Standort

Wie kann der ländliche Raum noch mehr vorankommen?

Dass sich künftig ein Großteil der wirtschaftlichen Entwicklung auch wieder verstärkt im ländlichen Raum abspielen wird, dessen ist sich Martin French sehr sicher. „Viele Großstädte sind zum Beispiel hinsichtlich Gewerbeflächen gar nicht mehr in der Lage, Neuansiedlungen größerer Unternehmen alleine zu bedienen“, sagt der Wirtschaftsförderer.
Der ländliche Raum dagegen habe noch viele Potenziale, die allerdings richtig genutzt und hinsichtlich der Ansiedlungen gelenkt werden müssen. Der Landkreis Rostock habe zum Beispiel über 50 interessante Gewerbe- und Industriegebiete mit unterschiedlichsten Größen, Ausprägungen und Unternehmensstrukturen. Mehrere Kernthemen sind für die weitere Entwicklung nach seiner Ansicht essenziell.

Landkreise und die Städte profitieren voneinander
„Die regionalwirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Stadt und Land werden aktuell immer noch viel zu wenig gesehen“, betont Martin French. „Wenn man die Region Rostock ernst nehmen will, dann müssen die vielen bestehenden Kooperationen zwischen Innovationsakteuren der Hansestadt und des Landkreises weiter ausgebaut, gestärkt und kommuniziert werden.“
An dieser Stelle sollten die jeweiligen Standortvorteile und -potenziale von Stadt als auch Land noch intensiver in Einklang gebracht werden. Als Beispiel nennt French das junge Unternehmen Inova Protein, eine erfolgreiche Ausgründung der Universität Rostock, das aktuell eine Produktionshalle in Roggentin baut. „Forschungs- und Entwicklungsgelder sowie Gründungsförderung sind in das Startup der Hochschule geflossen. Nun investiert das junge Unternehmen im Landkreis, wobei Wohnorte der Mitarbeitenden und somit auch Kaufkraft dennoch in der Stadt verbleiben.“ Auch bei Ansiedlungen, die nicht im unmittelbaren Speckgürtel stattfinden, gäbe es viel Potenzial: Einerseits wegen softer Standortfaktoren wie den zahlreichen touristischen Angeboten, die von den Menschen, die in den Unternehmen arbeiten, genutzt werden, andererseits auch bezüglich bezahlbaren Wohnraums oder guter Bildungsinfrastruktur.
Fachkräfte vom ländlichen Raum überzeugen
Die wirtschaftliche Entwicklung ist auch im ländlichen Raum stark vom Gewinn geeigneter Fachkräfte abhängig. Doch wie können Bewerber überzeugt werden, zumal in einer Zeit, in der alle Branchen unter dem gravierenden Fachkräftemangel leiden? French benennt mehrere Faktoren, allen voran die Attraktivität der Region insgesamt. Gibt es eine gute Infrastruktur, gute Kitas, Schulen, Wohngebiete auch auf dem Land, dann ist schon ein guter Grundstein gelegt, sagt er. „Es gibt große Unternehmen, die sich vor einer Ansiedlung genau solche Dinge anschauen, sich ein Bild von den Schulen und mehr machen, bevor sie sich für einen Standort entscheiden.“
Viele sagen zwar, dass eine ausgewogene Work-​Life-​Balance oder ein Feel-​Good-​Management im Betrieb noch wichtiger sind, aber gute Leistung muss auch gut bezahlt werden.

Martin French, Wirtschaftsförderer

Hinzu kommen angemessene Löhne. „Viele sagen zwar, dass eine ausgewogene Work-​Life-​Balance oder ein Feel-​Good-​Management im Betrieb noch wichtiger sind, aber gute Leistung muss auch gut bezahlt werden.“
Hilfreich für die Ansiedlung von Fachkräften ist auch eine gute digitale Infra­struktur, sagt French. „Digitalisierung wird natürlich an einigen Stellen Arbeitsplätze kosten, aber es bietet genauso viele neue Chancen.“ Viele Unternehmen würden zum Beispiel mittlerweile fast komplett aufs Homeoffice setzen. Damit sei es dann im Grunde egal, wo die Mitarbeiter wohnen. Auch die Nutzung sogenannter Coworking Spaces, also flexibel buchbarer Büros auf Zeit, nimmt kontinuierlich zu. Mit den richtigen Voraussetzungen könne der ländliche Raum davon enorm profitieren.

