Rahmenbedingungen verbessern

1. Produzierendes Gewerbe stärker unterstützen

Die Landespolitik sollte sich unter industriepolitischen Aspekten dafür einsetzen, die Akzeptanz für Industrie und technologische Entwicklungen zu fördern. Produzierende Betriebe spielen eine besondere Rolle. Sie prägen mit rund 95.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 29 Milliarden Euro maßgeblich die regionale Wirtschaftsstruktur. Fast ein Viertel der Bruttowertschöpfung im Bezirk der IHK Rhein-Neckar werden im Verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet. Dieser industrielle Kern ist Treiber von Forschung und Entwicklung, Impulsgeber für alle anderen Sektoren, Vorreiter beim Einsatz von Klima- und Umwelttechnologien sowie bedeutender Arbeitgeber und Ausbilder.

2. Dem Handel faire Wettbewerbschancen zur Entfaltung geben

Der Handel steht bereits seit vielen Jahren unter starkem Wettbewerbsdruck. Durch die Corona-Pandemie sind zusätzlich viele Betriebe in ihrer Existenz gefährdet. Die Politik muss gerade jetzt faire Rahmenbedingungen schaffen, die wettbewerbspolitisch für ein Level-Playing-Field von stationärem und Online-Handel sorgen. Für die Gleichbehandlung diverser Vertriebskanäle sollte sich die Landesregierung auf Bundes- und europäischer Ebene auch zukünftig einsetzen. Dazu gehört unter anderem die faire Besteuerung von Vertriebskanälen, die aufgrund der Digitalisierung nationale Grenzen überschreiten.

3. Die kommunen bei strukturellen Veränderungen ihrer Innenstädte fordern und fördern

Einzelhandelsbetriebe – inklusive Anbieter des täglichen Bedarfs – haben sich in den vergangenen Jahren vor allem aus Städten mit weniger als 30.000 Einwohnern zurückgezogen. Die Corona-Krise hat diesen Prozess erheblich verstärkt. In der Folge wird sich die Anzahl leerstehender Geschäftslokale erhöhen. In vielen Innenstädten werden adäquate Nachvermietungen nicht mehr immer gelingen; die Gesichter der Innenstädte werden sich wandeln und die Kommunen werden vielerorts neue Nutzungskonzepte entwickeln müssen. Das Land sollte Städte und Gemeinden bei diesen Erneuerungsprozessen unterstützen und darauf achten, dass sich dabei die bewährten Grundsätze der Raumordnung in der kommunalen Bauleitplanung widerspiegeln. Innenstädte werden als Standorte für Handel, Gastronomie und Dienstleistungen nur dann ihre Funktion erfüllen können, wenn die Aufenthaltsqualität nachhaltig erhöht wird. Zentrales Förderinstrument ist die bewährte Städtebauförderung. Fördermittel sind zunehmend für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, für die Stärkung des Stadtmarketings sowie für die Umsetzung innovativer Nutzungskonzepte notwendig.

4. Zugang zu Innenstädten weiter attraktiv halten

Eine gute verkehrliche Erreichbarkeit der Innenstädte und Ortskerne ist nach wie vor sehr wichtig für die Attraktivität des stationären Handels und damit auch für die Wirtschaftskraft der Städte und Gemeinden. Im Wettbewerb der Standorte ist insbesondere der innerstädtische Handel auf eine gute Erreichbarkeit für Kunden- und Lieferverkehre angewiesen. Die Landesregierung sollte deshalb intelligente Konzepte für den Stadtverkehr der Zukunft fördern, die nicht in erster Linie Sperrungen oder Fahrverbote verfolgen, sondern auf die Ausweitung verzahnter Mobilitätskonzepte setzen. Komplexe urbane Mobilitätskonzepte werden in den zahlreichen Klein- und Mittelstädten des Landes schon allein aus Kostengründen nicht in dem Maße umsetzbar sein, wie sie in den Großstädten bzw. Ballungsräumen möglich erscheinen. In diesen Städten ist und bleibt der Pkw das Verkehrsmittel Nr. 1. Diese Erkenntnis berücksichtigend, sollte die Landesregierung die Städte und Gemeinden auch bei der Optimierung des fließenden und ruhenden Verkehrs finanziell unterstützen. Die Ausweitung nachhaltiger und verzahnter Mobilitätskonzepte (zum Beispiel mehr Park & Ride-Plätze, sicherere Radwege oder Verbesserung des ÖPNV) unterstützt die IHK-Organisation. Eine weitere Ausweisung von Umweltzonen lehnt die IHK-Organisation ab, da sie den Standortnachteil der Innenstädte vergrößert. Schließlich sind peripher gelegene Standorte in der Regel besser mit dem Pkw zu erreichen und fast immer mit ausreichend und kostenlosem Parkraum ausgestattet. Eine City-Maut mit dem Ziel der Verteuerung des Verkehrs würde zum Beispiel den stationären innerstädtischen Einzelhandel weiter gegenüber dem Onlinehandel sowie Einkaufszentren außerhalb der City schwächen und kann daher nicht befürwortet werden. Auch fehlen in der Regel die erforderlichen Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, die durch die Optimierung des ÖPNV erst geschaffen werden müssten.

