Wirtschaftliche Lage besser als erwartet

Etwas Entspannung, aber keine Entwarnung: So lässt sich die Wirtschaftslage in Rheinland-Pfalz zum Jahresbeginn zusammenfassen. Nach der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz steigt der IHK-Konjunkturklimaindex, Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung, zum Jahreswechsel um 25 auf 97 Indexpunkte. Damit übertrifft er die Werte der Vorumfragen (Herbst und Frühsommer 2022: 72 und 92 Indexpunkte) – die Bewertung der aktuellen Lage und die Aussichten der Unternehmen haben sich also seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erstmals wieder stabilisiert.
Zwar liegen die Geschäftserwartungen zum Jahreswechsel immer noch deutlich im negativen Bereich. Dennoch: Mehr als die Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) erwartet eine konstante Geschäftsentwicklung, während in der Vorumfrage die Mehrheit (57 Prozent) noch pessimistisch in die Zukunft blickte.
„Die nun optimistischere Perspektive geht zurück auf das rasche und pragmatische Handeln der Unternehmen in der Krise“, stellt Arne Rössel fest, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. „Die bundespolitischen Entscheidungen haben für etwas Beruhigung gesorgt, auch wenn die Energiepreisbremsen im Detail noch unklar sind. Da wir weiter vielfältige Krisen zu meistern haben, gilt es umso mehr, die Standortbedingungen zu verbessern. Daher passt die von Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden verabredete massive Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze überhaupt nicht ins Bild.“
Die Geschäftslage wird, wie auch schon in der Vorumfrage, über alle Branchen hinweg von der Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) als gleichbleibend bezeichnet. Aktuell berichten aber etwas mehr Unternehmen als zuvor (32 Prozent, plus 4 Prozent zur Vorumfrage) von einer verbesserten Geschäftslage. Auch die Beschäftigungs- und Investitionsabsichten legen jeweils um plus 12 Prozentpunkte zu.

Blick in die Branchen

Der Dienstleistungsbereich erreicht 102 Indexpunkte und hebt sich damit leicht von Industrie und Handel ab. Bei den unternehmensnahen Dienstleistungen springt der Konjunkturklimaindex um 21 auf nun 108 Indexpunkte. Auch die personenbezogenen Dienstleistungen verzeichnen Zuwächse (94, plus 15 Indexpunkte im Vergleich zur Vorumfrage). Die Investitionsgüterindustrie erreicht mit 102 Indexpunkten als einzige Teilbranche innerhalb der Industrie einen Wert von über 100 Indexpunkten, ursächlich sind auch hier die im Vergleich zur Vorumfrage deutlich verbesserten, aber weiterhin im Saldo negativen Geschäftserwartungen. Die Industrie gewinnt im Vergleich zur Vorumfrage 28 Indexpunkte und erreicht nun einen Wert von 97. Die Exporterwartungen der Industrie verbessern sich leicht (plus 9 Prozentpunkte), bleiben aber ebenfalls weiterhin im Saldo im negativen Bereich (minus 9 Prozentpunkte). Auch im Handel verbessert sich die Lage: Der Konjunkturklimaindikator erreicht 92 Indexpunkte und damit 27 mehr als bei der Vorumfrage.

