EU-Mobilitätspaket

Seit dem 8. Juli 2020 das EU-Mobilitätspaket I (EU Mobility Package) beschlossen worden. Die neuen Richtlinien und Verordnungen wurden am 31. Juli 2020 im EU-Amtsblatt veröffentlicht.

EU-Mobilitätspaket I tritt in Kraft

Verordnung (EU) 2020/1054 zur Änderung der VOen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014
Verordnung (EU) 2020/1055 zur Änderung der VOen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012
Richtlinie (EU) 2020/1057 zur Ausgestaltung der Richtlinien 96/71/EG und 2014/67/EU und zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG
Binnen unterschiedlicher Fristen werden einige Regeln im Bereich Marktzugang, Entsendung sowie Lenk- und Ruhezeiten verändert bzw. neu eingeführt.
Änderungen bei der Entsendung der Fahrer, den Regeln zum Markt- und Berufszugang und bei der Kontrollrichtlinie werden erst im Februar bzw. Mai 2022 Geltung erlangen und deshalb in diesem Artikel vorerst nicht im Detail behandelt.
Die Änderungen im Bereich Lenk- und Ruhezeiten und Fahrtenschreiber sind seit dem 21. August 2020 in Kraft getreten.Wir weisen darauf hin, dass manche Formulierungen in der Änderungsverordnung keine klare Aussage darüber ermöglichen, wie rechtskonformes Handeln aussieht oder aussehen kann! Sofern im Folgenden kein gesondertes Datum genannt ist, gilt die jeweilige Regelung seit dem 21. August 2020.
Für eine weitergehende Übersicht der Verordnungen und Richtlinien im Bereich Verkehr und Transport folgen Sie dem Link (die neuesten konsolidierten Fassungen werden nach und nach aktualisiert).

Ausnahmen

(Artikel 3 und 13 der VO (EG) Nr. 561/2006)
Die Handwerkerklausel nach Artikel 3 Buchstabe aa) der VO (EG) Nr. 561/2006 wird dahingehend angepasst, dass ab dem 21. August 2020 auch die Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern möglich ist. Die bestehenden Limitierungen (max. 7.500 kg zHm, max. 100 km Luftlinie Umkreis) werden beibehalten. Keine direkte Wirkung der Änderung auf Fahrzeuge bis 3.500 kg zHm, da statischer Verweis in der Fahrpersonalverordnung (FPersV).
Perspektivisch kann in Deutschland die Beförderung von Transportbeton sowie die Beförderung von Baumaschinen für Bauunternehmen (im 100 km-Luftlinie-Umkreis und wenn das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers ist) ausgenommen werden. Hierzu bedarf es aber zunächst einer Anpassung der FPersV, weshalb Ausnahmen – falls eine Anpassung kommt – frühestens 2021 gelten.

Themenkomplex Wochenruhezeit

(Artikel 8 der VO (EG) Nr. 561/2006)
Wochenruhezeiten, die länger als 45 Stunden andauern, also: alle regelmäßigen und auch reduzierte Wochenruhezeit, die aufgrund eines angehängten Ausgleichs für eine vorherige reduzierte Wochenruhezeit insgesamt länger als 45 Stunden andauern, dürfen nicht im Fahrzeug verbracht werden. Eine Dokumentationspflicht und somit Kontrollierbarkeit besteht weiterhin nicht.
Diese Wochenruhezeiten dürfen, wenn der Fahrer nicht an seinen Wohnort zurückkehrt, nur in einer vom Arbeitgeber „bezahlten“ Unterkunft verbracht werden. Diese muss geeignet, geschlechtergerecht und mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen ausgestattet sein.

Rückkehrpflicht des Fahrers

Innerhalb jedes Vier-Wochen-Zeitraumes (jede Kombination von vier zusammenhängenden Kalenderwochen, die in jeder Kalenderwoche beginnen und enden kann, zum Beispiel KWs 51 bis 2, 52 bis 3, 1 bis 4, 2 bis 5 usw.) muss das Unternehmen die Arbeit jedes Fahrers so planen, dass dieser mindestens einmal an seinen Wohnort oder an den Unternehmensstandort zurückkehren kann, dem er normalerweise zugeordnet ist, um dort eine Wochenruhezeit einzulegen, die mindestens 45 Stunden andauert. Das Unternehmen muss dokumentieren, wie die Rückkehrpflicht des Fahrers umgesetzt wird – bei Betriebskontrollen im Niederlassungsmitgliedstaat ist die Einhaltung demnach kontrollierbar.

