Das Hotel Strandhalle in Schleswig hatte gerade die Trocknung der überfluteten Räumlichkeiten hinter sich und war dabei, die Elektrik im Haus zu erneuern, als am 4. Januar 2024 wieder eine Sturmflut mit Ostwind das Wasser über die Ufer der Schlei treten ließ. Das Wasser stand höher, als Junior- Chefin Nicole Patzig es sonst bei Sturm im Winter gewohnt ist. Sie begann sich Sorgen zu machen. „Früher hätte mich das nicht so nervös gemacht. Glücklicherweise ging alles gut“, sagt sie.
Junior-Chefin Nicole Patzig vor dem Hotel Strandhalle im Oktober 2024 ein Jahr nach der Flut
© Hotel Strandhalle
Nicole Patzig und ihre Familie sind seit 2020 im Krisenmodus. Erst bremste die Corona- Pandemie den Hotel- und Restaurantbetrieb, danach ließ der Russland-Ukraine-Krieg die Rohstoff- und Energiepreise in die Höhe schnellen und dann kam die Flut. Hinzu kommen weitere Herausforderungen und Kostenfaktoren: ein Ausbau der Sicherheitsbeleuchtung aufgrund neuer Anforderungen, die Umstellung des Buchungssystems, weil das alte nicht mehr den Anforderungen entsprach, und ein längerer Ausfall im Team. Zusätzlich zu all dem fiel die Strandhalle in die Stichprobenüberprüfung, ob der gewährte Kredit von der Landesregierung wirklich für die durch die Flut entstandenen Schäden verwendet wurde. „Die Kosten für die Elektrik und die neuen Böden im Erdgeschoss reichen bereits aus für die geliehenen 50.000 Euro. Trotzdem warten wir bereits seit Monaten auf die Rückmeldung. Das finde ich problematisch“, kritisiert Nicole Patzig.
Uns hat überrascht, dass auch die Elektrogeräte-, Lebensmittel- und Betriebsausfallversicherung ebenfalls nicht greifen. Die haben wir schließlich für solche Notfälle abgeschlossen.
Nicole Patzig
Der Schaden beläuft sich auf rund 200.000 Euro. In sieben Hotelzimmern, vier weiteren Räumen, der Lobby und dem Flur kam das Wasser durch den Boden und stand am Ende knöchelhoch. Die Elementarschadenversicherung zahlt nichts, da es sich um eine Sturmflut handelt. „Uns hat allerdings überrascht, dass auch die Elektrogeräte-, Lebensmittel- und Betriebsausfallversicherung deshalb ebenfalls nicht greifen. Die haben wir schließlich für solche Notfälle abgeschlossen“, sagt Patzig. Aber die Unternehmerfamilie ließ sich nicht unterkriegen und machte weiter. Fünf Tage nach dem Hochwasser empfing sie erste Hotelgäste, nach sieben Tagen gab es wieder Frühstück und zu Beginn der Saison 2024 waren fast alle Zimmer wiederhergestellt. „Aufgeben war und ist keine Option“, so die Unternehmerin.
Das Hotel Strandhalle in Schleswig im Oktober 2023 während der Ostsee-Flut
© Hotel Strandhalle
Nur das Restaurantgeschäft haben sie vorerst ausgesetzt. „Wir mussten unsere Küchen und Servicemitarbeiter entlassen, weil die Geräte kaputt und Räumlichkeiten nicht einsatzfähig waren. Zudem konnten wir die Schäden und Kosten zu dem Zeitpunkt nicht absehen“, erklärt die 32-Jährige. Auch Kurzarbeit sei nicht möglich gewesen. „Bevor wir Kurzarbeit anmelden, müssen alle Urlaubstage und Überstunden aufgebraucht sein, was nach der Saison immer schwierig ist.“ Andere Hotels berichteten zudem von einer schwankenden Auslastung ihrer Restaurants, sagt Patzig. „Zur Sommersaison den Restaurantbetrieb wieder zu starten, erschien uns wie eine Hauruckaktion, weil wir noch mitten in den Umbau arbeiten steckten. Fürs nächste Jahr sehen wird dann weiter.“
Die Junior-Chefin wollte dieses Jahr eigentlich zum 120-jährigen Familienjubiläum die Nachfolge antreten. Die akuten Krisen haben die Übergabe aber immer weiter verschoben, sodass Nicole Patzig zu einem späteren Zeitpunkt das Hotel von ihrer Mutter offiziell übernehmen wird.
Björn Hansen im Wiking Yachthafen in Schleswig im Oktober 2024
© IHK/Boye
Der Wiking Yachthafen Schleswig im Oktober 2023 nach der Sturmflut
© Michael Staudt
Der Yachthafen macht neben unserer Werft und dem Lagerbetrieb den kleinsten Teil unseres Umsatzes aus, deshalb war es für uns wirtschaftlich nicht so schlimm. Trotzdem waren die Schäden ein Fass ohne Boden.
"Sie haben uns 600.000 Euro gekostet, die wir – neben dem 50.000-Euro-Kredit von der Landesregierung – aus Eigenkapital bezahlt haben. Den Hafen sturmsicher aufzubauen, würde Millionen kosten. Da hoffe ich lieber, dass in den nächsten hundert Jahren nicht noch so eine Sturmflut kommt."
Björn Hansen,
Wiking Yachthafen Schleswig
Das Hotel Ostsee-Anker in Langballig ein Jahr nach der Flut
© Ostsee-Anker
Das Hotel Ostsee-Anker im Oktober 2023 nach der Flut
© Ostsee-Anker
Die Flut hat unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt.
"Das Wasser stand hüfthoch im Hotel und Restaurant. Es kam von vorne, unten, hinten. Der Schaden belief sich für uns auf rund eine Million Euro. Somit standen wir vor der Entscheidung: alles aufgeben oder weitermachen. Wir entschieden uns für Letzteres. Für die nächste Flut sind wir so gut es geht vorbereitet: Das Gebäude haben wir entsprechend umgebaut, indem wir etwa Elektroleitungen hochgesetzt und Schränke gemauert haben. Vom Land oder der Kommune können wir keinen Küstenschutz erwarten. Deshalb denken wir darüber nach, in eine Flutschutzmauer zu investieren."
Tina Kuhlei,
Hotel & Restaurant Ostsee-Anker Langballig
Autorin: Aenne Boye
Veröffentlicht: Januar 2025