Energie

Fakten zur Energie- und Klimawende

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 zum Klimaschutzgesetz steht fest, dass die bisherigen Gesetze und Vorgaben für den Klimaschutz in Teilen verfassungswidrig sind. Es fehlt an konkreten Maßnahmen, um Emissionen zu senken und Energie nachhaltig einzusetzen. An Zielen hingegen mangelt es nicht. Auch erste Ausstiegspfade für fossile Energieträger sind beschlossen.
Das Monitoring und damit die kontinuierliche Überprüfung von Zielen und Maßnahmen zu deren Umsetzung spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Jährlich werden Zahlen und Daten zu Energiebilanzen ermittelt und ausgewertet. Deren Interpretation ist nicht immer einfach und naheliegend. Oftmals werden Standardgrößen genannt, Definitionen vorausgesetzt und Dimensionen eingeführt, die nicht selbsterklärend sind. Wir möchten dieses Faktenpapier dazu nutzen, um die Grundlagen der Energie- und Klimawende besser zugänglich zu machen.
Die Stromerzeugung hat immer etwas mit der Umwandlung von einem Energieträger zu einem anderen Energieträger zu tun. Diese Umwandlung erfolgt in der Praxis nicht eins zu eins. Wenn beispielsweise der Energieträger Braunkohle zum Energieträger Elektrizität umgewandelt wird, passiert das durch mehrere Umwandlungsschritte in einem klassischen Kraftwerksprozess. Bilanziert wandelt man 100 Prozent Primärenergie (Braunkohle) in 30 - 40 Prozent Endenergie (Strom) um. Die restlichen 60 – 70 Prozent des eingesetzten, endlichen Energieträgers entweichen aus dem System in Form anderer Energieträger (bspw. Wärme). Die Umwandlungsbilanz wird auch als Wirkungsgrad des Prozesses bezeichnet. Zum Vergleich: Eine Windenergieanlage (WEA) hat einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 45 - 50 Prozent. Aus 100 Prozent Primärenergie wird rund 45-50 Prozent Endenergie (Strom) gewonnen.

Jeder Energieträger hat Vor- und Nachteile

Bei der Stromerzeugung kommen Kernenergie, fossile und erneuerbare Energien zum Einsatz. Im Fall der Kernenergie werden nukleare Energieträger verwendet. Das sind radioaktive Isotope, also bestimmte Atome eines chemischen Elements, die durch den Prozess der Kernspaltung in Kernkraftwerken zu elektrischer Energie umgewandelt werden. Das eingesetzte Material muss letztlich endgelagert werden, da die Radioaktivität eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt. Dennoch ist die Kernenergie eine der treibhausgasärmsten Arten der Stromerzeugung.
Fossile Energieträger zeichnen sich vor allem durch zwei Charakteristika aus: Bei ihrer Umwandlung werden klimaschädliche Gase frei, die in der Regel in die Atmosphäre entweichen, ebenso handelt es sich dabei um Ressourcen, die nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.
Die Verwendung von erneuerbaren Energien hingegen ist durch die unbegrenzte Verfügbarkeit ausgezeichnet und verursacht sehr geringe Treibhausgasemissionen, ist jedoch, mit wenigen Ausnahmen wie z.B. Biogas, volatil und nicht zu jedem Zeitpunkt im vollen Umfang verfügbar.

Anteil der Erneuerbaren Energien

In Niedersachsen wurden im Jahr 2020 bereits 57 Prozent der kompletten Bruttostromerzeugung über erneuerbare Energien abgedeckt. Das entspricht 53 TWh von insgesamt 92,5 TWh. Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt liegt der Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung im selben Jahr bei 47 Prozent.
Die Angabe der Bruttostromerzeugung beschreibt dabei die Menge an Strom, die insgesamt in Deutschland erzeugt wurde. Im Gegensatz zur Nettostromerzeugung wird diese vor der Einleitung in das jeweilige Stromnetz gemessen und fällt damit höher aus.
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Abbildung: Bruttostromerzeugung in Niedersachsen 2020 in TWh.