Sonderregel im grenzüberschreitenden Güterverkehr

Ausschließlich im grenzüberschreitenden Güterverkehr darf eine Sonderregel angewendet werden. Diese ermöglicht es unter Einhaltung zahlreicher Voraussetzungen zwei verkürzte Wochenruhezeiten hintereinander einzulegen. Die Rahmenbedingungen/Voraussetzungen sind:
  1. Im Vier-Wochen-Zeitraum müssen neben den beiden zusammenhängenden reduzierten Wochenruhezeiten mindestens zwei regelmäßige Wochenruhezeiten eingelegt werden.
  2. Die verkürzten Wochenruhezeiten müssen im Ausland verbracht werden (Ausland = weder Niederlassungsstaat des Unternehmens noch Wohnsitzstaat des Fahrers).
  3. Der Ausgleich der beiden Verkürzungen muss so gestaltet werden, dass der Fahrer einen möglichst langen Erholungszeitraum in Anspruch nehmen kann. Deshalb darf aller Voraussicht nach der Ausgleich der Verkürzungen nicht getrennt, sondern nur zusammengefasst stattfinden. Der Ausgleich kann nicht zu einem vom Fahrer/Unternehmen gewählten Zeitpunkt eingelegt werden, sondern muss „vor“ der auf die zweite Verkürzung folgenden regelmäßigen Wochenruhezeit erfolgen. Es ist rechtlich nicht hinreichend beschrieben, wie genau dieser Ausgleich zu erfolgen hat.
    Beispiel:
    Verkürzung von KW 1 auf KW 2: 10 h (35 h reduzierte Wochenruhezeit eingelegt)
    Verkürzung von KW 2 auf KW 3: 15 h (30 h reduzierte Wochenruhezeit eingelegt)
    Mindestdauer der Wochenruhezeit inkl. Ausgleich von KW 3 auf KW 4: 10 h + 15 h + 45 h = 70 h
  4. Wenn der Fahrer für die regelmäßige Wochenruhezeit, der der Ausgleich für die beiden reduzierten Wochenruhezeiten vorangestellt wird, an seinen Wohnort oder „seine“ Betriebsstätte des Unternehmens zurückkehrt, muss er zurückkehren, bevor er die Wochenruhezeit beginnt.
ACHTUNG: Bis zu einer Klarstellung durch die EU-Kommission/Mitgliedstaaten, wie diese Sonderregelung rechtskonform umgesetzt werden kann, sollten Unternehmen, die Rechtssicherheit anstreben, die Sonderregelung entweder nicht anwenden oder darauf achten, dass durch die Anwendung andere Vorgaben, insbesondere zum Artikel 8 Absatz 9 oder zum Artikel 9 Absätze 2 und 3 der VO (EG) Nr. 561/2006, nicht verletzt werden.

Überschreitung der Lenkzeit, um Wochenruhezeit an Wohnort oder  Betriebsstätte zu verbringen

Im Artikel 12 der VO (EG) Nr. 561/2006 bestand bislang nur eine Sonderregelung, die es dem Fahrer unter unvorhersehbaren und von ihm/vom Unternehmen nicht beeinflussbaren Umständen, die die ursprüngliche Transportplanung durcheinanderbringen, ermöglicht, von den Vorgaben der Artikel 6 bis 9 der VO (EG) Nr. 561/2006 (ohne Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit!) abzuweichen, um einen geeigneten Halteplatz zu erreichen.
Unter den selben Prämissen können die Fahrer künftig am letzten Arbeitstag der Woche in geringem Umfang von den Lenkzeitbeschränkungen abweichen, wenn es Ihnen dadurch gelingt, eine Wochenruhezeit am Wohnort des Fahrers oder der Betriebsstätte des Unternehmens, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, einzulegen. Dabei dürfen die Fahrer aber nicht von den Vorgaben der Artikel 6 bis 9 abweichen, sondern nur von den Vorgaben zur maximalen täglichen und kalenderwöchentlichen Lenkzeit.
Wenn der Fahrer an seinem Wohnort oder „seiner“ Betriebsstätte eine reduzierte oder eine regelmäßige Wochenruhezeit einlegt, kann die Lenkzeit um bis zu eine Stunde verlängert werden. Muss der Fahrer hingegen die Lenkzeit um bis zu zwei Stunden verlängern, um einen der beiden Orte zu erreichen, muss er dort eine regelmäßige Wochenruhezeit einlegen. In diesem Fall, also bei einer Verlängerung zwischen einer und zwei Stunden, muss der der Fahrer zunächst eine 30-minütige Fahrtunterbrechung einlegen.
ACHTUNG: Fahrer, die an dieser Stelle kein Risiko eingehen wollen, sollten nach dem Ablauf von 4,5 Stunden ununterbrochener Lenkzeit unabhängig davon, ob die Lenkzeit um maximal eine oder bis zu zwei Stunden verlängert wird, eine vollständige Fahrtunterbrechung einlegen.
Neu ist, dass die Lenkzeitverlängerung in allen Fällen, also auch zum Erreichen eines Halteplatzes, ausgeglichen werden müssen. Bis zum Ende der dritten Folgewoche muss eine tägliche oder wöchentliche Ruhezeit entsprechend verlängert werden. Die Dokumentationspflicht bleibt unverändert bestehen.

