Rede von Manfred Schnabel beim IHK-Jahresschlussempfang 2022


Sehr geehrte Damen und Herren,
2022 war ein sehr ereignisreiches Jahr, ein sehr herausforderndes Jahr. Ein Jahr, das viele Gewissheiten zerstört hat. Der russische Überfall auf die Ukraine markiert einen gravierenden Einschnitt.
Unser Bundeskanzler hat dafür in seiner Regierungserklärung kurz nach Kriegsbeginn den Begriff der “Zeitenwende” geprägt, über den ich heute mit Ihnen diskutieren möchte.
Verbunden wird die “Zeitenwende” mit der Forderung nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Politik unseres Landes, vor allem in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung, aber auch bei Energie und Klima, Rohstoffen, Haushalt und Steuern. 
Der Begriff Zeitenwende ist auf den ersten Blick passend und zu Recht zum Wort des Jahres gewählt worden. Das Wort rüttelt auf und zeigt, dass dramatischer Handlungsbedarf besteht. 
Beim zweiten Blick jedoch schleichen sich Zweifel ein. 
Kritisch am Begriff der “Zeitenwende” erscheint mir zweierlei: 
  1. Einerseits die Annahme, dass auf einmal alles verkehrt wäre, was bisher richtig war und gut funktionierte. 
  2. Und andererseits die mit dem Begriff verbundene Verschleierung: Der riesige Handlungsbedarf in den genannten Politikfeldern war nämlich schon vor dem Krieg vorhanden. 
Lassen Sie mich das erläutern. Beginnen möchte ich bei der Annahme, dass auf einmal alles verkehrt wäre: 
Gerade geht das böse Bonmot um, Deutschland habe
  • seine Verteidigung an die USA ausgelagert
  • seine Versorgung mit billigem Gas nach Russland ausgelagert und
  • seine Wohlstandsproduktion nach China verlagert
Diese Kritik zeichnet meines Erachtens ein Zerrbild unserer Volkswirtschaft, das einer Überprüfung nicht standhält.
Richtig ist:
  1. Wir sind eine der offensten Volkswirtschaften der Welt. Wir handeln mit der gesamten Welt und stehen mit dem allergrößten Teil der Welt in komplexen Wertschöpfungsbeziehungen. 
  2. China als bevölkerungsreichstes Land und zweitstärkste Wirtschaftsmacht spielt für unseren Wohlstand natürlich eine große Rolle. Es war richtig, dass wir uns dort engagiert haben. Und es bleibt richtig, dass wir dort engagiert bleiben!
  3. Ja, Russland war für unsere Gasversorgung zentral. Dass wir uns dadurch aber besondere Kostenvorteile erkauft hätten, ist nicht richtig. Unsere Volkswirtschaft war und ist nicht stark, weil wir ein Billig-Energieland wären, sondern wegen unserer wettbewerbsfähigen Produkte, unserer Qualität, unseren Innovationen, unseren Services und großartigen Unternehmen.
Lassen Sie mich aber auch gleich mit Blick auf russische Energie und den Warenaustausch mit China sagen: Abhängigkeiten sind gefährlich! Diese gilt es zu vermeiden. Das haben wir versäumt und zahlen dafür jetzt im Falle Russlands einen hohen Preis. 
Was wir aber nicht tun sollten ist, unser Geschäftsmodell als offene Volkswirtschaft aufgeben! 
Ich stehe weiterhin hinter dem Prinzip von “Wandel durch Handel und Annäherung”, auch wenn das im Fall Putins aktuell gescheitert ist! 
Die europäische Integration mit mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten beweist eindrucksvoll, dass dieses Prinzip richtig und gut ist. Dieses Prinzip schafft und sichert Frieden, Freiheit und Wohlstand!
Autarkie-Fantasien erteile ich eine klare Absage! Unsere erfolgreichen großen Unternehmen und die viel beschworenen Hidden Champions aus dem Mittelstand brauchen die Weltmärkte, um unseren Wohlstand zu sichern.
Das war aber noch nicht der wichtigste Grund, weshalb ich wenig von der landläufigen Interpretation der “Zeitenwende” halte.
Der wichtigste Grund lautet: In all den Politikbereichen, in denen jetzt angeblich “Zeitenwende” angesagt ist, gab es lange vor dem 24. Februar 2022 großen Handlungsbedarf!
Doch Politik und Gesellschaft haben sich dem notwendigen Strukturwandel nicht gestellt.