Energiepreise sind größter Risikofaktor

Das beherrschende Thema über alle Branchen hinweg sind die Energiepreise - 68 Prozent aller Betriebe sehen hier das größte Geschäftsrisiko. Im Vergleich zur Vorumfrage ist der Wert zwar etwas gesunken (minus 11 Prozent), dennoch bleibt die Sorge um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung an erster Stelle, noch vor dem Fachkräftemangel. Dieser belegt mit 60 Prozent der Antworten (plus 4 Prozent im Vergleich zur Vorumfrage) den zweiten Rang, gefolgt von den Rohstoffpreisen mit 53 Prozent (minus 10 Prozent im Vergleich zur Vorumfrage). Der Krieg in der Ukraine belegt beim Risikoranking den vierten Rang (51 Prozent, minus 12 Prozent im Vergleich zur Vorumfrage), gefolgt vom Inlandsabsatz (48 Prozent, minus 5 Prozent im Vergleich zur Vorumfrage). „Die Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten massiv Energie eingespart. Auch hierdurch haben sich die Energiemärkte in den letzten Wochen beruhigt“, sagt Dr. Tibor Müller, Hauptgeschäftsführer der IHK Pfalz. „Dies darf die Politik aber nicht in falscher Sicherheit wiegen: Nach wie vor ist die Lage angespannt und sehr volatil. Die Politik ist gefordert, alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um besonders auch die energetische Transformation in den Unternehmen aktiv zu unterstützen. Dabei darf es keine Denkverbote geben: Technologieoffenheit, beschleunigte und schlanke Genehmigungsverfahren sowie das Belastungsmoratorium für Unternehmen müssen auf der politischen Agenda bleiben. Die Wirtschaft benötigt mehr denn je wettbewerbsfähige Energiepreise, stabile Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.“

IHKs stellen Aktionsplan Fachkräfte vor

Bei den Risiken für wirtschaftliche Entwicklung folgt der Fachkräftemangel direkt an zweiter Stelle nach den Energiepreisen. Um Unternehmen, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schulen dabei mit gebündeltem Wissen und gezielten Angeboten zu unterstützen, bringen die IHKs in Rheinland-Pfalz 2023 den Aktionsplan Fachkräfte an den Start. Dabei geht es um konkrete Beratung, Vernetzung, Projekte für Schule und Wirtschaft und ebenso um Forderungen an die Politik, um deren Fokus auf das Thema Fachkräfte zu flankieren und zu verstärken.
„Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für rheinland-pfälzische Betriebe. Die Industrie- und Handelskammern haben daher einen Aktionsplan aufgelegt, um die hiesige Wirtschaft mit diversen Maßnahmen und Angeboten zu unterstützen“, kündigt der Hauptgeschäftsführer der IHK Trier, Dr. Jan Glockauer an. „Das wirksamste Instrument gegen den Fachkräftemangel ist die Ausbildung und Qualifizierung junger Menschen. Aber auch die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland wird in Zukunft immer wichtiger. Die Erfahrungen in den Unternehmen zeigen, dass vieles immer noch zu kompliziert ist, zu lange dauert oder sogar scheitert. Wir müssen jetzt handeln!“ Dazu haben die IHKs einen 5-Punkte-Plan mit Handlungsfeldern aufgelegt, an denen gemeinsam mit der Politik gearbeitet werden soll: die Förderung ökonomischer Bildung, die Stärkung der Dualen Ausbildung, schnelle Verfahren als Teil einer Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte, das Heben von Fachkräftepotenzialen sowie die konsequente Entlastung von Betrieben. Der Aktionsplan sowie die Angebote der IHKs finden sich unter: www.ihk-rlp.de/fachkraefte.

Auslandsgeschäft und Lieferketten

Mit Blick auf Auslandsmärkte und Lieferketten spielt der US-Markt eine entscheidende Rolle für die exportstarke Wirtschaft in Rheinland-Pfalz. Schließlich ist die US-amerikanische Industrie die zweitgrößte der Welt nach China. Gemessen am Bruttosozialprodukt ist der amerikanische Markt gut fünf Mal so groß wie der Deutsche. „Die Regierung ist stabil, die Wirtschaftspolitik liberal und die Steuersätze sind im Vergleich zu unseren deutschen immer noch vorteilhaft“, sagt Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen. „Zu den Instrumenten einer ‚eindeutigen Industriepolitik‘ gehörten der Inflation Reduction Act mit Beihilfen zum Vorteil von Wertschöpfung in den USA, die großen Infrastrukturprogramme auch zur Elektrifizierung der USA sowie der Chips-Act. Durch dauerhaftes Wirtschaftswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit ist der US-Markt wichtiger und attraktiver als jemals zuvor. Das Kompetenzzentrum USA nimmt ein spürbar gestiegenes Interesse auch unserer rheinland-pfälzischen Unternehmen am US-Markt wahr.“