Einheiten

Die Bruttostromerzeugung wird hier in der Einheit Terrawattstunden angegeben. Die Wattstunden, mit dem Präfix Terra, stehen dabei für die Größe „Energie“, also eine Leistung (Terrawatt) die in einer definierten Zeitdauer (Stunde) erbracht wird. Eine Terrawattstunde entspricht 1000 Gigawattstunden oder 1.000.000 Megawattstunden, usw. Laut dem internationalen System für Maßeinheiten (SI-Einheiten) ist die verbindliche Einheit für Energie das „Joule“ mit der Abkürzung „J“. Innerhalb der nationalen Monitoring Berichte wird jedoch meistens die Wattstunde als Einheit genutzt, während in internationalen Berichten dann Joule verwendet wird. Eine Wattstunde entspricht dabei 3600 Joule.
Es gilt folgende Herleitung:
1 Wattsekunde entspricht 1 Joule
1 Wattstunde entspricht 3600 Joule (da eine Stunde, gleich 60 min à 60 Sekunden, also 3600 Sekunden)
1 Terrawattstunde entspricht 3,6 Petajoule
1 Petajoule entspricht 277,8 Gigawattstunden

Dimensionen

Ein durchschnittlicher Zwei- Personen Haushalt in Deutschland verbrauchte im Jahr 2019 3,196 MWh Strom. Mit der Bruttostromerzeugung durch erneuerbare Energien in Niedersachsen im Jahr 2020 (53 TWh) hätte man also – rein rechnerisch – knapp 16,5 Mio. dieser Haushalte mit Strom versorgen können. Diese vereinfachte Berechnung bezieht nicht die Verluste mit ein, die beim Transport des Stroms vom Erzeuger zum Verbraucher entstehen.
Neben der Stromerzeugung spielen die beiden Sektoren Verkehr und Wärme/Kälte ebenfalls eine wichtige Rolle. Vor allem im Verkehrssektor dominieren weiterhin fossile Rohstoffe als Energieträger. Durch den vermehrten Einsatz von batterieelektrischen oder mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeugen besteht nun die Möglichkeit, im großen Umfang Elektrizität aus erneuerbaren Energien für den Verkehr zu nutzen. Bisher spielten neben den fossilen Kraftstoffen vor allem Biokraftstoffe eine wesentliche Rolle dabei, erneuerbare Energien in Form umgewandelter, biogener Rest- und Abfallstoffe in den Verkehrssektor zu bringen. Durch den vermehrten Einsatz von Biodiesel betrug im Jahr 2007 der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr 7,3 Prozent. Auch 13 Jahre später (Im Jahr 2020) betrug der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor 7,3 Prozent.
Zur Bereitstellung von Kälte und Wärme spielen erneuerbare Energien ebenfalls eine Rolle. Durch den Einsatz von Solarthermie, Geothermie und Umweltwärme beträgt dort der Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2020 15,2 Prozent.
Was im Stromsektor schon sehr gut funktioniert, muss, um die von der Politik formulierten Ziele erreichbar zu machen, nun auch in den anderen Sektoren vorangebracht werden: Die Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien.
Diese Herausforderung spiegelt sich in der oft verwendeten Phrase „Die Energiewende ist momentan eine Stromwende“ wider.
Da hier fossile Endenergieträger dominieren (Erdgas im Wärmesektor, fossile Kraftstoffe wie Diesel und Benzin im Verkehrssektor) muss ein Weg gefunden werden, um diese adäquat zu ersetzen – ob durch Synthese dieser Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien, oder durch Elektrifizierung der Sektoren. Für beide Varianten ist ein Mehrbedarf von elektrischer Energie notwendig. Dies erfordert wiederum einen gleichzeitigen Ausbau der Übertragungsnetze.