5. Zukunftsfähige Gewerbeflächen schaffen

Für zukunftsfähige Gewerbeflächen sind eine ressourcenschonende Flächennutzung sowie zukunftsorientierte Mobilitäts-, Energie- und Logistikkonzepte notwendig. Die Grundlagen hierfür müssen bereits in der Bauleitplanung gelegt werden. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur nachhaltigen Gewerbeflächennutzung sind frühzeitig und flächendeckend im Planungsrecht und bei der Ausweisung von Gewerbegebieten zu beachten. Dabei sollte eine Priorisierung auf der Beschleunigung von derzeitigen Planungsvorhaben liegen. Zur nachhaltigen Sicherung des Standorts brauchen die baden-württembergischen Unternehmen Flächen in ausreichender Größe und Qualität, um Planungssicherheit zu haben. Auch mit einer qualitätsorientierten Innenentwicklung und Nachverdichtung werden zur Deckung des Gewerbeflächenbedarfs in Zukunft Neuausweisungen von Flächen erforderlich sein. Die aktuellen Plan- und Genehmigungsverfahren sind aber teilweise sehr langwierig, weshalb hier dringender Handlungsbedarf besteht, um die Prozesse entsprechend zu beschleunigen. Die Verfahrenserleichterungen für Straßeninfrastrukturprojekte sollten daher auch für Gewerbeflächen gelten. Die Flächennutzung muss in der Öffentlichkeit objektiv und faktenbasiert diskutiert werden – auch von kommunalen und regionalen Politikern.

6. Grundsteuer und Gewerbesteuer wirtschaftsschonend gestalten

Die baden-württembergische Wirtschaft benötigt investitions- und wachstumsfreundliche Standortbedingungen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Aufgrund der einseitigen Belastungswirkung der Gewerbesteuer sollte das Ziel sein, diese durch einen von den Kommunen in Eigenverantwortung festzusetzenden Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer nebst einem verstetigenden Teil an einer Gemeinschaftssteuer, zum Beispiel der Lohnsteuer oder der Umsatzsteuer, zu ersetzen. Bis die Landesgrundsteuer erstmalig erhoben wird, sollte die Zeit genutzt werden, um die Digitalisierung der Finanzverwaltung auf Landesebene voranzutreiben und so eine einfache und bürokratiearme Umsetzung zu sichern. Zudem muss bei der Landesgrundsteuer das Aufkommensneutralitätsprinzip auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Grundsteuer-Hebesätze ohne höhere Belastungen für die Unternehmen insgesamt, aber auch ohne übermäßige einseitige Zusatzbelastung für einzelne Unternehmensgruppen auszugestalten sind.

7. Bürokratie abbauen und Verwaltung digitalisieren

Seit vielen Jahren sehen die Unternehmen den Bürokratieabbau als dringliche Aufgabe der Politik auf Landes- wie Bundesebene an. Problematisch sind vor allem umfangreiche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten sowie aufwändige Behördengänge. Dies belastet insbesondere kleinere und mittelgroße Unternehmen. Es besteht daher erheblicher Handlungsbedarf für die Landesregierung. Der im Januar 2018 eingesetzte Normenkontrollrat Baden-Württemberg sowie die im Staatsministerium angesiedelte Aufgabe des Koordinators für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung wird von der baden-württembergischen Wirtschaft begrüßt und unterstützt. Eine erfolgreiche Wirtschaft benötigt aber weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel:
  • Umsetzungseffizienz steigern
  • Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorantreiben