde ist beeindruckt, wie schnell alles klappte: „In acht Wochen hatten sie ein Visum für sich und ihre Familie. Bei dem hochbürokratischen Vorgang ist das doch eine sehr gute Zahl!“, freut er sich und lobt die Unterstützung: „In Deutschland ist ja leider vieles dysfunktional. Da habe ich mich doch sehr gewundert, dass das bei der IHK so gut funktioniert.“
In der Softwarebranche wird doch sehr viel remote gearbeitet. Warum lässt er seine ITler nicht von zu Hause aus arbeiten? Tatsächlich ist die große Bürofläche in der Schockenriedstraße recht spärlich besetzt? „Die sind alle bei Kunden“, erzählt der CEO stolz, „wer an einem Roboter arbeitet, muss davor sitzen“.
Ein Wohnungsnachweis ist nicht mehr nötig
Bei aller Zufriedenheit mit dem Tempo der Blue-Card-Ausstellung hat Gulde doch einige Wünsche an die Politik. Hilfreich wäre es, wenn die Behörden ausländerrechtliche Punkte in den Fokus nähmen und die Entscheidungen zu Qualifikationen und Berufserfahrungen den Unternehmen überließen „Wir suchen einzigartige Köpfe, nicht fancy degrees!“ Gerade im Softwarebereich gelte, „wenn einer Bock hat, kann er überall in der Welt auch auf alten Computern qualitativ Hochwertiges leisten“. Um herauszufinden, ob jemand zu Sereact passt, startet er lieber „Cody Challenges“. Wer sie bestehe, beweise nicht nur sein Können, sondern auch seine Passion.
Tatsächlich wird im IT-Bereich häufig vom Nachweis eines formalen Abschlusses abgesehen wird, wenn der Kandidat eine einschlägige Berufserfahrung nachweisen kann. Auch Guldes zweiter Verbesserungsvorschlag ist schon verwirklicht: Die angeworbenen Fachkräfte brauchen keinen Wohnungsnachweis vor der Einwanderung mehr.
Wie Spezialwissen formale Qualifikationen ersetzt
Trotzdem ist das Wohnungsproblem nicht zu unterschätzen. Es bereitete auch Thomas Rudolph Kopfschmerzen, als er eine Bleibe für Dzmitry Bobryk und seine kleine Familie suchte. Doch dann war der Weißrusse selber erfolgreich: „Am 15. April 2024 hat er den Mietvertrag unterschrieben, am 18. April hat er bei uns angefangen“, erzählt der Personaler der Robos GmbH & Co. KG aus Kornwestheim.
Davor lagen viele Monate, in denen Rudolph „ziemlich ratlos“ war: Die Firma produziert individuelle Etikettenlösungen für die technische Industrie. An die 100 Stück davon würde jeder Autobesitzer finden, wenn er sein Fahrzeug daraufhin untersuchen würde. Die Etiketten sind sozusagen die ID jedes einzelnen Bauteils und müssen darum sehr robust sein. Höchste Beständigkeit haben sie, wenn sie im Siebdruckverfahren beschriftet werden. Doch qualifizierte Siebdrucker sind selten, weil sie neben technischem Verständnis und Geschicklichkeit auch ein Auge für Farbe haben müssen. In der Region gibt es inzwischen keine einzige Berufsschulklasse mehr für diesen Beruf.
Es gibt keine Berufsschulklasse für Siebdrucker mehr
Monatelang hatte Rudolph die Stelle eines Medientechnologen für den Siebdruck ausgeschrieben, unter anderem bei der Arbeitsagentur. Und genau das brachte schließlich die Lösung, wenn auch anders als gedacht: Bobryk, der zu diesem Zeitpunkt in Polen lebte, las sie und kontaktierte Robos.
Mitte September 2023 verabredete sich F&E-Chefin Dr. Tasmin Reuter auf der Label Expo in Brüssel mit Bobryk. „Dort hat er mich voller Begeisterung mit zum Stand eines Siebdruckmaschinenherstellers gezogen, weil er unbedingt zeigen wollte, was er kann“, erinnert sich Reuter. Es war gleich klar, dass er nicht nur „super qualifiziert ist und seine Maschine in- und auswendig kennt, sondern auch technisch und handwerklich sensationell.“

Allerdings verfügte der Weißrusse über keine einschlägige Ausbildung. Doch auch für diesen Fall findet sich eine Möglichkeit im Aufenthaltsgesetz, genau genommen der §19c in Verbindung mit §3 der Beschäftigungsverordnung: Wer in seinem Fachgebiet unternehmensspezifische Spezialkenntnisse unter Beweis stellen kann, der gilt als „Unternehmensspezialist“. Zusammen mit dem Nachweis von Robos, jemanden mit exakt diesen Kenntnissen zu brauchen, konnte damit die Hürde fehlender formaler Qualifikation überwunden werden.