Inflation

Ein erstes Beispiel: Viele tun so, als wäre die Inflation Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Das stimmt so nicht, auch wenn die durch den Krieg ausgelösten Preissprünge bei der Energie die Inflation zusätzlich befeuert haben.
Doch die Inflation war schon vorher da. Ich erinnere daran, dass die Inflation bereits im Dezember 2021 bei fünf Prozent lag und die Energie war bereits damals DER Preistreiber. 
Gleichzeitig schrieb die EZB noch im Januar in Ihrem Bericht ganz dreist, dass sich die Inflation bei ihrem Zielwert von zwei Prozent einpendeln werde. Welch fatale Fehleinschätzung!
Den zu den Energiepreisen kamen schon damals die Lieferkettenprobleme, welche die Corona-Pandemie begleitet haben. 
Und vor allem war eine Politik der EZB vorausgegangen, die jahrelang die Geldmenge massiv ausgeweitet hat; vor allem, um den überschuldeten EU-Ländern das Schuldenmachen weiter zu ermöglichen. Das war der Nährboden, gleichsam der Treibstoff, der die Inflation nun befeuert. Lieferkettenprobleme und Energiepreise waren lediglich die Zündfunken.
Wir warnen seit Jahren vor den Risiken der ausufernden Staatsverschuldung in Kombination mit einer fahrlässigen EZB-Politik - beispielsweise genau an dieser Stelle vor genau vier Jahren!
Bereits in der Pandemie haben wir uns massiv gegen Konjunkturprogramme ausgesprochen, die bei Angebotsstörungen ausgerechnet die Nachfrage befeuert hat, die letztlich nur zu höheren Staatsschulden und Preisen führte.
Auch in der aktuellen Situation sind kostspielige Konjunkturprogramme der völlig falsche Weg. Sie führen nur zu einer weiteren Verknappung des Angebots, an Material, an Rohstoffen, an Arbeitskräften. Mein Appel an die Politik: Verschont uns damit!
Schont vielmehr eure Haushalte! Denn auf die öffentlichen Haushalte, gerade die der Kommunen, kommen in der allernächsten Zeit weitere Anforderungen zu.
Momentan sind die Einnahmen noch hervorragend, weil sie auf den Ergebnissen vergangener Jahre und Inflationseffekten beruhen, aber wir stehen vermutlich vor mageren Zeiten.
Deswegen geht es jetzt darum, Prioritäten zu setzen, die Haushalte zu konsolidieren und in jedem Fall Gewerbesteuererhöhungen auszuschließen. Dies würde aktuelle Abwanderungstendenzen nur noch beschleunigen. 
Nun ist bei der Geldwertstabilität der Schaden eingetreten, mit noch unklarem Schadensausmaß. Bislang ist aber leider nicht erkennbar, dass hieraus die richtigen Schlüsse gezogen würden 
So soll mit viel Geld die Verbraucher in die Lage versetzt werden, ihre stark gestiegenen Rechnungen für Strom und Gas zu begleichen. Doch das ist mehr von dem gleichen unwirksamen Medikament, das für die Krankheit ursächlich ist: Der Staat verschuldet sich weiter. Und die Nachfrage wird weiter befeuert.
Wir haben aber wie gesagt kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem! 
Entscheidend ist daher insbesondere im Energiesektor, das Angebot auszuweiten. Das muss absolute Priorität haben – gerade als Politik effektiver Inflationsbekämpfung. Daher sind auch Laufzeitverlängerungen für Atom- und Kohlekraftwerke so wichtig. Wohlgemerkt geht es hier um temporär begrenzte Verlängerungen und nicht um Neubau!
