Durchstarter

Nautitronix macht Klarschiff

Wer in der Schifffahrt arbeitet, weiß: Havarien sind keine Seltenheit. Treten sie ein, kann das hohe finanzielle Verluste mit sich bringen. Zwei Rügener haben sich dem Problem angenommen und ein System entwickelt, das genau solche Ernstfälle verhindern soll. Anfang 2019 gründeten Hartmann Schleifer und Robert Garbe das Unternehmen Nautitronix, dessen Technologie mittlerweile von 19 Schiffen der Weißen Flotte genutzt wird.
Das auf Ausflugsschifffahrt und Fährverkehr spezialisierte Unternehmen gab selbst den Anstoß zur Entwicklung des Systems. „Es gab vorher noch kein Monitoringsystem, das für alle Schiffstypen, ob solar- oder dieselbetrieben, anwendbar war“, erzählt Hartmann Schleifer, der als IT-​Berater mit dem Schiffsunternehmen zu tun hatte. „In den Gesprächen zu dem Thema wurde uns gesagt, wenn wir etwas bauen könnten, das diese Lücke füllt, dann wären sie auch der erste Kunde. Diese Chance mussten wir nutzen.“

Analyse bis ins kleinste Detail

Schon im Mai 2019, nur wenige Monate nach der offiziellen Gründung, befand sich das System im Pilotstatus. Die Kernkompetenz dahinter: Datenerfassung. So kann mit der Technologie das jeweilige Schiff bis ins kleinste technische Detail genau beobachtet und analysiert werden. Die Datenerfassung bildet alle wesentlichen Faktoren von der Motorenfunktion über den Füllstand des Tanks bis zum Energieverbrauch ab. „Wir können alle möglichen Komponenten einbetten, zum Beispiel auch den Status des Schwarzwassertanks oder den Ertrag von einzelnen Solarzellen, und zwar herstellerunabhängig“, sagt Hartmann Schleifer.
Die Inspekteure der Schifffahrtsunternehmen können so alle Schiffe technisch im Überblick behalten. Auch eine dezentrale Flotte, mit Schiffen an verschiedenen Orten, könne so über eine zentrale Stelle optimal beobachtet werden. Hartmann Schleifer: „Das ist also ein Frühwarnsystem, mit dem Havarieausfälle reduziert werden. Vor allem für Fahrgastschiffe ist das ein Gewinn. Denn wenn die zwei bis drei Wochen nicht fahren, sind das irrsinnige finanzielle Einbußen. Von der körperlichen Gefahr für die Gäste ganz zu schweigen.“

Schwierige Zeiten durch die Pandemie

Das System hat schnell großen Anklang gefunden: Am Anfang gab es die Technologie zunächst auf vier Schiffen, mittlerweile sind es 19, Tendenz steigend. Zudem konnten nach und nach Mitarbeiter eingestellt werden. Aktuell gibt es neben den Gründern einen Vollzeitbeschäftigten, einen geringfügig Beschäftigten sowie mehrere Freelancer, die die Software- und Hardwareentwicklung sicherstellen.
Ein wenig ausgebremst wurden die Jungunternehmer von der Pandemie. „2020 hatten wir eine schwere Zeit“, erzählt Hartmann Schleifer. „Wir haben uns auf die touristische Binnenschifffahrt konzentriert und diese gab es zu der Zeit de facto nicht.“
Hinzu kommt: Nautitronix ist projektfinanziert. Am Anfang konnten sich die Gründer eine Förderung über das Programm DigiTrans in Höhe von 48.000 Euro sichern. „Das war für uns natürlich sehr gut. Denn externe Investoren haben wir nicht, was auch die Coronazeit so schwierig für uns machte“, so Hartmann Schleifer.
Am Ende hatten die beiden Geschäftsführer Glück im Unglück – da sie beide das Unternehmen nicht in Vollzeit betreiben. So ist Hartmann Schleifer weiterhin als IT-​Berater tätig und aktuell, wie er berichtet, an zwei weiteren Unternehmensgründungen beteiligt. Robert Garbe ist bei der Weißen Flotte angestellt.

Mit Fahrprofilen zu weniger Spritverbrauch

Mittlerweile hat sich alles wieder zurechtgeruckelt. Nautitronix ist inhaltlich nun sogar noch breiter aufgestellt. Denn mittlerweile bietet das Unternehmen auch Fahrprofile für Schifffahrtsunternehmen an, die zum Beispiel den Treibstoffverbrauch ihrer Flotte in verschiedensten Situationen genau dokumentieren und analysieren wollen. „So können Schiffe optimiert werden. Denn vor allem sind sie eins: Spritfresser. Wenn man da auch nur wenige Prozent einsparen kann, dann ist das gut für die Umwelt und den Geldbeutel des Schiffsunternehmens“, fasst Hartmann Schleifer zusammen.
Damit trifft Nautitronix auch den aktuellen Zeitgeist der Branche. Der Druck, auf Elektro- oder Hybridantrieb umzustellen, sei auch in der Schifffahrt nicht zu unterschätzen. Ein genaues Profil des Verbrauchs mache Nutzen und Kosten dieses Prozesses deutlich.
Potenzial hat das System auch für große Schiffe, von der Kreuzfahrt bis zum Frachtverkehr. „Es ist durchaus möglich, die Datenerfassung dort auch zu installieren. Aber wir haben uns bewusst unsere Nische ausgesucht. Wir verstehen uns aktuell als kleines Unternehmen mit einem bestimmten Fokus“, macht Hartmann Schleifer deutlich. Weiter ausbauen wollen die beiden Geschäftsführer ihr Portfolio aber dennoch. „Wir wollen wachsen und haben auch die Hoffnung, dass wir das noch dieses Jahr können. Denn in Zukunft wollen wir noch mehr mit Künstlicher Intelligenz arbeiten und uns noch mehr mit den regionalen Hochschulen verbinden.“

Christina Milbrandt