Handelsrecht

Internationaler Kaufvertrag und UN-Kaufrecht

Das Verhandeln und der Abschluss von Kaufverträgen kann, insbesondere im Falle von grenzüberschreitenden Geschäften, ein sensibles Unterfangen darstellen. Häufig werden dabei die Möglichkeit eines Scheiterns des Geschäfts bzw. Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung zu wenig in Betracht gezogen und in der Folge im Vertrag nicht ausreichend berücksichtigt. Nachfolgend soll auf die wichtigsten Aspekte beim Abschluss eines Kaufvertrages zwischen Vertragspartnern mit Sitz in unterschiedlichen Staaten aufmerksam gemacht werden.

Anwendbares nationales Recht

Ein häufig vernachlässigter Punkt beim Abschluss grenzüberschreitender Verträge ist die Frage des anzuwendenden nationalen Rechts. Welches nationale Recht auf einen Kaufvertrag anzuwenden ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In der Regel haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, eine Rechtswahl zu treffen und sollten von dieser Möglichkeit dann auch Gebrauch machen.
Sofern die Vertragsparteien jedoch keine Rechtswahl getroffen haben, ist zu ermitteln, welches nationale Recht Anwendung findet. Hierfür maßgeblich sind für Verträge, die nach dem 17. Dezember 2009, geschlossen wurden, die Kollisionsnormen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (sog. Rom I-Verordnung), die gleichermaßen für Verträge mit Vertragspartnern in Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie auch in Drittstaaten gilt. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge kommen dagegen weiterhin die Art. 27 ff. EGBGB (a.F.) zur Anwendung.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) Rom I-Verordnung findet auf Kaufverträge über bewegliche Sachen das Recht des Staates Anwendung, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Als Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes gilt im Falle von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen gemäß Art. 19 Abs. 1 Rom I-Verordnung der Sitz der Hauptverwaltung. Ist Gegenstand des Vertrages dagegen ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache, findet gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c) Rom I-Verordnung das Recht des Staates Anwendung, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Weitere Sonderregelungen sind in den Art. 4 ff Rom I-Verordnung für zahlreiche Vertragstypen wie insbesondere Dienstleistungs-, Miet-, Vertriebs- und Franchiseverträge vorgesehen.

UN-Kaufrecht (CISG)

Im Fall von internationalen Kaufverträgen stellt sich bei gewerblichen Verkäufen immer auch die Frage nach der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts, das auch als Wiener Kaufrecht bezeichnet wird und auf der "United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods" vom 11. April 1980 (CISG) basiert.
Im internationalen Handel ist das UN-Kaufrecht von erheblicher Bedeutung, da mittlerweile alle führenden Wirtschaftsnationen das Übereinkommen ratifiziert haben (vgl. Übersicht über die Vertragsstaaten des CISG). In Deutschland ist das UN-Kaufrecht seit 1. Januar 1991 in Kraft und Bestandteil des deutschen Internationalen Privatrechts.

Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts

Der räumliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts ist gemäß Art. 1 CISG eröffnet, wenn ein Kaufvertrag zwischen Vertragsparteien geschlossen wird, die ihre Niederlassungen in unterschiedlichen Staaten haben, die jeweils Vertragsstaaten des CISG sind oder deren internationales Privatrecht das CISG für anwendbar erklärt. Unbeachtlich ist dabei die Staatsangehörigkeit der Vertragspartner, die Frage der Kaufmannseigenschaft oder ob der Vertrag handelsrechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art ist. Zudem können die Vertragsparteien die Anwendbarkeit des CISG vertraglich vereinbaren.
In sachlicher Hinsicht findet das UN-Kaufrecht Anwendung, wenn Gegenstand des Vertrages der Kauf von Waren ist. Waren im Sinne des UN-Kaufrechts sind lediglich bewegliche Sachen. Kaufverträge über Grundstücke und Rechte werden daher nicht vom UN-Kaufrecht erfasst. Zudem findet das UN-Kaufrecht gemäß Art. 2 CISG keine Anwendung auf Kaufverträge über Wertpapiere und Zahlungsmittel, Wasser- und Luftfahrzeuge sowie bei Versteigerungen, Zwangsvollstreckungs- und anderen gerichtlichen Maßnahmen. Des Weiteren ist das UN-Kaufrecht bei grenzüberschreitenden Verträgen über den Kauf von Waren für den persönlichen Gebrauch nicht einschlägig. Keine Anwendung findet das UN-Kaufrecht schließlich auf Verträge, bei denen nicht die entgeltliche Übertragung von Besitz und Eigentum einer Sache im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen. Ein Beispiel hierfür ist das Erstellen eines Gutachtens, das zwar möglicherweise am Ende in Schriftform übergeben wird, bei dem tatsächlich aber die geistige Leistung im Vordergrund steht.
Das UN-Kaufrecht regelt die rechtlichen Aspekte eines Kaufvertrages nicht umfassend. Es enthält beispielsweise keine Vorschriften über die Verjährung von Ansprüchen und über die Produzentenhaftung. In diesen Bereichen bleibt daher das jeweils anwendbare innerstaatliche Recht maßgeblich.