Tatsache ist: Die Energie ist Inflationstreiber Nummer Eins. Wo immer staatliches Handeln hier Dynamik rausnehmen kann, sollte es versucht werden. Das geht aber eben primär über eine Ausweitung des Angebots und eine intelligente Regulatorik. Die Subventionierung der Energiepreise kann nur die Ultima Ratio darstellen.
Wenn man die Angebotsknappheit als Kardinalproblem erkennt, erscheinen auch die hektischen Leitzinserhöhungen in einem anderen Licht: 
Genauso wenig wie die niedrigen Zinsen in der Vergangenheit unmittelbar zu Inflation geführt haben, stoppen hohe Zinsen jetzt unmittelbar die Inflation.
Alle Zinserhöhungen, die über das notwendige Maß zur Eurostabilisierung hinausgehen, sind abzulehnen. Viel effektiver wäre jetzt, Investitionen zu erleichtern, die das Angebot vergrößern. 
Wir brauchen dringend zinsvergünstigte KfW-Kredite bei Unternehmensinvestitionen, um Knappheiten zu beseitigen. 
Beim Wohnungsbau erleben wir das bereits: Geplante Bauprojekte werden aufgrund der rasanten Zins- und Preisentwicklung geschoben oder ganz eingestellt. 
Der Bedarf nach Wohnraum wird aber eher größer. Daher steigen die Mieten an, was wiederum inflationsverschärfend wirkt, so wie die drohende Lohn-Preis-Spirale.
Die Inflation muss jetzt mit allen Mitteln bekämpft werden, ansonsten drohen weitreichende wirtschaftliche und politische Verwerfungen.  
Und vor allem: Inflation ist zutiefst unsozial!
In der Wirtschaft sind die Auswirkungen schon deutlich zu spüren. 
Allerdings hatte Minister Habeck mit seinen Ausführungen bei Maischberger recht. “Wegen Preissteigerungen gehen die Unternehmen nicht zwangsläufig in Insolvenz.”
Denn es gibt vereinfacht gesprochen zwei Gruppen von Unternehmen
  1. Die einen profitieren sogar von der Krise, denn sie verfügen über Marktmacht und können Preise an den Markt weitergeben und/oder sie können den Kostensteigerungen ausweichen, in dem sie ihre Produktion ins Ausland verlagern.
  2. Die anderen leiden unter der Kostenexplosion bei Vorprodukten, Energie und Löhnen. Diese Betriebe sind in der Regel standortgebunden, klein bis mittelgroß und ohne Marktmacht.
Beide gehen nicht insolvent; die einen, weil sie kurzfristig sogar profitieren und die anderen, weil sie meist einfach den Betrieb einstellen, verkaufen oder nicht an die nächste Generation übergeben.
Diese Prozesse sind bereits im vollen Gange, erfolgen aber oftmals schleichend und heimlich. Die Folgen dieser Entwicklung werden wir daher möglicherweise erst mittel- bis langfristig bemerken, nämlich dann, wenn es zu spät ist.
Und sie sind in der Regel irreversibel. Sie werden die Gesamtwirtschaft mit ihrem eng verzweigten Netz an Liefer- und Wertschöpfungsketten belasten.
Denn letztlich kommt es für jeden Betrieb auf das gesamte wirtschaftliche Umfeld vor Ort an: mit Vorlieferanten und unternehmensnahmen Dienstleistern in IT oder im Facility-Management.
Und das geht weiter bis zu personenbezogenen Dienstleistungen: Die gut bezahlten Angestellten in der Industrie wollen ausgehen, Essen gehen, ins Kino, shoppen und und und.
Unser Standort verliert an Attraktivität, wenn wir Unternehmen in der Breite verlieren. Diese Gefahr ist real!

