Konjunkturerwartungen erreichen Allzeittief


Rheinland-pfälzische Wirtschaft blickt mit Pessimismus in die Zukunft
Die wirtschaftliche Stimmung in Rheinland-Pfalz ist düster, das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der als Stimmungswert sowohl die Geschäftslage als auch die Geschäftserwartungen abbildet, verliert im Vergleich zur Vorumfrage 20 Punkte und fällt mit 72 Punkten auf ein Allzeittief.
"Die pessimistischen Erwartungen drücken den Klimaindex auf einen Tiefpunkt, auch wenn die aktuelle Lage von 78 Prozent der Unternehmen noch als befriedigend oder gut bezeichnet wird. Insgesamt bestimmen schwere Belastungen - wie die Angst über den Fortgang des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, die steigenden Rohstoff- und Energiepreise, die gestörten Lieferketten und stärker aufkeimende protektionistisch-nationalistische Strömungen - die konjunkturelle Lage", sagt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.

Mehrheit rechnet mit Gewinneinbußen

Laut der aktuellen Umfrage, die sich auf Antworten von knapp 1.000 rheinland-pfälzischen Unternehmen mit nahezu 153.000 Beschäftigten stützt, sind die Geschäftserwartungen mit minus 51 Punkten sehr pessimistisch. Die Mehrheit (57 Prozent) befürchtet nachlassende Geschäfte in den kommenden Monaten.
Im Vergleich zur Vorumfrage im Frühjahr verschlechtern sich die Geschäftserwartungen in allen Branchen. Insbesondere das Baugewerbe ist betroffen. Lag die konjunkturelle Stimmung jahrelang deutlich über 100 Klimapunkten und damit deutlich im expansiven Bereich, so hat sich dies nach dem russischen Angriff auf die Ukraine fundamental geändert:
"Seit dem Jahreswechsel hat sich die Konjunktur im Baugewerbe von 119 Punkten auf jetzt 59 Punkte halbiert. Ein Erklärungsansatz hierfür sind zurückgestellte Bauinvestitionen, die angesichts von Rohstoffknappheit und enormen Baukostensteigerungen kaum mehr kalkulierbar sind", betont Rössel.
Die Geschäftserwartungen in der Industrie sind durchweg schwach. Mit minus 57 Prozent liegen sie leicht unter dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft (minus 51 Prozent).
"Etwas optimistischer stimmen die Exporterwartungen der Industrie, die zu etwa zwei Dritteln gleichbleibend bis gut sind und sich im Vergleich zur Vorumfrage sogar leicht erholt haben. Darum muss insbesondere die Industrie mit international wettbewerbsfähigen Energiepreisen und einer ebenso wettbewerbsfähigen Unternehmensbesteuerung gestärkt werden", fordert Rössel.

Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten

Noch ist der aktuelle Lage-Index in Rheinland-Pfalz in nahezu allen Branchen leicht positiv. Davon ausgenommen sind der Einzelhandel und die personenbezogenen Dienstleistungen, die die Geschäftslage leicht negativ bewerten. Vermutlich macht sich bei den Verbrauchern angesichts der allgemein steigenden Preise bereits ein deutlicher Dämpfer der Konsumlaune bemerkbar.

Weniger Investitionen, aber kaum Kündigungen

Die Investitions- wie auch die Beschäftigungsabsichten der Unternehmen sind im Vergleich zur Vorumfrage und zu den sehr schwachen Geschäftserwartungen nur moderat gesunken. Die Investitionsbereitschaft der Betriebe ist um 5 Prozent zurückgegangen, die Beschäftigungsabsichten um 8 Prozent.
"Die Unternehmen investieren aktuell zuerst in Energieeffizienz, nötige Ersatzbeschaffungen und Rationalisierungen. Angesichts des anhaltenden Fach- und Arbeitskräftemangels wollen die Betriebe ihre Belegschaften halten. Dies ist ein wichtiger Baustein zur gesamtwirtschaftlichen Krisenbewältigung, darf aber nicht die Notwendigkeit von Strukturreformen verschleiern, etwa bei der steuerlichen Behandlung von Forschung und Entwicklung", so Rössel.

Hohe Energiepreise belasten Betriebe

Als Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise geben 61 Prozent der Unternehmen die Preise an Kunden weiter, 41 Prozent investieren in Energieeffizienz. Das Ausweichen auf andere Energieträger (15 Prozent) und die Reduzierung der Produktion (12 Prozent) ist weniger verbreitet. Vier Prozent der Unternehmen geben an, die Produktion zu verlagern.
Mit Blick auf die Energiekrise fordert Rössel erneut:
„Rasches Handeln der Regierung ist dringend notwendig. Der Abschlussbericht der ‘Expertenkommission Gas und Wärme’ spricht sich klar für eine Gaspreisbremse aus. Entscheidend ist jetzt die schnelle und unbürokratische Umsetzung. International wettbewerbsfähige Energiepreise sind die beste Maßnahme zur Standorterhaltung in Deutschland. Geplante Unternehmensgarantien zum Arbeitsplatzerhalt lehnen wir ab.”
Im Risikoranking liegen die Energiepreise mit 79 Prozent klar an erster Stelle, auf Platz zwei folgen die Rohstoffpreise und der Krieg in der Ukraine mit jeweils 63 Prozent.
Durchgeführt wurde die Umfrage vom 27. September bis 18. Oktober 2022. An der Umfrage der vier rheinland-pfälzischen Kammern Pfalz, Rheinhessen, Koblenz und Trier haben 991 Unternehmen mit knapp 153.000 Beschäftigten teilgenommen.