Abdingbarkeit des UN-Kaufrechts

Das UN-Kaufrecht ist Teil des innerstaatlichen Rechts, kann gemäß Art. 6 CISG aber in wesentlichen Teilen abbedungen, somit von den Vertragsparteien für ihr Vertragsverhältnis für unanwendbar erklärt werden. Vereinbaren die Vertragsparteien, dass der Vertrag deutschem Recht unterliegt, beinhaltet dies daher zugleich die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts. Lediglich wenn eine Vertragsklausel wie beispielsweise „Dieser Vertrag unterliegt deutschem Recht mit Ausnahme des UN-Kaufrechts“ (oder ähnlich) vereinbart wird, bleibt das UN-Kaufrecht unangewendet. In diesem Fall gilt dann lediglich das (vereinbarte) innerstaatliche Recht.

Vertragsabschluss

Ein Vertrag nach dem UN-Kaufrecht kommt – wie auch sonst nach deutschem Recht – durch Angebot und Annahme zustande. Gemäß Art. 11 CISG ist dafür grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben, somit kann ein Vertrag in der Regel auch mündlich geschlossen werden. Die Vertragsstaaten können sich jedoch strengere Vorschriften vorbehalten. Solche Vorbehalte haben unter anderem Russland, Ungarn, Ukraine, Weißrussland, Estland, Lettland, Litauen, China, Argentinien, Chile und Paraguay erklärt.
In inhaltlicher Hinsicht muss ein Angebot bestimmt genug sein und den Willen des Anbietenden zum Ausdruck bringen, im Falle der Annahme an das Angebot gebunden zu sein. Ein Angebot ist bestimmt genug, wenn es die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder beides aufgrund des Angebotes zumindest bestimmbar ist.
Anders als im innerstaatlichen Recht kann ein Angebot grundsätzlich widerrufen werden, sofern der Widerruf dem Empfänger zugeht, bevor dieser die Annahmeerklärung abgesandt hat.
Eine Erklärung oder ein sonstiges schlüssiges Verhalten des Empfängers, das eine Zustimmung zum Angebot ausdrückt, stellt eine Annahme dar. Schweigen oder Untätigkeit stellen dagegen grundsätzlich keine Annahme dar.
Vorsicht geboten ist im UN-Kaufrecht bei einer Willenserklärung, mit der ein Angebot angenommen werden soll, die tatsächlich aber eine Ergänzung oder Abweichung zum Angebot enthält ist. Handelt es sich bei den Änderungen lediglich um solche unwesentlicher Art, ist – anders als im deutschen Recht – von einer Annahme und somit vom Zustandekommen des Vertrages zu den Bedingungen des Annehmenden auszugehen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Vertragspartner unverzüglich widerspricht. Ergänzungen oder Abweichungen, die sich auf Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, auf Ort und Zeit der Lieferung, auf den Umfang der Haftung der einen Partei gegenüber der anderen oder auf die Beilegung von Streitigkeiten beziehen, werden gemäß Art. 19 Abs. 3 als wesentliche Änderung und damit als ein neues Angebot angesehen.

