Verpackungssteuern belasten Betriebe
Die kommunale Verpackungssteuer soll helfen, Müll zu reduzieren und Mehrwegsysteme zu fördern. Nachdem sie in Tübingen vom Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erklärt wurde, gibt es nun auch in der Rhein-Neckar-Region Überlegungen, eine solche Steuer einzuführen. Diese würde Betriebe aus verschiedenen Branchen betreffen, wie Gastronomie, Einzelhandel, Lieferdienste, Event- und Freizeitbranche sowie Hersteller und Zulieferer von Verpackungen.
Kritikpunkte
Die regionale Wirtschaft lehnt kommunale Verpackungssteuern ab, da sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand für Betriebe bedeuten.
Unverhältnismäßig hohe Zusatzbelastung für Unternehmen
Unternehmen tragen mit ihren Zahlungen von Gewerbesteuer und Gehwegreinigungsgebühren sowie eigenem Engagement maßgeblich zur Sauberkeit der Städte bei. Die Verwaltung, Berechnung und Abführung der Abgabe wäre für viele Unternehmen eine weitere Belastung. Die zusätzliche Bürokratie ist auch mit Blick auf den Fachkräftemangel eine Herausforderung für die Betriebe.
Kostensteigerungen für Unternehmen und Kunden
Die Unternehmen werden, wo möglich, den Aufwand der Verpackungssteuer an die Kunden weitergeben müssen. Das erhöht die Preise und hält Kunden vom Kauf ab. Für die Unternehmen, gerade in den Innenstädten, kann die Verpackungssteuer in der aktuellen Wirtschaftskrise das Aus bedeuten.
Flickenteppich Verpackungssteuer
50 Cent Steuer auf to-Go-Becher in Heidelberg, 20 Cent in Mannheim? Regionale Unterschiede bei der Verpackungssteuer könnten zu Wettbewerbsverzerrungen führen, insbesondere wenn benachbarte Gemeinden im In- oder Ausland keine vergleichbare Regelung haben. Hinzu kommt die Unübersichtlichkeit für die Kunden und der enorme Aufwand für Filialbetriebe, die ihre Kassensysteme entsprechend anpassen müssen.
Enormer Verwaltungsaufwand in den Kommunen
Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer betrifft nicht nur die Betriebe, sondern führt auch bei den Kommunen zu einem erhöhten Auf-wand. Sämtliche steuerpflichtigen Unternehmen müssen erfasst, ihre übermittelten Angaben zur Berechnung der Steuerbescheide überprüft und regel-mäßige Kontrollen zur korrekten Umsetzung der Steuer durchgeführt werden. Das bindet Kapazitäten in den Verwaltungen, die anderswo dringend gebraucht werden.
Verpackungsmüll: Durchsetzungs- statt Regelungsproblem
Das konkrete Müll-Problem besteht nicht darin, dass Verpackungsmaterial von den Unternehmen in Verkehr gebracht wird, sondern in der regelwidrigen Entsorgung. Wird Verpackungsmüll auf die Straße geworfen, so ist dafür ein Bußgeld fällig. Doch kontrolliert wird kaum. Mit einer Verpackungssteuer wird die mangelnde Durchsetzung bestehender Regeln auf die Unternehmen verlagert.
Ziel der Müllreduzierung fraglich
Untersuchungen legen nahe, dass eine kommunale Verpackungssteuer nicht zwangsläufig zu einer deutlichen Reduzierung des Abfallaufkommens führt. Eine Studie der Universität Tübingen hat festgestellt, dass keine signifikante Reduzierung des Abfallaufkommens in öffentlichen Mülleimern nach der Einführung der Verpackungssteuer festgestellt werden konnte.
Kleinteilige Pfandsysteme ohne ökologischen Mehrwert
Untersuchungen zeigen, dass Mehrwegsysteme bei niedrigen Umlaufzahlen, wie sie in einzelnen Städten die Regel wären, einen hohen Ressourcen- und Energieverbrauch haben können. Mehrwegsysteme vor Ort stellen daher nicht automatisch die umweltfreundlichere Alternative dar.
Bestehende Regelungen im Verpackungsbereich wirken lassen
Mit der EU-Einweg-Kunststoffrichtlinie gibt es seit 2023 eine Sonderabgabepflicht für Kunststoffverpackungen. Die Steuereinnahmen hieraus fließen in einen Einwegkunststoff-Fonds, der Kommunen Gelder zur Müllbeseitigung zur Verfügung stellt. Es macht keinen Sinn, eine kommunale Verpackungssteuer einzuführen, bevor die neue Regelung Wirkung gezeigt hat.
Weitere Verpackungsregelungen
Mittelfristig wird das Verpackungsrecht, stärker auf EU-Ebene vereinheitlicht. Die umfangreiche Verpackungsverordnung wurde vom Europäischen Parlament 2024 verabschiedet. Hierdurch wird eine Vielzahl weiterer Berichts- und Quotenverpflichtungen eingeführt oder verschärft. Damit kommen auf Unternehmen neue Kosten und bürokratische Pflichten zu. Ab 2030 werden bestimmte Einwegverpackungen verboten. Parallel dazu wären kommunale Verpackungssteuern eine zusätzliche Belastung und damit der falsche Weg.
Hintergrund
Kommunale Verpackungssteuern sind örtliche Verbrauchssteuern. Diese Steuern betreffen Endverkäufer, die nicht wieder verwendbare Verpackungen von Speisen und Getränken für den sofortigen Verbrauch nutzen. Die Steuer wird pro Einwegartikel festgesetzt und muss von den Unternehmen gezahlt werden. In Tübingen werden z. B. 50 Cent je Einwegverpackung und 20 Cent je Einwegbesteck erhoben. Dort sind neben klassischen Imbissbetrieben auch die Systemgastronomie und Franchiseunternehmen steuerpflichtig. Ebenso umfasst die Regelung Supermärkte, Tankstellen, Bäckereien, Cafés, Metzgereien, Gaststätten und Restaurants.