Ökologische Transformation

Ähnlich strukturell und langfristig wie der Themenkomplex Inflation sind die Politikbereiche ökologische Transformation und Energie. 
Die Politik überbietet sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine in Ausbauzielen für die erneuerbaren Energien. Warum? Weil man sich vorher ausschließlich mit Ausstiegszenarien beschäftigt hatte!
Raus aus der Kohle. Raus aus der Atomkraft. Rein in russisches Gas als einzige Brückentechnologie. 
Doch diese Brücke gibt es nun nicht mehr, abgerissen durch den russischen Überall auf die Ukraine. 
Das Risiko war schon vorher da, aber nun hat es sich realisiert und der Schaden ist groß!
Als IHKs der Metropolregion Rhein-Neckar haben wir die Gefahr einer mangelnden Energieversorgung schon früh gesehen und vor einem Jahr, also vor der Zeitenwende, eine Stromstudie für die Region auf den Weg gebracht.
Wir haben das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme beauftragt zu klären, wie der Strombedarf in der Zukunft aussieht und welche Potenziale für erneuerbare Energien in der Region bestehen.
Anfang Oktober konnten wir die Studie der Öffentlichkeit mit folgenden wichtigen Ergebnissen vorstellen:
  1. Der Strombedarf wird bis 2045 stark ansteigen. Eine Folge der Dekarbonisierung, die immer mit Elektrifizierung verbunden ist.
  2. Der Ausbau der Erneuerbaren in der Region muss daher rasch und dauerhaft Fahrt aufnehmen.
  3. Und auch wenn wir die realistischen Potenziale weitgehend ausschöpfen, werden wir auf Stromimporte und damit ein leistungsfähiges Leitungsnetz angewiesen sein. Autarkiefantasien sind pure Illusion.
Übrigens: Fraunhofer zeigt ganz deutlich, dass wir für diesen Ausbau in jedem Fall die im European Green Deal veranschlagten rund zwei Jahrzehnte benötigen. Frühere Zeitvorstellungen sind völlig unrealistisch.
Für die Wirtschaft in der Region birgt unsere Studie Sprengstoff. 
Sollte es zu verschiedenen Strompreiszonen in Deutschland kommen, drohen uns massive Nachteile, da wir weit weg sind von der günstigen Offshore-Windkraft im Norden. 
Energieintensive Wertschöpfung könnte dann nach Norddeutschland oder ins Ausland abwandern.
Was sind nun bei uns in der Region die Potenziale? Fraunhofer ISE hat festgestellt, dass es vor allem auf die Photovoltaik bei uns ankommt, wenn wir bei den Erneuerbaren zulegen wollen. 
Die Politik muss hier priorisieren und bei Zielkonflikten klare Entscheidungen treffen. 
Ein Beispiel: Vor die Wahl gestellt, zwischen Dachbegrünung und Photovoltaik, müssen die Weichen klar auf Energieerzeugung gestellt werden. 
Bebauungspläne müssen ggf. angepasst werden, um grüne Energie kostengünstig erzeugen zu können. Kostspielige, zeit- und ressourcenintensive Experimente können wir uns nicht leisten.
Um in den Landkreisen den Ausbau der noch wichtigeren Freiflächenphotovoltaik zu beschleunigen, brauchen wir einen fairen Interessensausgleich zwischen Stadt und Land hinsichtlich Entwicklungsflächen und Strukturmitteln. 
Denn das Potenzial für Erneuerbare ist – wenig verwunderlich – in den ländlichen Räumen viel größer als in den urbanen Zentren.
In einer neuen Form der Zusammenarbeit liegt dabei für alle Teilregionen ein riesiges Potenzial. 
Was uns dagegen wenig weiterbringt, sind kommunale Alleingänge. Lassen Sie uns vielmehr den notwendigen regionalen Schulterschluss wagen! 
Als Wirtschaft unterstützen wir diesen Prozess nach Kräften. 
Flächen brauchen wir aber nicht nur für den Ausbau erneuerbarer Energien, sondern auch für die Betriebe: 
  • Bestehende Betriebe müssen sich weiterentwickeln können.
  • Neue Betriebe müssen sich ansiedeln können.
Dabei sollten bereits im Regionalplan ausgewiesene Gewerbeflächen keinesfalls erneut zur Diskussion stehen. Das erleben wir gerade in Heidelberg an einigen Stellen. Bei solchen Flächen handelt es sich häufig bereits um einen mühsam ausgehandelten Kompromiss, der keinesfalls in Frage gestellt werden darf!
Darüber hinaus müssen Städte und Gemeinden auch neue Gewerbeflächen ausweisen können. 
Gleichzeitig muss aber auch das Recycling und die Reaktivierung brachliegender Gewerbeflächen beherzter angegangen werden. 
Fehlenden Konsens in zentralen Fragen erleben wir auch anderer Stelle: bei der Mobilität. 
Ohne Wirtschaftsverkehr gibt es keine Wirtschaft! Und ohne Wirtschaft keinen Wohlstand! 
Die Forderung, den Wirtschaftsverkehr zu reduzieren, läuft also völlig ins Leere, weil sich dieser ausschließlich an der Effizienz orientiert. 
