7. April 2022

EU-Binnenmarkt braucht politischen Willen

Von den französischen Präsidentschaftswahlen geht auch ein wichtiges Signal für den bayerisch-schwäbischen Außenhandel aus.
„Stabile und damit verlässliche Wirtschaftsbeziehungen haben einen hohen Wert. Sie sind alles andere als selbstverständlich“, stellt Dr. Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben mit Blick auf die Corona-Krise und den Krieg in der Ukraine fest. Von den französischen Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag wünscht sich Kopton daher ein starkes Signal für einen proeuropäischen Kurs unseres Nachbarlandes. „Der europäische Binnenmarkt lässt sich nur im deutsch-französischen Schulterschluss vollenden. Dafür nötig ist, dass in den kommenden Jahren eine proeuropäische Politik im Élysée-Palast gemacht wird.“
Frankreich zählt zu den wichtigsten Handelspartnern der heimischen Wirtschaft. Mit einem Volumen von 21,6 Milliarden Euro rangiert unser westlicher Nachbar auf Platz 7 der bayerischen Handelspartner. Dabei liefert die bayrische Wirtschaft deutlich mehr Waren nach Frankreich als der Freistaat von dort einführt.
Bessere Geschäfte trotz anhaltender Corona-Krise
„Trotz anhaltender Corona-Krise sind im vergangenen Jahr sowohl die Exporte nach als auch die Importe aus Frankreich gewachsen“, berichtet Jana Lovell, Leiterin des Geschäftsfelds International bei der IHK Schwaben. Während die Ausfuhren im Vorjahresvergleich um 13,4 Prozent gestiegen sind, haben sich die Einfuhren sogar um 21,4 Prozent erhöht. Dazu beigetragen haben auch 590 bayerisch-schwäbische Unternehmen, die aktuell aktive Wirtschaftsbeziehungen zu Frankreich unterhalten. „Heimische Unternehmen produzieren in Frankreich, sie haben dort eigenen Niederlassungen oder arbeiten mit einer Vertretung vor Ort zusammen“, konkretisiert die IHK-Außenwirtschaftsexpertin das wirtschaftliche Engagement der bayerisch-schwäbischen Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen.
Der Marktzugang in Frankreich ist noch immer eine Herausforderung
„Die Mentalität der Grande Nation macht es ausländischen Unternehmen nicht immer einfach, in Frankreich Fuß zu fassen“, weiß Lovell aus vielen Beratungsgesprächen. Dabei stellt sich die Sprache oft als größte Hürde dar. Lovell empfiehlt daher auf etablierte Ansprechpartner wie die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer (AHK) oder auf ein eigenes Team vor Ort zu setzen: „Mit Kontakten vor Ort lässt sich ein eigenes Netzwerk aufbauen, man wird selbst sichtbar und kann so den französischen Markt bearbeiten“, begründet Lovell den Rat der IHK Schwaben.
Eine wesentliche Erkenntnis, der sich überlagernden und gegenseitig verstärkenden Corona- und Ukraine-Krise ist, dass die eigenen Geschäftsbeziehungen diversifiziert und damit eine höhere Resilienz der heimischen Wirtschaft erreicht werden kann. Kopton: „Damit die Diversifizierung der Handelspartner zumindest innerhalb der Europäischen Union gelingen kann, müssen noch immer existierende Diskriminierungen abgeschafft und Beschränkungen des freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehrs abgebaut werden. Ob Frankreich in Zukunft bereit ist, diesen Weg zu gehen, entscheidet sich bei der Präsidentschaftswahl. Der nächste Sonntag ist damit nicht nur eine politische Wahl Frankreichs, sondern auch eine Weggabelung der europäischen Wirtschaftspolitik.“