19. Mai 2023

Außenhandel: Schwieriges Jahr für die Wirtschaft in Schwaben

Nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs treffen die Wirtschaft in Schwaben. Vor allem Handelshemmnisse, überbordende Bürokratie und der zunehmende Protektionismus hemmen das Auslandsgeschäft, wie eine aktuelle IHK-Umfrage zeigt. „Das nimmt den Unternehmen den nötigen Spielraum, um auf die geopolitischen Herausforderungen zu reagieren, Lieferketten zu diversifizieren oder neue Märkte zu erschließen“, sagt Stefan Offermann, stellvertretender IHK-Präsident und Vorsitzender des Ausschuss International der IHK Schwaben. „Hier ist die Politik gefragt.“

Der Außenhandel hat für die bayerisch-schwäbische Wirtschaft einen hohen Stellenwert. Rund 3.000 Unternehmen sind auf ausländischen Märkten aktiv. Mehr als jeden zweiten Euro verdient die heimische Industrie im Ausland. Vor allem der Maschinen- und Fahrzeugbau, die Logistik oder Infrastruktur, aber auch die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie sind stark vom internationalen Geschäft geprägt. China, die USA und der europäische Binnenmarkt sind die wichtigsten Handelsregionen.

Geopolitische Lage wirkt sich auch in der Region massiv aus
Wichtiger Indikator für den Umfang der Außenhandelsaktivitäten der heimischen Wirtschaft ist die Zahl der ausgestellten Exportdokumente. Dabei handelt es sich vor allem um Ursprungszeugnisse oder bescheinigte Handelsrechnungen – Dokumente, die bei Warenlieferungen ins Ausland in vielen Staaten zwingend vorliegen müssen. Die IHK Schwaben hat im Jahr 2022 46.000 solcher Dokumente ausgestellt – das sind zwölf Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Laut Offermann ein klarer Beleg, dass sich die geopolitische Lage massiv auf das Alltagsgeschäft der Unternehmen auswirkt: „Der Außenhandel erholt sich zwar allmählich von den coronabedingten Beeinträchtigungen“, sagt der stellvertretende IHK-Präsident. „Der drastische Rückgang der Exporte nach Russland und Belarus schlägt nun aber durch.“ Laut statistischem Landesamt hat der bayerische Außenhandel 2022 mit einem Volumen von mehr als 460 Milliarden Euro zwar ein Rekordniveau erreicht. Dies sei aber vor allem auf die gestiegenen Preise aufgrund der Inflation oder der Verknappung vieler Güter zurückzuführen, sagt Offermann. „Das darf nicht über die Probleme der Unternehmen beim Außenhandel hinwegtäuschen.“ In der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage berichten 35 Prozent der befragten Industriebetriebe, dass ihr Auftragsvolumen auch in den vergangenen sechs Monaten weiter gesunken ist.

Handelsbarrieren erschweren das Geschäft zusätzlich
Wie die regionalen Ergebnisse der bundesweiten IHK-Umfrage „Going International“ für Bayerisch-Schwaben zeigen, leiden die Unternehmen dabei nicht nur unter den geopolitischen Krisen, sondern besonders unter den zunehmenden Handelshemmnissen. 60 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, eine Zunahme der Barrieren zu spüren, vor allem durch Sanktionen, verstärkte Sicherheitsanforderungen oder Zertifizierungen. Das trifft Unternehmen, die wirtschaftliche Beziehungen zu Russland oder China unterhalten, aber auch Unternehmen mit Kontakten ins Vereinigte Königreich. Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU gelten beim Im- und Export strengere Regeln. Mehr als 30 Prozent der betroffenen Unternehmen gaben an, dass sich ihre Geschäftslage dadurch zuletzt verschlechtert habe.

Neue Märkte im Euroraum und in Nordamerika
Wie die Umfrage zeigt, stemmen sich die Unternehmen mit aller Macht gegen diese Hemmnisse und Risiken, etwa durch eine höhere Lagerhaltung oder eine veränderte unternehmerische Ausrichtung. 60 Prozent gaben an, bereits neue Märkte für den Export erschlossen zu haben. Dabei zeigt sich ein klarer Trend: Die Unternehmen machen sich zunehmend unabhängiger von China. Laut der Umfrage werden die Eurozone und auch andere EU-Staaten sowie Nordamerika als Handelspartner künftig noch wichtiger. „Die Politik muss die Unternehmen dabei noch stärker unterstützen, damit sie sich künftigen Krisen besser stellen können“, sagt Offermann. Laut der Umfrage fordern fast zwei Drittel der befragten Unternehmen den Abbau von Handelshemmnissen, fast 54 Prozent begrüßten den Abschluss weiterer Handelsabkommen mit wichtigen Partnern.

Lieferkettengesetz: Unternehmen beklagen Rechtsunsicherheit
Auch das Lieferkettengesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, stellt für viele Unternehmen eine Belastung im Auslandsgeschäft dar. Fast 95 Prozent der befragten Unternehmen beklagen den erhöhten bürokratischen Aufwand, über drei Viertel halten die Regelungen für nicht praktikabel und umsetzbar. Mehr als 60 Prozent bemängeln die Rechtsunsicherheit aufgrund der derzeitigen Regelungen. „Wie verunsichert die Unternehmen sind, spüren die Experten der IHK Schwaben derzeit deutlich. Das Beratungsaufkommen hat stark zugenommen“, berichtet Stefan Offermann. „Es ist zwingend erforderlich, dass sich die Politik für eine praxisgerechte Umsetzung des Lieferkettengesetzes einsetzt.“