Unterbrechung von Ruhezeiten durch Fähr- und Zugüberfahrten

Bislang durften laut Artikel 9 der VO (EG) Nr. 561/2006 nur regelmäßige (gesplittete) Tagesruhezeiten im begleiteten Kombiverkehr unterbrochen werden um auf den Zug/die Fähre auf- und wieder herunterzufahren. Künftig dürfen auch reduzierte und regelmäßige Wochenruhezeiten bis zu zwei Mal für insgesamt eine Stunde unterbrochen werden. Besondere Anforderungen gelten dabei, wenn eine regelmäßige Wochenruhezeit unterbrochen wird. Dies ist nur erlaubt, wenn dem Fahrer an Bord des Zuges oder der Fähre eine „Schlafkabine“ zur Verfügung steht und die fahrplanmäßige Fahrtdauer des Zuges oder der Fähre mindestens 8 Stunden beträgt. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der Fahrer die gesamte regelmäßige Wochenruhezeit außerhalb des Fahrzeugs verbringt.

Erfassung von Urlaubs- und Krankheitsphasen unter dem Symbol „Bett“

Neu ist der Artikel 34 der VO (EU) Nr. 165/2014, der nun Urlaubs- und Krankheitstage unter dem Symbol „Bett“ erfasst werden dürfen, was auch die Forderungen aus dem § 20 FPersV legalisiert. Klar muss sein, dass die Zeiten in der vorgeschriebenen betrieblichen Arbeitszeitaufzeichnung nach § 21a Absatz 7 ArbZG nicht als Freizeit erfasst werden dürfen, da sie nicht zur Kompensation überdurchschnittlich langer Arbeitszeiten herangezogen werden dürfen.

Aufzeichnung von Grenzüberfahrten

Ab dem 2. Februar 2022 müssen alle Fahrer von Fahrzeugen, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgestattet sind, jeden Grenzübertritt dokumentieren (vgl. Artikel 34 der VO (EU) Nr. 165/2014 neu). Dazu müssen die Fahrer den nächstmöglichen Halteplatz an oder nach einer Grenze ansteuern und dann das Symbol des Landes eingeben, in das sie gerade eingereist sind. Es wurde sogar geregelt, dass dazu die Fahrerkarte entnommen werden darf, was aber technisch nicht zwingend notwendig ist.
Wenn das Fahrzeug mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgestattet ist, muss ein handschriftlicher Vermerk auf der Tachoscheibe bereits mit Inkrafttreten der Änderungen erfolgen, also ab dem 21. August 2020.

Rückkehrpflicht des Fahrzeugs

Im Marktzugangsrecht wurde hinterlegt, dass alle für genehmigungspflichtige grenzüberschreitende Fahrten eingesetzten Fahrzeuge ein Mal binnen jeder freien Kombination von acht zusammenhängenden Kalenderwochen in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückkehren müssen. Diese Vorgabe muss ab dem 21. Februar 2022 erfüllt werden.