Die Entwicklung der Windenergie an Land

Dem Einsatz von Windenergie kommt in Niedersachsen eine besondere Bedeutung zu. Mit Stand Februar 2021 entfallen knapp 21 Prozent der bundesweiten Gesamtleistung aller Windenergieanlagen an Land auf Niedersachsen.
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Abbildung: Entwicklung des Zubaus von Windenergieanlagen an Land von 2000-2020- Leistung (orange) und -Anzahl (blau) - laut Marktstammdatenregister in Niedersachsen.
Anhand der Abbildung zur Entwicklung der WEA an Land sieht man, dass Leistung und Anzahl der installierten Anlagen nicht gleichmäßig miteinander korrelieren. Während vor allem in den frühen 2000er Jahren viele Anlagen mit relativ geringer Leistung installiert wurden, finden sich in den späteren Jahren im Durchschnitt deutlich leistungsfähigere Windenergieanlagen in geringerer Anzahl.

Leistung und Energie

Die Angabe Wattstunden beschreibt, wie oben angegeben, eine Energie, also eine Leistung (Watt) während einer definierten Zeitdauer. Bei Anlagen zur Energieerzeugung (Kohlekraftwerke, Kernkraftwerke, Gaskraftwerke, Windenergieanlagen, Photovoltaikanlagen, usw.) wird oftmals die sog. Nennleistung angegeben. Das ist die Leistung, welche das Kraftwerk unter optimalen Bedingungen bereitstellen kann. Bei bereits installierten Anlagen spricht man dann auch von der installierten Leistung.
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Abbildung: Entwicklung der durchschnittlichen Leistung je installierter Windenergieanlage in Niedersachsen (2000-2020).
Diese Entwicklung zeigt exemplarisch anhand der Daten aus Niedersachsen einen deutschlandweiten Trend. Im Jahr 2018 betrug der Marktanteil der installierten WEA zwischen drei bis vier MW Leistung 70 Prozent. 20 Jahre zuvor, im Jahr 1998, entfiel dieser Anteil noch auf die 9 Leistungsklasse 500 kW bis ein MW. Somit kann eine Anlage aus dem Jahr 2018 leistungsmäßig drei Anlagen aus dem Jahr 1998 ersetzen.
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Das Steinkohlekraftwerk der Uniper Kraftwerke GmbH in Wilhelmshaven hat eine Leistung von 757 MW. Würde man diese Leistung nur durch WEA kompensieren wollen, die an Land betrieben werden, bräuchte man rein rechnerisch knapp 253 Anlagen, mit je 3 MW Leistung.

Stromerzeugung aus Windenergie

Um die jährliche Strommenge zu ermitteln, die eine WEA erzeugt, müssen einige Parameter beachtet werden. Die wichtigsten sind dabei zum einen die Nennleistung der WEA und zum anderen die Anzahl der Volllaststunden, also die Zeit im Jahr, zu der die WEA zu voller Last Strom erzeugt. Weitere Parameter sind die Nabenhöhe der Anlage und der Durchmesser des Rotors.
Geht man von den Daten aller WEA an Land in Deutschland aus, so ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von ungefähr 2.000 Volllaststunden im Jahr pro Anlage.
Auf dieser Grundlage würde eine WEA mit drei Megawatt Nennleistung im Jahr etwa 6.000 MWh Strom erzeugen und damit rein rechnerisch den Strombedarf von fast 2.000 deutschen Haushalten decken.

