Herbstkonjunkturumfrage 2022: Düstere Stimmung im IHK-Bezirk Rostock

Die massiv gestiegenen Energiepreise, die Inflation und andere Belastungsfaktoren, wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine oder die aktuelle wirtschaftlich schwächere Situation in China, führen zu einer starken Verunsicherung von Unternehmen und Konsumierenden. Der gewerblichen Wirtschaft im Bezirk der IHK zu Rostock steht ein düsterer Winter bevor.
Thorsten Ries, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Rostock, stellt fest: „Die Rezession steht auch im IHK-Bezirk vor der Tür. Die Konsumstimmung ist angespannt und wird angesichts der hohen Inflation auch so bleiben. Auf Unternehmensseite verzeichnen wir Produktionseinschränkungen, zurückgehende Investitionen und eine äußerst schlechte Stimmung in der Breite der Unternehmerschaft. Kaum eine Branche ist nicht betroffen. Es drohen Insolvenzen, Geschäftsaufgaben und Arbeitsplatzverluste. Angesichts der aktuellen Situation und einem sehr hohen Maß an Unsicherheit sind heute die Geschäftserwartungen der Unternehmen für die nächsten Monate im Keller.“
Die Energiepreiskrise und die sich kräftig eintrübende Inlandsnachfrage treffen die regionale gewerbliche Wirtschaft massiv und führen zur stärksten rezessiven Zuspitzung in den vergangenen zwei Jahrzehnten.
Der IHK-Geschäftsklimaindex bricht um 30 auf 74 Punkte ein und fällt damit auf ein Allzeittief (langjähriger Mittelwert: 112 Punkte). Diese Entwicklung lässt sich sowohl auf eine erhebliche Verschlechterung der Geschäftslagebeurteilungen als auch auf einen Absturz der Zukunftserwartungen im Vergleich zur Vorumfrage im Frühsommer 2022 zurückführen. Die Unternehmen sind gezwungen, ihre Pläne für Investitionen, Beschäftigung und Export in den kommenden zwölf Monate radikal nach unten zu korrigieren. Zu diesen Ergebnissen führt die Auswertung der Antworten von ca. 3.500 befragten Unternehmen, von denen etwa knapp 400 im Rahmen der IHK-Konjunkturumfrage im Oktober geantwortet haben. Aktuell schätzt nur noch etwas mehr als ein Viertel der Betriebe die eigene wirtschaftliche Situation positiv ein. Annähernd ein Fünftel konstatiert eine schlechte Lage. Bei den Geschäftsaussichten überwiegen die pessimistischen Ausblicke die positiven Prognosen um das Achtfache: 57 Prozent der Unternehmen gehen von einer Verschlechterung ihrer Lage aus. Lediglich sieben Prozent erwarten bessere Geschäfte. Bei mehr als einem Viertel der Betriebe ist bereits der aktuelle Auftragsbestand zu gering. Hier befürchten fast alle eine weitere Verschlechterung ihrer Situation (95 Prozent). So trübe waren die Aussichten der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen der Konjunkturanalyse der IHK zu Rostock noch zu keinem Zeitpunkt.

Industrie und Dienstleister sind Stabilitätsanker

Die absehbare Rezession betrifft alle Zweige der gewerblichen Wirtschaft erheblich, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Als vergleichsweise widerstandsfähig erweisen sich das Verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungswirtschaft. In beiden Wirtschaftssektoren stellen sich die aktuellen Geschäfte noch relativ solide dar und die positiven Lageeinschätzungen (Industrie: 38, Dienstleister: 36 Prozent) überwiegen die negativen Rückmeldungen (Industrie: 10, Dienstleister: 13 Prozent). Das Geschäftsklima im Baugewerbe kühlt sich stark ab: Die Lageeinschätzungen entsprechen zwar dem gesamtwirtschaftlichen Bild, allerdings erwartet keiner der Baubetriebe eine Verbesserung und drei Viertel eine Verschlechterung ihrer Geschäfte. Das Verkehrsgewerbe kann sich auf niedrigem Niveau konsolidieren, ist aber in Anbetracht der Kraftstoffpreisentwicklung überdurchschnittlich pessimistisch. Der Handel und das Gastgewerbe spüren die Auswirkungen von Inflation und wirtschaftlicher Verunsicherung bereits in einer deutlichen Zurückhaltung der Kundschaft. In beiden Branchen beurteilen mehr Unternehmen ihre aktuellen Geschäfte ‚schlecht‘ als ‚gut‘. Die üblicherweise starke Sommersaison konnte in diesem Jahr die Hoffnungen der Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe nicht vollständig erfüllen.

Energiepreiskrise als schwere Hypothek

82 Prozent der Unternehmen sind von den hohen Strom-, Gas- und Kraftstoffpreisen betroffen und mussten im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten reagieren. Nicht einmal die Hälfte kann ihre Kosten – und sei es nur teilweise – an die Kundschaft weitergeben. Fast ein Viertel musste die Produktion oder das Angebot reduzieren. Die Konsequenzen für die kurz- bis mittelfristige Gewinnsituation stellen eine schwere Belastung für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dar. Positiv: Immerhin drei von zehn Befragten haben verstärkt in Energieeffizienzmaßnahmen investiert.
Auch wenn Energie noch verfügbar ist, belastet die aktuelle Entwicklung der Energiepreise die Unternehmen stark. Das zeigt sich daran, dass drei Viertel von ihnen diese als schwerwiegendes Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten angeben. Es folgen mit deutlichem Abstand die Rohstoffpreise (57 Prozent).
Thorsten Ries schätzt ein: „Die Sorgen um die Bezahlbarkeit und Sicherheit der Energieversorgung werden nicht geringer. Vor allem die Energie- und Rohstoffpreise bestimmen die Geschäftsrisiken. Es ist die Aufgabe der Politik, jetzt mit geeigneten Instrumenten und Maßnahmen schnellstens die notwendige Klarheit zu schaffen und das Vertrauen der Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer wiederherzustellen.”