Durchstarter

Mit Fairness zur Fachkraft

Die Stralsunder Recruiting-​Agentur Ara Vietnam vermittelt Unternehmen auf der Suche nach Personal geeignete Bewerber. Über das anspruchsvolle Prozedere sprach Geschäftsführer Christian Schink mit WIR-​Redakteurin Christina Milbrandt.
Gastronomie und Pflege haben inhaltlich keine Berührungspunkte. Die Probleme, mit denen beide Branchen zu kämpfen haben, sind jedoch nahezu deckungsgleich. Schon vor dem Ausbruch der Corona-​Pandemie gab es in beiden Bereichen einen deutlichen Mangel an Nachwuchskräften. Die Krise hat nun die Aufmerksamkeit auf dieses Problem deutlich verschärft und klarer werden lassen: Der Fachkräftemangel ist eine große Gefahr für Betriebe. Diese zu bannen, ist eine große Herausforderung.
„Die Bevölkerung in Vietnam ist sehr jung. Es gibt so viele potenzielle Arbeitskräfte, dass der Markt dort sie gar nicht aufnehmen kann. Wir nehmen also keinem Unternehmen vor Ort gute Bewerber weg.“

Christian Schink, Geschäftsführer

Christian Schink hat sich dieser Anfang des Jahres angenommen. Mit seiner Recruiting Agentur Ara Vietnam, die ihren Sitz in Stralsund hat, hilft er Unternehmen bei der Suche nach geeignetem Personal. Mit der Unterstützung von Partnern vor Ort sucht er in Vietnam junge Leute, die sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen möchten und vermittelt diese an hiesige Betriebe. Nicht nur diesen ist damit geholfen, auch die vietnamesische Gesellschaft profitiert davon, sagt Christian Schink. „Die Bevölkerung in Vietnam ist sehr jung. Es gibt so viele potenzielle Arbeitskräfte, dass der Markt dort sie gar nicht aufnehmen kann. Wir nehmen also keinem Unternehmen vor Ort gute Bewerber weg. Das ist uns sehr wichtig.“
Hinzu komme, dass die Kandidaten mit einer abgeschlossenen Ausbildung in Deutschland und einigen Jahren Berufserfahrung hervorragende Zukunftsaussichten haben – selbst, wenn sie eines Tages nach Vietnam zurückkehren sollten. „Der interkulturelle Austausch zwischen Vietnam und Deutschland wird somit gefördert“, so Schink.
Vermittelt wird bundesweit, auf Nachfrage von Unternehmen, die auf der Suche nach Fachpersonal beziehungsweise Nachwuchs sind. Auf bestimmte Branchen ist die Agentur zwar nicht spezialisiert, aber die Pflege und Gastronomie kristallisieren sich laut Schink in der Nachfrage – wie erwartet – besonders heraus. Die Bewerber seien allesamt hoch motiviert. „Viele von ihnen arbeiten während des Sprachkurses in Vietnam viele Monate bis Jahre darauf hin, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen.“

Rostocker Projekt als Vorbild

Schink hat selbst zehn Jahre in Vietnam gelebt und dort ein Reiseunternehmen geführt. Durch die Pandemie steht dieses aktuell komplett still, sagt der 32-​Jährige. Die Idee, die Recruiting-​Agentur zu gründen, kam ihm durch zwei Faktoren. Zum einen habe die Aktualisierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im März 2020 dafür gesorgt, dass viele Prozesse unkomplizierter ablaufen können. Zum anderen gab es ein Projekt an der Universitätsmedizin Rostock, das sein Interesse geweckt habe, erzählt er. „Es gibt an der Unimedizin Rostock ein Projekt mit vietnamesischen Azubis im Pflegebereich. Das haben wir uns als Vorbild genommen. Wir möchten als privates Unternehmen da anschließen und das weiterentwickeln“, sagt Christian Schink.