Gerade KMU profitieren von der IHK-Unterstützung
Noch im September startete Rudolph seine Bemühungen um ein Arbeitsvisum für Bobryk, zunächst aber erfolglos. Im Januar schließlich schilderte er sein Problem der IHK. „Allein kann eine 85-Mitarbeiter-Firma wie unsere das gar nicht stemmen, aber mit eurer Unterstützung klappte es dann ganz schnell“, erzählt er dankbar. Schon im Februar bekam er einen positiven Bescheid der Arbeitsagentur. Der Vertrag wurde auf den 1. März terminiert. Dann hakte es zwar noch einmal kurz beim Visum, aber sechs Wochen später stand der 32-Jährige an der Maschine. „Seither glänzt er mit seinem Arbeitseinsatz und hat sich in die für ihn neue Maschine ganz eigenständig reingefuchst - einfach sensationell“, lobt Rudolph.
Noch klemmt es bei der Kommunikation, aber mit Händen und Füßen, ein paar Brocken Englisch und drei russischsprachigen Kollegen, funktioniere es. Allerdings, das macht Rudolph klar: „Im Arbeitsvertrag steht, dass er innerhalb eines Jahres mindestens das Niveau B1 erreichen muss“. Zu groß sei sonst die Gefahr von Missverständnissen und teuren Fehlern. Zum Glück hat Bobryk beim Lernen einen unschätzbaren Vorteil: seine Freundin ist Deutschlehrerin.
Ausreichende Sprachkenntnisse sind aber nicht nur für die Firma wichtig, sondern auch für die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. „Viele Unternehmen wollen möglichst schnell ihre Fachkraft einsetzen, bedenken aber nicht, dass man auch nach ihrer Ankunft einiges tun muss, damit sie bleiben darf“, sagt UIF-Frau Walsdorff. Jemand, dessen ausländische Qualifikation nur zum Teil anerkannt wurde und der zu einer Ausbildung oder zur weiteren Qualifizierung nach Deutschland komme, der benötige nach Ende dieser Maßnahmen einen Nachweis, dass er nun wirklich eine Fachkraft ist. Auch für diese sogenannte Vollanerkennung gibt es übrigens Unterstützung durch die IHK, genau genommen durch die Fosa. Das ist das bundesweite Kompetenzzentrum deutscher Industrie- und Handelskammern zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse.
Baden-Württemberg startet „Fast Track“ für schnellere Fachkräfteeinwanderung
Man sieht: es gibt Möglichkeiten, ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Allerdings ist es schwer, alleine den Weg durch das Dickicht an Vorschriften und Widrigkeiten zu finden. Deshalb fordert IHK-Präsident Claus Paal, „dass ausländerrechtliche Verfahren für Fachkräfte mit Jobzusage schnell umfassend digitalisiert, entschlackt und beschleunigt werden.“ Weil immer mehr Personal in den Behörden keine Lösung sei, fordert er zudem einfache, transparente Regelungen mit geringerem Prüfaufwand – kurz eine pragmatische Herangehensweise. Das würde auch die öffentliche Verwaltung entlasten.
Immerhin, Baden-Württemberg hat zum Jahreswechsel mit der Landesagentur für Zuwanderung von Fachkräften (LZF) einen entscheidenden Schritt auf dem Weg dorthin getan. Die LZF kann zukünftig beim Beschleunigten Fachkräfteverfahren alternativ zu den lokalen Ausländerbehörden kontaktiert werden. „Es soll und muss ein echtes ‚Fast Track‘ werden für ausländische Fachkräfte, die bereits ein Jobangebot haben“, fordert Paal. Allerdings dürfe keine Zeit damit verschwendet werden, den Apparat langsam aufzubauen: „Besser, dass wir jetzt mit der Arbeit beginnen und dann im Laufe der Zeit auf Bedarfe reagieren und Kapazitäten bei Notwendigkeit ausbauen“, schlägt er vor.
Und der IHK-Präsident mahnt: „Wir stehen im weltweiten Wettbewerb und ausländische Fachkräfte haben die Wahl wohin sie gehen.“ Dass diese Wahl auf Deutschland fällt, das ist jedenfalls machbar, wie unsere Beispiele zeigen.
Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft, Titelthema Ausgabe 3-4.2025
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