Niemand fährt, anders als bei Privatfahrten, sinnlos Güter durch die Gegend. Unnötige Verkehrsbelastung gibt es nur, wenn mangelhafte Verkehrsinfrastruktur dies erzwingt.
Dazu zählt auch, dass im Kernraum der Metropolregion der rheinquerende Verkehr nach wie vor durch die beiden großen Städte geführt wird. Es fehlt an der von uns seit Ewigkeiten geforderten dritten Rheinquerung als Umfahrung. Dann wäre die Sperrung einzelner Straßen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs gar nicht notwendig, wie beim Verkehrsversuch.
Diese Engpässe beim rheinquerenden Verkehr waren die Triebfeder für die Gründung des Mobilitätspakts Rhein-Neckar. 
Als Mitunterzeichner beteiligen wir uns, gemeinsam mit unseren Pfälzer Kollegen, sehr gerne daran. 
Die Partner des Mobilitätspakts haben sich auf einen Zehn-Punkte-Plan geeinigt, wobei wir IHKs die Themen Güter- und Pendlerverkehr übernommen haben.
Dabei bringen wir Unternehmen aus der Metropolregion Rhein-Neckar zusammen, die für insgesamt mehr als 100.000 Beschäftigte stehen. Sie arbeiten an pragmatischen Lösungsansätzen, um in beiden Bereichen voranzukommen.
Über der Vielzahl an Projekten darf der Mobilitätspakt allerdings nicht das größte Verkehrsrisiko aus den Augen verlieren:
Uns beschäftigt sehr, dass die Hochstraße Nord gesperrt werden könnte, bevor die Hochstraße Süd fertiggestellt ist. Dann droht uns der totale Kollaps – und zwar nicht nur in Ludwigshafen, sondern im kompletten Kernraum der Metropolregion. Diese reale Gefahr wird häufig übersehen. 
Wie eng wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Verkehrsinfrastruktur zusammenhängen, haben die ungeplanten Ausfälle an Tunnel-, Brücken- und Straßenkapazitäten in der jüngeren Vergangenheit gezeigt.
Obwohl wir alle die Transformation zur emissionsfreien Mobilität fördern, geht es beim Mobilitätspakt primär um die Verbesserung der dringend notwendigen Mobilität in der Region
Für die Mobilitätswende brauchen wir intelligente technologische Lösungen und Innovationen, keine Verbote und Einschränkungen.
Um innovative Lösungen und pragmatische Ansätze in der ökologischen Transformation geht es auch bei unserem KEFF-Projekt. 
Damit unterstützen wir unsere Mitgliedsunternehmen, ihre Energieeffizienz zu verbessern. In den vergangenen Jahren haben über 500 Betriebe dieses kostenfreie Angebot genutzt. 
Dieses Angebot haben wir nun um Materialeffizienzchecks erweitert. Ich kann Sie nur ermutigen, unser Angebot zu nutzen. Sie finden einen entsprechenden Gutschein auf Ihren Sitzen. 
Konkrete Lösungen für konkrete Probleme zu erarbeiten, darum geht es. 
Ich kann nachvollziehen, dass in Teilen der Jugend die ökologische Transformation zu langsam voranschreitet. Ich verstehe die Ungeduld, ich verstehe auch die Enttäuschung darüber, dass wir als Gesellschaft bei der Klimaneutralität nicht schon weiter sind.
Ich verstehe aber nicht, weshalb Gruppen wie die sogenannte “Letzte Generation” auf eine Form der politischen Nötigung setzen, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Und so ist es nur folgerichtig, dass die Staatsanwaltschaft nun entsprechend einschreitet.  
Vielmehr möchte ich die Jugend einladen und motivieren, konkret am technologischen Wandel und an zukunftsorientierten Lösungen mitzuarbeiten. 
  1. Beteiligt euch an der ökologischen Transformation: Richtet Eure Bildung zukunftsweisend aus, sei es als Ingenieur oder mit einem gewerblich-technischen Beruf. 
  2. Euer Blick ist mir zu pessimistisch. Es wird neue technologische Lösungen geben, die wir heute noch gar nicht erahnen können. 
  3. Und redet unsere großartige Wirtschaft nicht schlecht, denn übertrieben vorgetragene Warnungen können zur Self-Fullfilig-prophecy werden und unserer Gesellschaft großen Schaden zufügen.
Ich höre so viel von “Wohlstandsverzicht” und “Post-Wachstumsgesellschaft”. Damit, das sage ich mit voller Überzeugung, werden wir dem Klimawandel nicht ernsthaft begegnen können!
Ganz im Gegenteil: Wir brauchen Wachstum, und zwar nachhaltiges Wachstum, das aus Innovationen hervorgeht und das Innovationen hervorbringt. Innovationen, mit denen wir unsere Wirtschaft, unseren Konsum, unsere Produktion klimaneutral gestalten können und damit unseren Wohlstand erhalten.
Nur wenn wir die ökologische Transformation auch zu einem ökonomischen Erfolg führen, leisten wir einen ernsthaften Beitrag in zur Bewältigung der Klimakrise. Denn nur dann werden andere Länder unserem Vorbild folgen und nur dann haben wir eine Chance, den weltweiten Klimawandel zu stoppen.