Einbeziehung von AGB

Die Bestimmungen des CISG enthalten – anders als das innerstaatliche Recht mit § 305 BGB – keine Regelung, nach der vorformulierte Vertragsbedingungen (AGB) bereits dann Bestandteil eines Vertrages werden können, wenn der andere Vertragspartner auf die Einbeziehung dieser Bestimmungen hingewiesen wurde und er die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sämtliche Bestimmungen, die Bestandteil eines Angebotes sein sollen, dem Vertragspartner tatsächlich übermittelt worden sein müssen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass AGB mit dem Angebot körperlich verbunden sein müssen oder die AGB von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen sind.
Andererseits kann die Übermittlung von AGB im Einzelfall dann entbehrlich sein, wenn der Vertrag im Rahmen einer von beiden Vertragsparteien kontinuierlich praktizierten Geschäftsbeziehung geschlossen wird und Einvernehmen über die Einbeziehung der AGB besteht. Im Streitfall obliegt jedoch dem Verwender der AGB der Nachweis, dass diese Bestandteil des Vertrages wurden.

Handelsbräuche

Art. 9 CISG erklärt internationale Handelsbräuche ausdrücklich für gültig, schließt aber gleichzeitig lediglich nationale Bräuche aus. So kann im Geltungsbereich des UN-Kaufrechts beispielsweise nicht davon ausgegangen werden, dass ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben die gleiche Bedeutung wie im innerstaatlichen Recht hat.

Pflichten des Verkäufers

Die Art. 30 ff. CISG regeln die Pflichten des Verkäufers. Danach ist der Verkäufer insbesondere dazu verpflichtet, die verkaufte Ware zu liefern, die sie betreffenden Dokumente zu übergeben und das Eigentum an der Ware zu übertragen.
Gemäß Art. 31 CISG geht das UN-Kaufrecht grundsätzlich vom Versendungskauf aus. Seiner Pflicht, dem Käufer die Ware zu liefern, ist der Verkäufer nachgekommen, wenn er die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben hat. Infolgedessen geht die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung bereits zu diesem Zeitpunkt auf den Käufer über. Im Falle einer vertraglichen Vereinbarungen über die Versendung ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob damit lediglich eine Regelung über die Kostentragung oder aber eine regelrechte Bringschuld des Verkäufers geschuldet sein soll. Zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Vertragsauslegung empfiehlt es sich, ausdrücklich und eindeutig zu vereinbaren, welche Regelung von den Vertragsparteien tatsächlich gewollt ist.
Der Verkäufer hat Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich der Verpackung der vertraglichen Einigung entspricht. Das UN-Kaufrecht geht daher wie auch das deutsche Recht zunächst von einem subjektiven Mangelbegriff aus. Haben die Vertragsparteien diesbezüglich nichts vereinbart, sind für die Beurteilung der Frage der Mangelfreiheit allgemeine Maßstäbe zugrunde zu legen.
Zudem muss die Ware zum Zeitpunkt der Übergabe frei von Rechten und Ansprüchen Dritter sein. Auch an dieser Stelle unterscheidet sich das UN-Kaufrecht vom innerstaatlichen Kaufrecht. Während im innerstaatlichen Recht ein Rechtsmangel nur dann gegeben ist, wenn das geltend gemachte, dem Kaufvertrag widersprechende Recht tatsächlich besteht, ist ein Rechtsmangel im Sinne des UN-Kaufrechts bereits dann anzunehmen, wenn ein Anspruch eines Dritten geltend gemacht wird. Auf das tatsächliche Bestehen des vermeintlichen Rechtsmangels kommt es im UN-Kaufrecht somit nicht an.
Voraussetzung einer Haftung des Verkäufers ist gemäß Art. 39 CISG eine vorherige Rüge des Käufers. Dieser muss die Ware innerhalb einer so kurzen Frist selbst untersuchen oder untersuchen lassen, wie es die Umstände erlauben. Die Bemessung der Frist ist individuell zu bestimmen. In den meisten Fällen sind dafür ein bis zwei Wochen ausreichend. Im Einzelfall, insbesondere bei verderblichen Waren oder bei offenkundigen Mängeln, kann die Frist aber auch deutlich kürzer ausfallen. Die Frist beginnt mit dem Eintreffen der Ware beim Käufer zu laufen.
Hat der Käufer die Mangelhaftigkeit der Ware nicht oder nicht rechtzeitig gerügt, hat er dafür jedoch eine „vernünftige Entschuldigung“, kann er dennoch gemäß Art. 44 CISG den Kaufpreis herabsetzen oder Schadensersatz – mit Ausnahme des entgangenen Gewinns – verlangen.
Unabhängig von der Frage einer angemessenen Frist verliert der Käufer seine Gewährleistungsrechte, wenn er die Vertragswidrigkeit nicht innerhalb von zwei Jahren nach tatsächlicher Übergabe der Waren an seine Person anzeigt.
In Art. 45 ff. CISG sind die Rechtsbehelfe normiert, die dem Käufer im Falle einer Vertragsverletzung zur Verfügung stehen:
  • Erfüllungsanspruch
  • Nachbesserungsanspruch
  • Minderung bei vertragswidriger Beschaffenheit
  • Schadensersatz (dieser Anspruch kann auch parallel zu anderen Rechtsbehelfen Gebrauch geltend gemacht werden)
  • Rücktritt (bei einer wesentlichen Vertragsverletzung)
  • Anspruch auf Ersatzlieferung bei nicht vertragsgemäßer Ware (bei wesentlicher Vertragsverletzung).

