Fit für den Green Deal

Klimaschutz und CO2-Preise

Der Ausstoß von CO2 wird teurer. Durch die kontinuierliche Verknappung der Zertifikate im europäischen CO2-Handel ist der Preis für Emissionszertifikate seit Anfang 2021 deutlich gestiegen. Zusätzlichen Schub wird diese Entwicklung durch die von der EU im Rahmen des Pakets “Fit für 55” beschlossene Reform des Emissionshandels bekommen. Damit steigt die Bedeutung klimafreundlicher Technologien.

Der europäische Emissionshandel EU-ETS

Zentrales Instrument für mehr Klimaschutz in Europa ist der europäische Emissionshandel, kurz EU-ETS. Mit diesem weltweit größten Handelssystem für CO2-Zertifikate sind gut 40 Prozent aller CO2-Emissionen in der EU abgedeckt. Aktuell erfasst der CO2-Handel in Europa die Energiewirtschaft sowie Anlagen des Industriesektors und die Luftfahrt. Ab 2024 wird auch die Schifffahrt einbezogen.
Kurz erklärt: Wie funktioniert der CO2 Handel in Europa?
Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) funktioniert nach dem Prinzip des sogenannten „Cap & Trade“. Die Obergrenze (Cap) legt fest, wie viele Emissionen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Emissionsberechtigungen in Form von Zertifikaten können dann auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). Hierdurch bildet sich ein Preis für den Ausstoß von CO2. Die pro Jahr maximal ausgegebenen Zertifikate verringern sich von Jahr zu Jahr – entsprechend der insgesamt maximal mögliche CO2-Ausstoß. Der CO2-Preis setzt für die Unternehmen den Anreiz, das Verbrauchsverhalten zu ändern oder in nachhaltige Technologien zu investieren, um weniger CO2-Zertifikate am Markt erwerben zu müssen.

Schnellere Reduktion der zur Verfügung stehenden Zertifikate

Ursprünglich sollten die Emissionen im EU-ETS bis 2030 um 43% im Vergleich zum Jahr 2005 gesenkt werden. Mit dem Green Deal wird das Klimaschutz-Zielniveau massiv gesteigert. Nun soll der CO2-Ausstoß im EU-ETS bis 2030 um 62% reduziert werden. Entsprechend schneller werden die dem Markt zur Verfügung stehenden Emissionszertifikate verknappt. Neben einmaligen Streichungen 2024 und 2027 wird die jährliche Reduktion ausgegebener Zertifikate bis auf 4,4% pro Jahr angehoben.
Diese Zielverschärfung hat für die Wirtschaft weitreichende Auswirkungen. Einerseits ist zu erwarten, dass die Kosten für die Energiebeschaffung ansteigen werden. Andererseits steigen die Herstellungskosten für CO2intensive Produktionsverfahren, wie beispielsweise bei der Bereitstellung von Grundstoffen – Kosten, die in der Lieferkette weitergegeben und branchenübergreifende Preisanstiege zur Folge haben könnten.

Schutz vor Carbon Leakage

Um der Wirtschaft Planungssicherheit auf dem Weg zur Klimaneutralität zu geben und zu verhindern, dass Produktion in Staaten mit geringeren Klimaschutzstandards abwandert (Carbon Leakage), müssen bisher nicht alle CO2-Zertifikate von Unternehmen am Markt gekauft werden. Vielmehr erfolgt in Abhängigkeit der Emissionsintensität einer Branche eine anteilige freie Zuteilung benötigter CO2-Zertifikate durch die Mitgliedsstaaten der EU. Im Ergebnis können so CO2-intensive Wirtschaftszweige ihre Produktion nach und nach in Richtung Klimaschutz umstellen, ohne im internationalen Wettbewerb stark benachteiligt zu werden. Diese freien Zuteilungen werden ab 2026 sukzessive reduziert und durch eine Grenzausgleichsabgabe im Rahmen des “CBAM” (Carbon Border Adjustment Mechanism) ersetzt.

Einbeziehung des Seeverkehrs in den EU-ETS

Ab 2024 wird auch der Schiffsverkehr dem EU-ETS unterliegen. Erfasst werden Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 5.000 und mehr. Fahrten innerhalb von EU-Gewässern unterliegen der Emissionsabgabepflicht voll, Fahrten in und aus EU-Häfen in Drittstaaten zur Hälfte. In der Einführungsphase 2024 und 2025 müssen zunächst nur 40 bzw. 70% der Emissionen kompensiert werden. Ab 2026 sind dann pro Tonne Treibstoff (Schweröl) Zertifikate für drei Tonnen CO2 zu entrichten.

Zweites europäisches Emissionshandelssystem

Neben dem bestehenden EU-ETS wird ab dem Jahr 2027 ein zweites europäisches Emissionshandelssystem “New EU-ETS” für die bisher nicht erfassten Sektoren Gebäude und Straßenverkehr sowie Anlagen des verarbeitenden Gewerbes, die nicht dem bestehenden Emissionshandelssystem unterliegen, eingeführt – also vergleichbar dem seit 1. Januar 2021 in Deutschland existierenden nationalen Emissionshandel. Mithilfe eines Preisstabilitätsmechanismus soll der Preis zunächst auf 45 Euro gedeckelt werden. Außerdem besteht bei außergewöhnlich hohen Energiepreisen die Möglichkeit, den Start auf 2028 verschieben.

Was kommt auf Unternehmen zu?

Die Industrie und der produzierende Sektor müssen sich auf stark ansteigende CO2-Preise einstellen. Erhebliche finanzielle Mittel werden für die Umrüstung  etablierter Produktionsverfahren aufgewendet werden müssen. Eine Studie von Boston Consulting Group (BCG) und Prognos schätzt diese auf durchschnittlich 45 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. Für den Industriesektor prognostiziert die Studie Mehrinvestitionen im Umfang von insgesamt 230 Milliarden Euro bis 2050, um eine Reduzierung der Treibhausgase um 95 Prozent zu realisieren.
Vor besonderen Herausforderungen stehen Unternehmen, für deren Prozesse noch keine wirtschaftlichen CO2-armen technologischen Alternativen zur Verfügung stehen oder die einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Zurzeit wird die Wettbewerbsfähigkeit durch eine teilweise freie Zuteilung von Emissionszertifikaten sichergestellt, die nun in den nächsten Jahren ausläuft und vom Grenzausgleichssystem CBAM abgelöst wird.

Was können Unternehmen tun?

Durch den Anstieg der CO2-Preise erhöht sich die Notwendigkeit, Energie und Material effizient einzusetzen. Auch die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien bis hin zur Eigenstromversorgung können Ansätze sein. Die deutsche Wirtschaft ist sich dessen bewusst: Das Beratungsunternehmen Roland Berger geht in einer Studie davon aus, dass sich das Geschäftsvolumen der europaweiten Nachfrage nach Energieeffizienz-Dienstleistungen bis zum Jahr 2025 auf 50 Mrd. Euro verdoppeln wird. Größter Teilmarkt sei das Engineering für Energieeffizienz-Technologien mit rund 40 Prozent. 
Die Bundesstelle für Energieeffizienz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BfEE) analysiert insbesondere den Markt für Energieeffizienz-Dienstleistungen. Für das Jahr 2021 benennt die BfEE ein Marktvolumen für Energiedienstleistungen, Energieaudits und andere Energieeffizienzmaßnahmen wie vorzugsweise das Thema Contracting von 11,4 bis 12,5 Milliarden Euro in Deutschland.  
Unternehmen auf diesem Weg erhalten z. B. Unterstützung durch die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen, über die Unternehmen in vielfältiger Weise gefördert werden.