IHK stellt 4. Corona-Positionspapier vor

Mannheim, 14. Juli 2020. Die Wirtschaft der Region läuft noch verhalten. In ihrem vierten Positionspapier nennt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar für die wichtigsten Handlungsfelder Ansätze, um der Wirtschaft mehr Schwung zu verleihen.

Shutdown und Reopening

Ein Teil der Unternehmen hat schon wieder Fahrt aufgenommen, ein Teil leidet weiterhin unter Corona-bedingten Einschränkungen, bei einem anderen ist der Geschäftsbetrieb noch untersagt. “Die getroffenen Maßnahmen und Regeln zum Infektionsschutz sind nun fortlaufend zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei sollte das Prinzip der Eigenverantwortung handlungsleitend sein, immer unter der Voraussetzung, dass der Gesundheitsschutz gewahrt bleibt. Ziel ist es, dass möglichst viele Unternehmen bald zu alter Stärke zurückfinden und geschlossene Betriebe eine Öffnungsperspektive erhalten“, sagt IHK-Präsident Manfred Schnabel.

Hilfsprogramme

Das mittlerweile etablierte System an Hilfsprogrammen ist insgesamt zu begrüßen, allerdings erkennt die Wirtschaft der Region auch Schwachstellen. “Sinnvoll wäre ein flexibles und gesamthaftes Fördersystem, das bestehende Lücken schließt“, schlägt der IHK-Präsident vor. Solch ein Fördersystem sollte von der Corona-Krise im gesamten Jahr betroffenen Unternehmen bis zu einem gewissen Prozentsatz bei den Fixkosten entlasten. Es müsste branchen- und betriebstypen-übergreifend sein und alle bisher schon geleisteten Hilfen einrechnen. Derzeit fallen noch zu viele Not leidende Unternehmen durch das Raster Ein Beispiel ist die Ausgestaltung der “Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“. So können ausschließlich Unternehmen die Hilfe beantragen, die in den Monaten April und Mai einen Umsatzeinbruch von mindestens 60 Prozent erlitten und gleichzeitig in den möglichen Fördermonaten Juni, Juli und August mindestens einen vierzigprozentigen Rückgang haben. “Viele Unternehmen konnten aber im April und Mai noch bestehende Aufträge abarbeiten und damit Umsätze schreiben“, warnt Schnabel. Umsatzlöcher zeigten sich oftmals erst mit zeitlichem Verzug.

Konjunkturpolitik

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung enthält viele sinnvolle und richtige Instrumente, aber auch solche, die sehr teuer sind und der Aufwand den Nutzen zu übersteigen droht. Beispiel: die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer. Sie kann zu Strohfeuern und Vorzieheffekten führen und bedeutet einen hohen Umstellungsaufwand. Des Weiteren: “Es fehlt ein entschiedener Bürokratieabbau. Und die Wirtschaft braucht jetzt ein Belastungsmoratorium. Alle Vorhaben, die das Wiederanlaufen erschweren, sollte die Politik unterlassen“, fordert Schnabel. Ein Beispiel für eine solche Maßnahme ist das geplante Verbandssanktionengesetz. “Kaum erwacht die Wirtschaft aus dem Koma, plant die Politik schon die nächsten Eingriffe. Diese kommen zur Unzeit. Wir brauchen jetzt eine Politik, die Wachstum beflügelt, nicht abwürgt.“

Haushaltspolitik

Zudem mahnt die Wirtschaft der Region, dass die öffentlichen Haushalte bald möglichst konsolidiert werden müssten, sobald es die wirtschaftliche Lage wieder erlaubt. ”Es gehören auch alle verzichtbaren Ausgaben auf den Prüfstand. Im Boom des vergangenen Jahrzehnts hat sich die Politik viele neue konsumtiven Ausgaben geleistet und Investitionen lange Zeit vernachlässigt. Diese strukturelle Schieflage ist auf Dauer nicht zu finanzieren“, sagt der IHK-Präsident. Eine klare Absage erteilt die Wirtschaft Überlegungen, Steuern und Abgaben zu erhöhen. “Das wäre prozyklisch, würde die Krise verlängern und viele Unternehmen zusätzlich belasten“, mahnt Schnabel.

Bildungspolitik

Die duale Ausbildung leidet darunter, dass sowohl Betriebe als auch Schüler zögerlich sind. Das hat zu einem Rückgang der neu eingetragenen Ausbildungsverträge im IHK-Bezirk von 18,4 Prozent geführt (Stand: Ende Juni). “Die Matchingphase wird sich länger hinziehen als gewöhnlich. Daher ist ein Aufholprozess noch möglich, aber ungewiss“, sagt Schnabel. Der IHK-Präsident begrüßt ausdrücklich die von der Bundesregierung initiierte Ausbildungsprämie und appelliert an Unternehmen und Schüler: “Halten Sie soweit es geht Ihr Ausbildungsengagement aufrecht! Bewerben Sie sich jetzt um die vielen freien Ausbildungsplätze!“
Gefordert ist die Politik zudem in der schulischen Bildungspolitik. “Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten und die Bildungsziele zu erreichen, ist mit Beginn des neuen Schuljahrs der flächendeckende Regelbetrieb in allen Schulen im vollem Umfang wieder zu gewährleisten“, sagt der IHK-Präsident. Er weist zudem darauf hin, dass die Corona-Pandemie schonungslos Defizite im Bildungssystem aufgezeigt hat. “Die Konsequenz muss lauten: Die digitale Infrastruktur an vielen Schulen muss verbessert, der Unterricht darauf angepasst, die Digitalkompetenz der Lehrkräfte verstärkt und insgesamt mehr digitale Bildungsinhalte verankert werden. Hier geht es nicht nur um die wichtigen Fachkräfte von morgen, sondern auch um die Zukunftsaussichten unserer Jugend.“