Der menschengemachte Treibhauseffekt

Klimaschädliche Emissionen spielen eine große Rolle beim Klimawandel. Die Reduzierung der Emissionen ist Grundvoraussetzung, um eine Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen. Dabei unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Treibhauseffekten: der natürliche Treibhauseffekt resultiert aus den Prozessen in unserer Erdatmosphäre, die dafür sorgen, dass die Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche treffen. Die Wärmestrahlung, die damit einhergeht, kann größtenteils durch die Atmosphäre auf der Erdoberfläche gehalten werden und trägt damit zu Wärmebedingungen bei, unter denen wir überleben können.
Durch verschiedene, menschengemachte Prozesse wird dieser natürliche Treibhauseffekt künstlich verstärkt. Es gelangen höhere Konzentrationen der Treibhausgase (THG) in die Atmosphäre und es kommt zu einer stärkeren Erderwärmung. Dieser Effekt wird auch als nicht-natürlicher oder menschengemachter Treibhauseffekt bezeichnet.
Neben Kohlenstoffdioxid (CO2), dem wohl meistgenannten Gas, gibt es viele weitere klimaschädliche Gase, wie zum Beispiel Methan oder Lachgas, die zum Teil sogar ein höheres Treibhausgaspotenzial haben. Um eine Vergleichbarkeit zu schaffen, bezieht man die Emissionen jedoch stets auf das Treibhausgaspotenzial von CO2. Emissionen werden daher häufig in CO2-Äquivalenten angegeben. Mit Hilfe dieser Einheit kann eine Aussage über das Erderwärmungspotenzial von verschiedenen Produkten, Prozessen oder Stoffen getroffen werden. In Abbildung 4 ist das Treibhausgaspotenzial von fünf typischen Klimagasen in CO2-Äquivalenten dargestellt. Dabei ist der Zahlenwert als Vielfaches der Wirkung von CO2 in einem Zeitraum von 100 Jahren angegeben. Demnach hat der Ausstoß von einem Gramm Methan die gleiche Wirkung auf die globale Erderwärmung wie 28 Gramm CO2 und der Ausstoß von einem Gramm Lachgas, das beispielsweise in stickstoffhaltigen Düngemitteln enthalten ist, die gleiche Wirkung wie 265 Gramm CO2.
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Abbildung: Treibhausgaspotenzial von verschiedenen Klimagasen in CO2-Äquivalenten.
Im Jahr 2020 ist in Deutschland ein deutlicher Rückgang der Gesamtemissionen zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Rückgang bei knapp neun Prozent. Damit wurden rund 70 Millionen Tonnen Emissionen in CO2 Äquivalenten eingespart. Allerdings sind die Zahlen pandemiebedingt wenig belastbar. In Abbildung 5 ist ebenfalls ein Ausblick auf das Jahr 2030 abgebildet. Die Zahlen verdeutlichen die Ziele der Bundesregierung (mehr dazu im Kapitel „Politischer Rahmen“).
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Abbildung: Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland und Ausblick zu den Zielen im Jahr 2030 (Laut Klimaschutzgesetz)

