Außenwirtschaft

Ursprungsrecht und Ursprungsregeln

Erläuterungen zum Warenursprung

Der Begriff des Warenursprungs wird im Außenhandel häufig verwendet. Genauso wie jeder Fluss einen Ursprung hat, hat auch jede Waren ihren Ursprung. Wie bei einem Fluss kann es jedoch Schwierigkeiten bereiten, den Ursprung festzustellen, wenn mehrere Teile in ein Endprodukt einfließen.
Im Ursprungsrecht wird zwischen dem nichtpräferenziellen und dem präferenziellen Ursprung unterschieden. Hiervon abzugrenzen ist die Warenmarkierung "Made in ...".
Waren, die über einen präferenziellen Ursprung verfügen, erhalten bei der Zollabwicklung Vorteile: Sie können zu einem ermäßigten Zollsatz oder zollfrei eingeführt werden. Im Gegensatz zum präferenziellen Ursprung gilt der nichtpräferenzielle, auch handelspolitisch genannte Ursprung für alle Waren und nicht nur für bestimmte Warenkreise.

Nichtpräferenzieller Ursprung

Die Angabe des Ursprungs einer Ware ist im internationalen Handel unverzichtbar. Es handelt sich dabei grundsätzlich um den so genannten nichtpräferenziellen oder auch handelspolitischen Ursprung. Der nichtpräferenzielle Ursprung muss von präferenziellen Ursprung unterschieden werden, letzterer kann nur innerhalb der Regelungen von Handelsabkommen angewendet werden und muss die die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter "Weitere Informationen".

Welche Zwecke erfüllt der Nachweis des nichtpräferenziellen Ursprungs?

Im Export wird der nichtpräferenzielle Ursprung, verbrieft mit dem IHK-Ursprungszeugnis, zu vielen Zwecken genutzt:

1. Staatliche Vorgaben

  • Pflichtdokument für die Einfuhrabfertigung in vielen Ländern außerhalb der EU
  • Steuerung handelspolitischer Maßnahmen: Mengenbeschränkungen und Strafzölle knüpfen am Warenursprung an
  • Ausfuhrgewährleistungen, Fördermittel und öffentliche Aufträge: auch hier gibt es in der Regel Vorgaben zum Ursprung

2. Kundenwunsch

  • ein Ursprungszeugnis, das einen deutschen Ursprung ausweist, wird häufig als offizielle Bestätigung des Qualitätsversprechens "Made in Germany" verstanden, obwohl hier abweichende Regelungen vorliegen. Nähere Informationen zu "Made in Germany" finden Sie unter "Weitere Informationen".
  • Verknüpfung von Akkreditiven oder anderen dokumentären Zahlungsformen mit dem Ursprungszeugnis

Wie wird der Ursprung für das Ursprungszeugnis ermittelt?

Jede Ware hat einen Ursprung. Das ist das Grundprinzip des nichtpräferenziellen Ursprungs. Ein zweites Grundprinzip besteht darin, dass der Ursprung nach der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung bestimmt wird, die an einem Produkt vorgenommen worden ist. Es gibt keine internationalen Vorgaben der Welthandelsorganisation (WTO) zum Ursprung und somit auch keine Prozentregel oder ähnliches. Entsprechende Beratungen treten seit vielen Jahren auf der Stelle. Die Bestimmung auf Basis der letzten wesentlichen Be- und Verarbeitung ermöglicht es einerseits, den Ursprung unbürokratisch und flexibel anzuwenden. Andererseits beugt diese Vorgehensweise Missbrauch vor, wie er bei den komplexen Regelungen des Präferenzrechts möglich ist.
Das Grundprinzip der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung wird in Artikel 60 II UZK definiert. Das Grundprinzip ist erfüllt, wenn die letzte wesentliche Be- und Verarbeitung des Erzeugnisses zu einem neuen Erzeugnis oder einer wesentlichen Herstellungsstufe führt. Das Erzeugnis muss dadurch eine erhebliche qualitative Veränderung erfahren haben. Typische nicht ausreichende Vorgänge werden weiter unten ausgeführt.
Bis zum 30. April 2016 galten für zwei Warengruppen Spezialregeln: Dies waren zum einen alle Waren der Kapitel 50 - 63 des Warenverzeichnisses, also der Bereich Spinnstoffe, Textil und Bekleidung. Zum anderen befanden sich in Anhang 11 ZK-DVO einige Waren, für die ebenfalls exakt definierte Vorgaben existierten. Seit 1. Mai 2016 werden diese Regeln von den IHKs nur noch auf besonderen Antrag angewendet. Die Bestimmung des Ursprungs erfolgt generell auf Basis von Artikel 60 II UZK. 