Fachkräftemangel

Ich möchte noch auf eine weitere strukturelle Herausforderung eingehen, die für die Wirtschaft essenziell ist: den Fachkräftemangel; beziehungsweise den Kräftemangel, denn wir haben keineswegs nur ein Fachkräfteproblem. Wir brauchen jeden Arbeitnehmer! Auch und gerade für einfache Tätigkeiten.
Der intensiv diskutierte demografische Wandel ist in diesem Kontext unbestritten das größte Problem, aber bei der Alterung der Gesellschaft stehen wir erst am Anfang. Denn das dicke Ende kommt erst noch, wenn die “Boomer” jetzt nach und nach in Rente gehen.  
Dazu kommen aber noch viele weitere “hausgemachte” Probleme wie beispielsweise die geradezu absurde Rente mit 63.
Aktuell wird in der öffentlichen Debatte hauptsächlich die Einwanderung als Lösungsansatz diskutiert. Einwanderung in den Arbeitsmarkt kann einen Lösungsbeitrag bringen, aber es wäre falsch, sich allein darauf zu konzentrieren.
Wie eine kürzlich vom DIHK vorgestellte Studie zeigt, wird dabei häufig vergessen, dass wir bereits in den letzten Jahren eine Nettozuwanderung von ca. 400.000 Menschen hatten, die allerdings nur zum kleineren Teil in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. 
Wollen wir zusätzliche 300.000 Menschen für den Arbeitsmarkt generieren, muss der Familiennachzug im Verhältnis 1:1 mit bedacht werden, sodass wir jährlich rund eine Million Menschen integrieren müssten; ohne die Sondereffekte, die mit dem Krieg in der Ukraine verbunden sind zu berücksichtigen.
Wie das mit der bereits jetzt bestehenden Wohnungsnot und dem vorhin beschriebenen “Baustopp” wegen steigender Zinsen und Baukosten in Einklang zu bringen ist, bleibt mir ein Rätsel.
Wir sollten daher die Bekämpfung des Fachkräftemangels nicht auf die Zuwanderung verengen. Einwanderung wird nur einer von vielen Bausteinen zur Lösung des Problems sein.
Weitere Bausteine sind:
  1. Die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters.
  2. Die Anpassung der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit an die längere Lebenserwartung
  3. Erhöhung der Quote von Voll- und Teilzeitbeschäftigten
  4. Bessere Kinderbetreuung, sodass insbesondere Frauen eine bessere Chance der Erwerbsbeteiligung haben
Ein weiterer wichtiger Baustein zur Bewältigung des Fachkräftemangels ist die Stärkung der beruflichen Bildung. 
Unser Ausbildungssystem ist in der Region weiterhin stark aufgestellt. Allerdings haben die Corona-Maßnahmen Spuren hinterlassen, sodass wir immer noch den Zahlen vor der Pandemie hinterherlaufen.
Dabei mangelt es nicht an Ausbildungsplätzen, sondern an qualifizierten Bewerbern, insbesondere in gewerblich-technischen Berufen.
Jetzt geht es darum, die berufliche Bildung zukunftsfest aufzustellen. Unter breiter Beteiligung unserer ausbildenden Unternehmen haben wir dazu Positionen entwickelt. Diese werden wir jetzt in die öffentliche Diskussion einbringen und an der Umsetzung arbeiten.