Politischer Rahmen

Zur Erreichung der Klimaschutzziele der EU und den Vorgaben aus dem „European Green Deal“ wurden auf EU-, Bundes- und Landesebene eine Reihe von Meilensteinen gesetzlich festgehalten, die den Ausbaupfad der erneuerbaren Energien und den Reduktionspfad von Treibhausgasemissionen vorgeben.
Bereits 2015 wurde mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zur Beschränkung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ein entscheidender Grenzwert festgelegt. Im Dezember 2019 folgte das Bekenntnis der EU, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Das hat zur Folge, dass Treibhausgasemissionen in der EU so stark wie möglich vermieden werden müssen. Restemissionen müssen dann über entsprechende Prozesse wie Carbon Capture and Storage (CCS) oder Carbon Capture and Utilization (CCU) ausgeglichen werden.
CCS und CCU
CCS beschreibt die Abscheidung und Speicherung von CO2. Durch die dauerhafte Einlagerung in unterirdischen Lagerstätten kann das Verfahren zur Reduktion von CO2-Emissionen in der Atmosphäre beitragen. Bei CCS handelt es sich um einen Prozess, bei dem abgeschiedenes CO2 bei nachfolgenden chemischen Prozessen verwendet werden kann. Ein Anwendungsfeld kann u.a. die Treibstoffherstellung sein.
Bis 2035 sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. Der „Green Deal“ ist hierbei das Schlüsselprojekt der EU und beschreibt eine umfassende Strategie für eine klimaneutrale und ressourcenschonende Wirtschaft.
Der Green Deal betrifft dabei verschiedene Bereiche unserer Wirtschaft. Die EU-Kommission schlägt für den Bereich Verkehr vor, dass u. a. bis 2030 die Emissionen von Pkw um 55 Prozent und von Lkw um 50 Prozent reduziert werden sowie alle ab 2035 zugelassene Neuwagen emissionsfrei sein sollen. Zudem sollen bis 2030 bis zu 35 Mio. Gebäude saniert und somit bis zu 160.000 zusätzliche „grüne“ Arbeitsplätze im Bausektor geschaffen werden. Für die erneuerbaren Energien sieht die EU eine Erhöhung des Anteils am Energiemix auf 40 Prozent bis 2030 sowie eine Anhebung der Energieeinsparziele für den Endenergie- und Primärenergieverbrauch von 36 bis 39 Prozent im gleichen Zeitraum vor.
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Abbildung: Die Ziele der Europäischen Union.
Auf Bundesebene sollen das Bundesklimaschutzgesetz, der Klimaschutzplan 2050 sowie das Klimaschutzprogramm 2030 das Erreichen der Klimaneutralität sicherstellen. Das Bundesklimaschutzgesetz wurde hierzu in Deutschland 2019 verabschiedet. Bereits 2021 erfolgte eine Verschärfung der Regeln. Es setzt die europäischen Vorgaben in nationales Recht um und schreibt die Minderungsquote von 65 Prozent bis 2030 und 88 Prozent bis 2040 fest. Darüber hinaus schreibt es vor, dass bis zum Jahr 2045 die Treibhausgasemissionen so weit gemindert werden, dass eine Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen dann negative Treibhausgasemissionen erreicht werden. Zudem macht das Gesetz Vorgaben für die Emissionsmengen der Sektoren Verkehr, Energie, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Der Klimaschutzplan 2050 stellt ein Gesamtkonzept für die Energie- und Klimapolitik der Republik dar. In diesem sind die Minderungsziele der einzelnen Sektoren festgelegt. So muss die Energiewirtschaft bis 2030 61 - 62 Prozent weniger CO2-Äquivalente gegenüber 1990 emittieren und der Gebäudesektor muss seine Emissionen an Tonnen CO2-Äquivalente bis 2030 sogar um 66 – 67 Prozent reduzieren. Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2021 ist hier aber eine kurzfristig eintretende, deutliche Verschärfung der Ziele bis 2030 auf ein Reduktionsziel von über 60 Prozent abzusehen. Zudem soll Deutschland bereits 2045, also fünf Jahre eher als bisher geplant, klimaneutral werden.
Für das Klimaschutzprogramm 2030 wurde in Deutschland als lenkendes Instrument der Emissionshandel für die Bereiche Wärme und Verkehr eingeführt. Der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine Entlastung der Bürger und der Wirtschaft sowie umfangreiche Fördermaßnahmen für die Sektoren Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft runden das Maßnahmenpaket ab.