Beispiele für nicht ursprungsbegründende Vorgänge

Der unbestimmte Begriff der wesentlichen Be- und Verarbeitung muss ausgelegt werden. Aus der jahrzehntelangen Praxis der IHKs haben sich folgende Vorgänge als eindeutig nicht ursprungsbegründend herauskristallisiert:
  • einfache Montagevorgänge
    Beispiel 1: nicht ursprungsbegründend wäre das Zusammensetzen eines Kugelschreibers aus Teilen, die selbst keinen deutschen Ursprung haben
    Beispiel 2: ursprungsbegründend hingegen wäre die Montage eines Rechners
  • Kommissionier-, Verpackungs- und Verladeprozesse (Umpacken, Portionieren, Abfüllen o. ä.)
  • Mess-, Prüf- und Justiervorgänge
  • Reparatur- und Restaurationsvorgänge, die einen ursprünglichen Zustand wieder herstellen
  • Anbringen von Prüfzeichen o. ä.
  • Vorgänge, die in anderen Rechtsgebieten eine Herstellereigenschaft auslösen, sind grundsätzlich für den Warenursprung ohne Bedeutung. Dies gilt u. a. für die Regelungen von Medizinprodukten
  • Vorgänge, nur zur Verkaufsförderung vorgenommen werden

Ermittlung des Ursprungs in der Praxis

In aller Regel lässt sich der handelspolitische Ursprung ohne größere Schwierigkeiten allein durch eine Betrachtung der letzten betrieblichen Fertigungsstufen ermitteln. Der Ursprung der eingesetzten Vormaterialien wird nur bei Zweifelsfällen mit betrachtet. Dies reduziert die Anforderungen an die Dokumentation deutlich, da der Ursprung der Vormaterialien oft wechselt oder nicht bekannt ist. Die Verlagerung der letzten Produktionsstufe in ein anderes Land führt häufig zu einer Änderung des Ursprungs. Das Kriterium der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung hat gegenüber einer fixen Prozentregel den entscheidenden Vorteil einer gerechteren und flexiblen Ursprungsermittlung. Dies zeigen folgende Beispiele:
  • Eine Regel mit fixer Wertschöpfung hängt sowohl vom jeweils erzielten Verkaufspreis als auch von der Preisentwicklung der Vormaterialien ab. Falls der Verkaufspreis (etwa durch Sonderrabatte) sinkt oder der Preis von Vormaterialien mit Ursprung in anderen Ländern steigt, ändert sich der Ursprung. Und dies obwohl sich an der Herstellung nichts geändert hat.
  • Die Herstellung einer Heftklammer aus einem Stahlreifen ist sicherlich eine wesentliche Bearbeitung, obwohl die Wertschöpfung recht gering ist. Der flexible handelspolitische Ursprung ermöglich das richtige Ergebnis.
  • Durch große Handelsspannen und den Einsatz bulgarischen Verpackungsmaterials kann der präferenzielle EU-Ursprung in einigen Fällen erreicht werden. Diese ungewollte Möglichkeit gibt es bei der Vorgabe einer konkreten letzten Be- oder Verarbeitung nicht.

Weitere Möglichkeiten der Ursprungsermittlung im Ursprungszeugnis

Seit 1. Mai 2016 kann der nichtpräferenzielle Ursprung für das IHK-Ursprungszeugnis auch auf alternativen Wegen ermittelt werden. Basis hierfür ist Artikel 61 (3) UZK: 
  • Anwendung der Listenregeln für einige Waren gemäß Anhang 22-01 UZK-DA
  • Anwendung des Ursprungsrechts des Empfangslandes
Beide Varianten führen in der Praxis zu einem Mehraufwand und werden daher nur auf Antrag des Unternehmens von der IHK angewendet. Der Mehraufwand besteht darin, dass die genaueren Regelungen nachgewiesen werden müssen, bzw. ein drittländisches Ursprungsrecht beschafft und interpretiert werden muss.

Ermittlung des nichtpräferenziellen Ursprungs beim Import in die EU

Generell wird für alle Maßnahmen im Sinne des EU-Zollrechts das Prinzip der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung angewendet. Falls allerdings die zu prüfende Ware im Anhang 22-01 UZK-IA enthalten ist, gehen die dort enthaltenen Regeln dem allgemeinen Prinzip vor. Im Anhang 22-01 UZK-IA sind weitgehend unverändert die bis 30. April 2016 gültigen Anhänge 10 und 11 ZK-DVO enthalten. Einige zusätzliche Warenbereiche wurden ergänzt, unter Anderem die Kapitel 17, 72 und 73. Maßnahmen des EU-Zollrechts umfassen unter anderem den Zolltarif, Antidumping- und Antisubventionszölle sowie verbindliche Ursprungsauskünfte.

Fazit

Für den Export und das Ursprungszeugnis gilt weiterhin grundsätzlich das praxisnahe und wirtschaftsfreundliche Prinzip der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung. Die IHK als zuständige Instanz ermittelt und entscheidet verbindlich, welchen handelspolitischen Ursprung eine Ware hat. Die Anwendung genauerer Regelungen ist aus Sicht der IHK nicht erforderlich.