Wohnungsmieten sind die größte Hürde

Er selbst ist Geschäftsführer der Agentur und nimmt im operativen Teil die Rolle des Berufsberaters ein. Wird ihm von seinen Partnern in Vietnam jemand vermittelt, führt er zunächst per Videoschalte ein Interview. Für dieses Gespräch nehme er sich sehr viel Zeit, sagt Schink. „Es ist wichtig, herauszufinden, wo die wahren Beweggründe des Bewerbers liegen und auch aufzuzeigen, was hier in Deutschland zu erwarten ist.“ Um überhaupt in Frage zu kommen, müssen die jungen Leute auch sehr gute Leistungen und ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis vorweisen können. Sind all diese Faktoren erfüllt und beide Seiten überzeugt, müssen die bürokratischen Hürden geregelt werden. „Das Visum beantragen die Bewerber in der Regel selbst. Hier vor Ort unterstützen wir erst mal mit allen wichtigen Formalien, angefangen mit der ordnungsgemäßen Anmeldung in der neuen Heimat“, sagt Schink.
„Die derzeitigen Wohnungsmieten bremsen unser Business ungemein aus. Wer 600 Euro Warmmiete für ein Einzelzimmer ausgeben muss, hat damit schon sein komplettes Azubigehalt nur für Miete ausgegeben.“

Christian Schink, Geschäftsführer

Eine der größten organisatorischen Hürden im ganzen Prozess ist die Suche nach einer geeigneten Wohnung, sagt Schink. Aktuell laufe fast alles über Mitarbeiterwohnungen und Azubi-​Wohnheime der jeweiligen Unternehmen. „Die derzeitigen Wohnungsmieten bremsen unser Business ungemein aus“, fügt er ernst hinzu. „Wer 600 Euro Warmmiete für ein Einzelzimmer ausgeben muss, hat damit schon sein komplettes Azubigehalt nur für Miete ausgegeben. Das kann sich nur jemand leisten, der zusätzlich unterstützt wird. Nicht alle Unternehmen wollen oder können das leisten.“
Genau das wird zu einer Gefahr für die Chancengleichheit der Bewerber. Und diese ist Christian Schink das wichtigste Anliegen mit seinem Unternehmen. Daher ist auch die Bezahlung seines Service ein Thema, das er sensibel angeht. Es sei in der Personalvermittlung oftmals gang und gäbe, von den Bewerbern eine Vermittlungsprovision zu verlangen. Diese gebe es in seinem Unternehmen nicht. „Als ich gemerkt habe, wie in diesem Bereich teilweise gewirtschaftet wird, hat mich das sehr gestört. Ich empfinde das als ungerecht. Es sollte nicht derjenige bevorteilt werden, der den größeren Geldbeutel hat“, betont Christian Schink.

Integration durch gezielte Hilfe

Sind die jungen Leute erst einmal in Deutschland angekommen, werden sie Schritt für Schritt dabei begleitet, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden. „Unser Ziel ist es, sie so zu schulen, dass sie sich so selbstständig wie möglich in unseren Strukturen bewegen können. Behördengänge und der Besuch beim Arzt sollen für sie kein Problem sein.“
Um das zu gewährleisten, sind Sprachkurse von besonderer Bedeutung. Alle Bewerber hätten zumindest Grundkenntnisse in der deutschen Sprache. Die Agentur organisiert aber auch weiterführende Seminare. Bei diesem Thema sind aber auch die Betriebe selbst gefragt. Die Organisation eines berufsvorbereitenden Sprachkurses B2 wird laut Schink vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu 100 Prozent gefördert.
Aber auch für die emotionale Unterstützung müssten die Betriebe sorgen – dieser Verantwortung müssten sie sich vorab bewusst sein, betont Schink. „Es würde nicht zu Erfolg führen, wenn man die Leute am Ende allein lässt. Eine langfristige Betreuung der Azubis durch alle Beteiligten ist uns daher sehr wichtig.“

Bislang 64 Ausbildungsverträge

Über die Zukunft der Agentur kann und will Christian Schink aktuell keine feste Aussage treffen. „Wir sind in der stressigen Anfangsphase und müssen gezielt auf Unternehmen zugehen. Immerhin haben wir schon 64 Ausbildungsverträge aufsetzen können, aber letztlich ist es wohl dennoch ein zeitlich begrenztes Geschäft. Denn wenn sich das mit dem Fachkräftemangel umkehrt, ist natürlich Schluss.“ Aktuell sehe er aber einen großen Nutzen, in dem, was er tue, und investiere die Zeit gern – für beide Seiten. „Es ist einfach toll, wenn wir da unterstützen können, wo es nötig ist.“
Christina Milbrandt

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