Startups: Mehr als technologisches Know-​how
Wer über die künftige wirtschaftliche Entwicklung spricht, kommt auch in Mecklenburg-​Vorpommern schon länger nicht mehr am Thema Startups vorbei. In der Regel sind hochtechnologische Gründungen weniger im ländlichen Raum angesiedelt, was auch damit zusammenhängt, dass viele von ihnen direkte Hochschul-​Ausgründungen sind und die bestehende Nähe bezüglich weiterer Forschung und Entwicklung oft Sinn macht, sagt Martin French. Doch auch Startups können in der Zukunft seiner Ansicht nach viel mehr aus der Fläche herausholen. So ist ein Trend der Green Economy zum Beispiel das Smart Farming, welches für Existenzgründungen im ländlichen Raum gerade zu prädestiniert ist. Auch das Innovationsfeld der Erneuerbaren Energien bietet Potenziale für Startups im ländlichen Raum.
„Viele begreifen Startups oft als rein technologische Innovationen. Aber nicht nur die Technologie, sondern vor allem rentable Innovationsprozesse in Gänze sollten mehr im Fokus stehen. Es gibt auch zahlreiche soziale und regionale Aspekte im ländlichen Raum, für die innovative Lösungen und Geschäftsmodelle gefunden werden müssen.“ Als Beispiel nennt French hier das Startup Triphari, ebenfalls aus dem Umfeld der Rostocker Universität und mittlerweile in Bad Doberan ansässig. Das Unternehmen bietet mit dem Produkt fernfreund eine technische Lösung für alle, die für hilfsbedürftige Menschen verantwortlich sind, diese aber nicht direkt vor Ort im Blick haben können. „Solche Regionalinnovationen haben großes Potenzial. Vor allem auch im Bereich der digitalen Teilhabe im ländlichen Raum gibt es viel Bedarf für Startups.“

Nachfolge
Besonderes Augenmerk legt der Wirtschaftsförderer auch auf das Thema Unternehmensnachfolge. Dass das Thema dringlich ist, zeigen allein die aktuellen Zahlen der Nachfolgezentrale MV: Mehr als 12.000 Unternehmen stehen in den kommenden Jahren zur Nachfolge an – und für rund 45 Prozent davon ist unklar, wer sie übernehmen wird.
Wir müssen die Nachfolgethematik unbedingt auch mehr als quasi Gründungsansatz verkaufen und deutlich machen, welche Möglichkeiten in den schon bestehenden Unternehmen liegen.
„Wir müssen die Nachfolgethematik unbedingt auch mehr als quasi Gründungsansatz verkaufen und deutlich machen, welche Möglichkeiten in den schon bestehenden Unternehmen liegen“, betont Martin French. Es gebe viele unscheinbare Firmen, die mit ihren Technologien und Produkten aber sogar auf dem Weltmarkt erfolgreich seien. Wenn ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin nun die Geschäftsmodelle beispielsweise auch hinsichtlich von Digitalisierung weiterentwickelt, ergeben sich auch für Unternehmen im ländlichen Raum große Potenziale. Um mehr Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen, arbeitet die Wirtschaftsförderung aktuell gemeinsam mit der Nachfolgezentrale auch an einer Push-​Kampagne in den Sozialen Medien.

Wie kommt das Thema ­Wirtschaft in die Köpfe?
All diese Dinge sind wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums. Besonders entscheidend ist laut Martin French jedoch, Erfolge und Vorteile in all diesen Bereichen auch den richtigen Zielgruppen mitzuteilen. „Noch verbinden wir das Tourismusmarketing viel zu wenig mit der Öffentlichkeitsarbeit für Wirtschaftsförderungsthemen. Vorstellbar sei für ihn ein noch stärkeres, subtiles Ansprechen von Investorengruppen oder Startupinteressierten an touristischen Hotspots, wie zum Beispiel an sowieso schon vorhandenen Bildschirmen in Hotels. Auch digitale Boards an Museumsstandorten oder Freizeitparks seien denkbar. „Wir müssen den Mehrwert der jeweiligen Orte in den wirtschaftlichen Kontext setzen und das nach außen spielen.“
Interview: Christina Milbrandt

Kontakt

IHK zu Rostock
Ernst-Barlach-Str. 1-3
18055 Rostock
Tel.: 0381 338-0
Fax: 0381 338-617
info@rostock.ihk.de

Geschäftsstelle Stralsund
Heilgeiststr. 34
18439 Stralsund
Tel.: 0381 338-0
Fax: 0381 338-809
info@rostock.ihk.de