Ausstieg aus Kern- und Kohleenergie

Um diese ambitionierten Ziele in Deutschland zu erreichen, hat Deutschland das Ende der Kernenergie und Kohlestroms festgelegt. Bereits Ende 2022 werden alle Kernkraftwerke vom Netz gehen. Das hat zur Folge, dass Ende 2021 4,254 GW vom Netz gehen und Ende 2022 weitere 4,200 GW abgeschaltet werden, die durch andere Energieanlage und Importe aufgefangen werden müssen. Die Verteilung der Kernkraftwerke zeigt sich hier gleichmäßiger über die Bunderepublik, während WEA tendenziell eher in Norddeutschland installiert sind. Hier ist ebenfalls zu beachten, dass die reine Stromproduktion bei Kernkraftwerken klimaneutral erfolgt. Emissionen entstehen bei der Kernenergie in den vor- und nachgelagerten Lebenszyklen.
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Abbildung: Graphische Darstellung zum Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland.
Das Ende der Kohleverstromung soll bis spätestens 2038, möglichst schon bis 2035 erfolgen. Aktuell sind in Deutschland noch 40 GW Kohlekraftwerksleistung installiert. Diese installierte Leistung reduziert sich bis Ende 2022 um zehn GW und verteilt sich dabei gleichmäßig auf jeweils fünf GW Stein- und Braunkohle. Bis 2030 werden dann planmäßig weitere 13 GW vom Netz gehen.
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Abbildung: Wegfall von Leistungen bis 2038 in Deutschland.
Folglich steht Deutschland vor der Herausforderung, den Wegfall von 31,452 GW bis 2030, bzw. 48,452 GW bis 2038 durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Hierzu zählen u.a. der Ausbau der erneuerbaren Energien, verstärkte Importe oder die Senkung des Verbrauchs durch Steigerung der Effizienz. Eine Kombination dieser Wege ist notwendig, um die Versorgungssicherheit in Deutschland auch nach dem Ende der fossilen Energieträger sowie der Kernenergie sicher zu stellen.

Ausblick

Mit den aktuellen Ausstiegspfaden steht fest, dass zukünftig große Mengen an Energie durch alternative Technologien bereitgestellt werden müssen. Was das bedeutet, soll das nachstehende, stark vereinfachte Beispiel zeigen. Hier wurde ausschließlich die installierte Leistung betrachtet. Weitere Faktoren, wie Volllaststunden und Wirkungsgrade, wurden dagegen nicht berücksichtigt.
Bis 2030 fallen durch den Ausstieg aus der Kernenergie und den fortlaufenden Ausstieg aus der Kohleenergie 31,452 GW Leistung weg. 2020 hatte Windenergie einen Anteil von 27 Prozent an der Nettostromerzeugung und Photovoltaik (PV) weitere 10,5 Prozent. Damit ist der Anteil an Windenergie 2,6 Mal größer als der von PV. Würden hypothetisch diese beiden Energieträger alleine die wegfallende Leistung kompensieren, müsste die Windenergie bis 2030 ca. 22.715 MW ausgleichen, was bei einer Durchschnittsleistung von drei MW pro Windenergieanlage einen Zubau von 7.572 Anlagen bis 2030 bedeutet. Umgerechnet auf zehn Jahre bedeutet dies einen Zubau von 758 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2.274 MW pro Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurden 420 WEA mit einer Gesamtleistung von 1.431 MW zugebaut. Gleichzeitig entfallen auf die PV-Anlagen 8.737 MW zuzubauende Leistung bis 2030. In dieser Annahme ist noch nicht berücksichtig, dass es parallel zum Zubau auch einen teilweisen Rückbau alter Anlagen gibt, bei denen die EEG-Förderung nach 20 Jahren ausläuft. Folglich sind noch zusätzliche Anlagen zuzubauen oder Altanlagen durch leistungsstärkere Modelle zu ersetzen (Repowering).
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Abbildung: Rein rechnerisches WEA Äquivalent (je 3 MW pro WEA) zu einem durchschnittlichen Kernkraftwerk, mit 1,4 GW Leistung.
Dies zeigt die Herausforderung, vor der Deutschland derzeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien steht. Damit wird deutlich, dass ein fließender Übergang notwendig ist, bei dem auch fossile Energieträger wie Erdgas als Brückentechnologie fungieren können. Der fossile Energieträger Erdgas verursacht bei der Verbrennung geringere CO2-Emissionen als Kohle. Außerdem lassen sich die Gaskraftwerke flexibler hoch- und wieder herunterfahren und so die Volatilität der erneuerbaren Energien ausgleichen. Zudem verdeutlicht die Situation, dass zukünftig noch mehr auf den Import (grüner) Energie gesetzt werden muss, um die Bedarfe abdecken zu können.