Neue Version des intelligenten Fahrtenschreibers ab 2023

Das Mobilitätspaket I schafft die rechtlichen Grundlagen für das Nachfolgemodell des aktuellen intelligenten Fahrtenschreibers. Bei den neuen Geräten, die etwa ab dem Sommer 2023 in Neufahrzeuge eingebaut sein müssen, handelt es sich um die Version 2 der 2. Generation digitaler Fahrtenschreiber. Diese müssen zusätzliche Ortspunkte bei jeder Grenzüberfahrt und bei jeder Be- oder Entladung speichern. Die technischen Spezifikationen werden bereits von der EU-Kommission erarbeitet und müssen zwölf bzw. 18 Monate nach Inkrafttreten des Mobilitätspaketes veröffentlicht werden.
Auch bei den Nachrüstpflichten wurden die Fristen stark verkürzt. Spätestens am 31. Dezember 2024 müssen alle grenzüberschreitend eingesetzten Fahrzeuge, die mit einem analogen oder einem digitalen Fahrtenschreiber der 1. Generation (eingebaut in Neufahrzeuge bis 14. Juni 2019) ausgestattet sind, umgerüstet worden sein auf den neuen intelligenten Fahrtenschreiber.
Auch bei Fahrzeugen, die bereits mit dem aktuellen intelligenten Fahrtenschreiber ausgerüstet sind (Version 1 der 2. Generation), müssen die Version 2 erhalten. Die Frist dafür wird im Sommer 2025 ablaufen.
Sonderregelungen im Entsenderecht in Form von ausgenommenen zusätzlichen grenzüberschreitenden Transporten bei bilateralen Beförderungen im Güterverkehr bieten ggf. einen Anreiz, die Umrüstung bereits deutlich früher umzusetzen.

Ausweitung der Mitführungspflicht auf 1 + 56 Tage

Ab dem 31. Dezember 2024 müssen bei aufzeichnungspflichtigen Fahrten Nachweise für den aktuellen Tag und die vorausgehenden 56 Kalendertage in Kontrollen ausgehändigt werden können (Änderung im Artikel 36 der VO (EU) Nr. 165/2014). Für Fahrer, die mit digitalen Fahrtenschreibern unterwegs sind, wird sich im Alltag nichts ändern, da alle Daten auf der Fahrerkarte gespeichert sind. Wenn doch noch ein Papierdokument mitgeführt werden muss, verlängert sich der Zeitraum, in dem das Dokument mitgeführt werden muss.
Da zeitgleich mit der Verlängerung die Umrüstfrist von analogen bzw. digitalen Fahrtenschreibern der 1. Generation auf intelligente Fahrtenschreiber (Version 2 der 2. Generation) abläuft, dürften nur sehr wenige Fälle eintreten, in denen sich die verlängerte Nachweispflicht im Fahreralltag negativ auswirkt. Tatsächlich negativ betroffen könnten Aushilfsfahrer sein, die den lückenlosen Nachweis über Papierdokumente herstellen.

Fahrtenschreiberpflicht ab 2.501 kg zHm ab 1. Juli 2026

In knapp sechs Jahren unterliegen auch die seit Jahren vermehrt für gewerbliche Güterbeförderungen eingesetzten leichten Nutzfahrzeuge (mit Schlafkabine) dem EU-Fahrpersonalrecht. Die Neuregelung betrifft grundsätzlich nur den grenzüberschreitenden Einsatz, wobei es für den grenzüberschreitenden Werkverkehr und die Werkverkehrskabotage mit Fahrzeugen bis 3.500 kg zHm eine Ausnahme geben wird, wenn das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers ist.

Genehmigungspflicht ab 2.501 kg zHm ab Mai 2022

Ab dem 21. Mai 2022, unterliegen alle grenzüberschreitenden Beförderungen im gewerblichen Güterkraftverkehr mit Fahrzeugen über 2,5 t zHm der Genehmigungspflicht.

Kabotage

An den Grundregeln wurde nichts geändert. Neu ist, dass infolge eines ausgereizten Kabotagepensums (max. drei Beförderungen in sieben Tagen infolge einer beladenen Einfahrt oder max. eine Beförderung binnen drei Tagen infolge einer unbeladenen Einfahrt) eine „Abkühlphasevon vier Tagen folgen muss, während im selben „Aufnahmemitgliedstaat” keine weiteren Kabotagebeförderungen erlaubt sind. Die Neuregelung gilt ab dem 21. Februar 2022

Entsendung

Die Sonderregelungen für entsendete Kraftfahrer sehen vor, dass reiner Transit und sogenannte bilaterale Beförderungen vom Entsenderegime ausgenommen sind. Bilaterale Beförderungen beginnen im Niederlassungsmitgliedstaat, führen auf direktem Weg in den Zielstaat und von dort direkt zurück in den Niederlassungsmitgliedstaat. Unter besonderen Rahmenbedingungen wird es bei bilateralen Beförderungen möglich sein, grenzüberschreitende Beiladungen zu befördern.
Im Umkehrschluss unterliegen alle Kabotagebeförderungen und grenzüberschreitende Beförderungen, die nicht bilaterale Beförderungen sind, in vollem Umfang den Entsendebestimmungen. Die Neuregelungen gelten ab dem 2. Februar 2022