Präferenzieller Ursprung

Der präferenzielle Ursprung einer Ware führt dazu, dass diese Waren in bestimmte Länder zollfrei oder mit ermäßigten Zollsätzen importiert werden können, das heißt die Ware wird dadurch billiger.
Grundlage für die Anwendung von Zollpräferenzen bilden eine Vielzahl von
  • Präferenzabkommen, die die Europäische Union mit anderen Staaten oder Staatengruppen geschlossen hat und die so genannten
  • autonomen Präferenzmaßnahmen, die die Europäische Union einseitig zugunsten bestimmter Länder, Ländergruppen (z. B. Entwicklungsländer) oder Gebiete anwendet.
Da Präferenzregeln immer nur im Verhältnis zum jeweiligen Abkommenspartner gelten, müssen Sie zuerst prüfen, ob ein Abkommen besteht.
Präferenzberechtigt sind lediglich Waren, die von der jeweiligen Präferenzregelung erfasst sind und die darin festgelegten Voraussetzungen (Ursprungsregeln) erfüllen. Soweit dabei auf den Ursprung einer Ware abgestellt wird, ist dieser anhand der einschlägigen Präferenzregelung zu bestimmen. Dies kann nur durch den Hersteller der Ware erfolgen, weil nur dieser über die entsprechenden Informationen verfügt. Wichtig ist die korrekte Einreihung der Waren in den Zolltarif, d. h. die Zolltarifnummer der Waren (HS-Code) muss bekannt sein.

Präferenzportal hilft, die Präferenzregelung zu finden

Die deutsche Zollverwaltung bietet ein umfassendes Informationssystem zum Thema Warenursprung und Präferenzen an. Die einzelnen Ursprungsregeln können pro Abkommen (wenn das Zielland schon feststeht) oder für mehrere Länder im direkten Vergleich abgefragt werden. Letzteres wird genutzt, wenn der präferenzielle Urspung allgemein im Warenwirtschaftsystem hinterlegt werden soll oder wenn eine Lieferantenerklärung erstellt werden soll.

Wie funktioniert das Präferenzportal?

I) Zentrales Auswahlfeld
Länderausfwahl: 
 2-stelligen internationalen Länderabkürzung (ISO-Alpha-Code) oder Ländernamen eingeben
Verarbeitungsliste: Eingabe der HS-Position (4-stellig)
Stichtag ändern: Suche erfolgt stets zum aktuellen Datum. Frühere Regelungen können aber durch zurücksetzen des Stichtages recherchiert werden
Eingabefeld Suchen anklicken
II) Navigation - Gegenüberstellung der Verarbeitungsliste
Hier können zu einer bestimmten HS-Position (4-stellig) die dazugehörigen Regeln der Verarbeitungsliste entweder für alle Regelungen oder für ausgewählte Länder recherchiert werden.
Besonderheit bei Kanada: Bedingt durch den abweichenden Aufbau der Verarbeitungsliste, werden die Gegenüberstellungen, die auch Informationen zu Kanada enthalten als eigene Liste am Ende der Darstellung aufgeführt.

Ermittlung der Präferenz

Erst nachdem die produktspezifische Ursprungsregel ermittelt worden ist, kann konkret geprüft werden, ob der präferenzielle Ursprung beim jeweiligen Produkt gegeben ist. Die Vorgehensweise ist folgendermaßen:
  • Wertschöpfungsregel (zum Beispiel „Herstellen, bei dem der Wert aller verwendeten Vormaterialien 30 Prozent des Ab-Werk-Preises der Ware nicht überschreitet“):
    Hier wird dem Nettoverkaufspreis der Wert aller eingesetzten Vormaterialen gegenübergestellt, die selbst keinen präferenziellen Ursprung haben. Mit anderen Worten: der Wert der Vormaterialien, für die eine gültige Lieferantenerklärung vorliegt, gehören nicht dazu. Interne Kosten und der Gewinn sind im Ab-Werk-Preis bereits enthalten. Preisänderungen können den präferenziellen Ursprung beeinflussen.
  • Positionswechsel (zum Beispiel „Herstellen aus Vormaterialien jeder Position, ausgenommen aus Vormaterialien derselben Position wie das Erzeugnis“):
    Hier spielt der Wert im Grundsatz keine Rolle. Verglichen werden die ersten vier Stellen der Warennummer (das ist die Position der Ware) der eingesetzten Vormaterialien mit der Position des hergestellten Erzeugnisses. Der Positionswechsel ist erfüllt, wenn sich die Positionen in mindestens einer Zahl unterscheiden. Vormaterialien, die bereits den präferenziellen Ursprung haben (zum Beispiel Lieferantenerklärung liegt vor), müssen keinen Positionswechsel machen.
Der präferenzielle Ursprung selbst kann noch eine Vielzahl komplexer Fallvarianten aufweisen.