Pandemie

Heute ist der erste Jahresschlussempfang nach der Pandemie.
Auch wenn wir uns heute wieder wie gewohnt treffen, dürfen wir darüber nicht vergessen, dass die Folgen der Pandemie noch immer virulent sind. 
Viele Corona-geschädigte Unternehmen sind angeschlagen ins neue Jahr gestartet. Durch die Hilfen hatten sie sich über Wasser gehalten, aber viele haben unter den staatlich auferlegten Sonderopfern sehr gelitten.
In der Rückschau zeigt sich: 
  • Die Pandemie ist letztlich durch technologischem Fortschritt besiegt worden, nämlich vor allem mit neuartigen Impfstoffen und Heilverfahren. 
  • Shutdowns und übertriebene Isolationsmaßnahmen waren nur so lange zu vertreten, wie diese Technologien nicht zur Verfügung standen. NULL COVID war ein absoluter Flopp!
Vielen Unkenrufen zum Trotz haben die freien, offenen und demokratischen Gesellschaften die Pandemie besser bewältigt als autokratische Systeme wie in China. Und das ist doch ein großer Erfolg, oder?
Wir mittelständische Unternehmer sind ein wichtiger Teil dieser offenen und freiheitlichen Gesellschaft. Wir brauchen die offene und freiheitliche Gesellschaft. 
Aber auch umgekehrt wird ein Schuh draus. Mit unseren Produkten und Dienstleistungen dienen wir dieser Gesellschaft und sind oft – siehe Impfstoffe – wichtige “Problemlöser“. 
In der veröffentlichten Meinung indes werden wir allzu oft als Problemverursacher dargestellt. Das ist falsch! 
Daher mein Appell heute Abend an Politik, Verwaltung, Medien und die Öffentlichkeit: 
Wir Unternehmer vertrauen in diese freiheitliche Gesellschaft. 
Diese Gesellschaft sollte uns ebenfalls Vertrauen entgegenbringen!

Fazit

Zusammenfassend und abschließend sollte uns die Zeitenwende zu Folgendem mahnen:
  1. Lange bekannte strukturelle Herausforderungen müssen nun endlich beherzt angepackt werden: Energieversorgung, demografischer Wandel, Fachkräftesicherung, ökologische Transformation, digitale Transformation, Solidität der Staatsfinanzen und vor allem die Stabilität unserer Währung. Wir erwarten von der Politik, dem kurzsichtigen Blick auf Wählerstimmen zu widerstehen und für nachhaltige Lösungen zu sorgen.
  2. Dabei sollten wir an unseren Werten festhalten und an den Prinzipien, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft stark gemacht haben. Wir müssen die soziale Marktwirtschaft weiterentwickeln, unseren Wohlstand sichern und die Ökologische Transformation auch zu einem Ökonomischen Erfolg machen. Denn nur dann haben wir die Chance als Vorbild in der Welt wahrgenommen zu werden und einen Beitrag für das Klima und den Frieden in der Welt zu leisten.
Wir als IHK werden unseren Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen leisten. 
An unsere Unternehmerinnen und Unternehmer möchte ich appellieren, unsere Selbstverwaltung der Wirtschaft weiterhin tatkräftig zu unterstützen, damit wir uns als starke Stimme der Wirtschaft mit klugen Lösungen für Sie einsetzen können.
Liebe Gäste, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, bei diesem nicht immer leichten Stoff, ich weiß!
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich eine besinnliche Adventszeit, dann ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest sowie einen erfolgreichen und gesunden Start in das Jahr 2023!

Bildergalerie

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