Pflichten des Käufers

Der Käufer ist gemäß Art. 53 CISG verpflichtet den Kaufpreis zu bezahlen und die Ware abzunehmen. Die Zahlung hat, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben, am Sitz des Verkäufers zu erfolgen. Sofern die Zahlung per Überweisung erfolgt, gilt sie somit erst dann als erfolgt, wenn der Kaufpreis auf dem Konto des Verkäufers gutgeschrieben wurde.
Kommt der Käufer seiner Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Kaufsache nicht nach oder wird eine fehlende Zahlungsfähigkeit bereits vor der Fälligkeit der Zahlung offensichtlich, so stehen dem Verkäufer die folgenden Rechtsbehelfe zur Verfügung:
  • Rücktritt vom Vertrag (wenn die Verletzung der Zahlungspflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt)
  • Nachfristsetzung mit Rücktrittsandrohung
  • Zurückbehaltung der Ware
  • Schadensersatz 

Gerichtsstandsvereinbarung

Die vertragliche Vereinbarung eines Gerichtsstandes, also die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für den Fall von Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis, kann ratsam sein, ist vielfach beim Vertragspartner aber nicht leicht durchsetzbar. Zum Teil kann sie aber durch die Vereinbarung eines Erfüllungsortes einfacher erreicht werden.
Soll ein deutscher Gerichtsstand vereinbart werden, ist zu zuvor zu prüfen, ob Urteile deutscher Gerichte im Land des Vertragspartner leicht vollstreckbar wären. Dies ist insbesondere in der EU, sowie über das Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 mit der Schweiz, Norwegen und Island auch in diesen Ländern der Fall.
Berücksichtigt werden sollte zudem, dass das anwendbare Recht mit dem gewählten Gerichtsstand korrespondiert. Andernfalls drohen zumindest erhebliche Verzögerungen.

Vereinbarung eines Schiedsgerichts

Häufig bietet sich die Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel an. Vorteile der Involvierung eines Schiedsgerichts sind: Schiedsgerichte entscheiden meist schneller, da es keinen Zug durch die Instanzen gibt. Sie sind daher auch schneller vollstreckbar. Schiedsurteile sind zudem oft sachgerechter, da die Schiedsrichter eher Fachleute sind. Schließlich werden Schiedsverfahren nicht öffentlich durchgeführt, was bei geheimhaltungsbedürftigen Streitgegenständen ein weiteres Argument für ein Schiedsverfahren sein kann.
Die Vollstreckbarkeit von Schiedsurteilen von Schiedsgerichten wie beispielsweise des Schiedsgerichts bei der Internationalen Handelskammer in Paris ist im UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche geregelt, dem die weitaus meisten Staaten beigetreten sind. Eine aktuelle Liste der Vertragsstaaten findet sich auf der Website von UNCITRAL.