Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer

Sie haben bei der Ausschreibung alles richtig gemacht und wundern sich, dass Sie nicht zum Zuge gekommen sind? Neben inhaltlichen Formfehlern könnten aber andere Gründe, die in der Ausschreibung selbst liegen, Ursache sein. Dies auf Richtigkeit nachzuprüfen ist Aufgabe der Vergabekammer Baden-Württemberg. 

Absagegrund korrekt?

“Ihr Angebot konnte keine Berücksichtigung finden, weil es nicht das wirtschaftlichste war. Der Auftrag wird an den Bieter XY erteilt.” So oder ähnlich lautet häufig das Mitteilungsschreiben, das ein Bieter in einem Vergabeverfahren vom öffentlichen Auftraggeber bekommt.
Der Bieter ist sich allerdings sicher, dass er die Verdingungsunterlagen ordnungsgemäß ausgefüllt hat, und dass er auch preislich äußerst knapp kalkulierte, sodass andere Bieter unmöglich einen niedrigeren Preis angeboten haben können. Oder er ist der Überzeugung, dass sein Konkurrent fachlich völlig ungeeignet zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung ist. Oder er erfährt durch Zufall, dass von Anfang an ein anderer Bieter, beispielsweise der bisherige Leistungserbringer, den Auftrag erhalten sollte.

Chance für unterlegene Bieter

Es gibt die verschiedensten Gründe, aus denen ein Unternehmer zur Überzeugung gelangen kann, ungerecht behandelt zu werden oder zu Unrecht den Auftrag nicht zu erhalten. Das geeignete rechtliche Mittel, wie sich ein Unternehmen zur Wehr setzen kann, ist der Weg zur Vergabekammer.
Um vor der Vergabekammer Erfolg zu haben, ist es zunächst erforderlich, dass der voraussichtliche Auftragswert bestimmte Schwellenwerte überschreitet, die in der Vergabeverordnung festgelegt sind. Unterhalb dieser Beträge wird gerichtlich immer häufiger der Weg zu den Verwaltungsgerichten bejaht, auch können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bestehen.
Weiter muss es sich um ein Vergabeverfahren eines öffentlichen Auftraggebers handeln. Handelt es sich um einen Landkreis oder ein Ministerium, so ist dies unproblematisch, näher zu prüfen ist dies bei juristischen Personen wie etwa einer Messegesellschaft, einem Energieversorger oder einem Flughafenbetreiber.
Bekommt ein Unternehmen Zweifel daran, dass das Verfahren den gesetzlichen Vorgaben genügt, sollte es diese Zweifel deutlich gegenüber dem Auftraggeber zum Ausdruck bringen und auf die Änderung der Vorgehensweise hinwirken. Wird eine solche Rüge nicht unverzüglich, nachdem die begründeten Zweifel entstanden sind, erhoben, kann dies dazu führen, dass die Vergabekammer einen späteren Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweist.
Hilft der Auftraggeber den gerügten Punkten nicht ab, so steht nun, sofern der Zuschlag noch nicht erteilt ist, der Weg zur Vergabekammer offen. Nach der Zuschlagserteilung kann die Vergabekammer grundsätzlich nicht mehr angerufen werden.

Einleitung des Verfahrens

Um ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten, muss sich das Unternehmen nicht anwaltlich vertreten lassen. Im Nachprüfungsantrag sollte das Unternehmen möglichst genau den vermuteten Rechtsverstoß benennen und ein konkretes Begehren formulieren. Diesem geht die Vergabekammer dann nach, lässt sich hierzu die Akten des Auftraggebers vorlegen und führt üblicherweise eine mündliche Verhandlung durch. Anschließend ergeht dann, sofern sich die Beteiligten nicht anderweitig einigen, ein Beschluss, der die gleichen Wirkungen wie ein gerichtliches Urteil hat. Dieser Beschluss kann vor dem Oberlandesgericht im Wege der sofortigen Beschwerde angefochten werden, ansonsten wird er bestandskräftig und kann vollstreckt werden.
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass die Vergabekammer innerhalb von fünf Wochen ab Eingang des Antrags entscheiden muss. Dies führt gegenüber „normalen“ Gerichtsverfahren zu einer erheblichen Beschleunigung. Da nach der Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an den öffentlichen Auftraggeber der Zuschlag nicht mehr wirksam an einen Bieter erteilt werden kann, soll durch die Fünf-Wochen-Frist die zeitliche Verzögerung im Beschaffungsvorgang mit allen finanziellen Folgen möglichst gering gehalten werden.
Die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens stellt eine legitime Möglichkeit dar, auf die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften hinzuwirken, die auch genutzt werden sollte. Befürchtungen von Unternehmen, dass sie bei zukünftigen Beschaffungsvorgängen keine Aufträge mehr erhalten würden, wenn sie gegen einen Auftraggeber vorgehen, sind zwar verständlich. Wenn das Vorbringen des Bieters aber nachvollziehbar ist, dürften solche Bedenken unbegründet sein.

Unterstützung durch anwaltliche Beratung

Angesichts der komplizierten Materie des Vergaberechts ist die Hinzuziehung eines vergaberechtlich versierten Rechtsanwaltes bereits im Vorfeld eines Nachprüfungsverfahrens sinnvoll. Da sich Bieter des öfteren in ihrer persönlichen und fachlichen Integrität angetastet fühlen, wenn sie einen Auftrag nicht erhalten, kann ein Anwalt auch zu einer Versachlichung des Verfahrens vor der Vergabekammer führen, sodass das persönliche Verhältnis zwischen Bieter und Auftraggeber nicht belastet wird.
Da jedem Verfahren ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt, sind statistische Feststellungen über die Chancen eines Nachprüfungsantrags wenig aussagekräftig. Egal wie das Verfahren ausgeht, die große Chance, die das Nachprüfungsverfahren bietet, ist, Rechtsklarheit und die Gewissheit zu erhalten, dass keine willkürliche Zuschlagsentscheidung ergeht und das Gebot eines fairen, diskriminierungsfreien Wettbewerbs gewahrt wird.
Autor:
Dr. Clemens Maier
Rechtsamt, Landratsamt Rottweil
davor Vorsitzender bei der Vergabekammer Baden-Württemberg in Stuttgart

Überprüfung von Vergabeverfahren

Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer sind erst ab Erreichen von bestimmten Schwellenwerten möglich. Diese liegen bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bei 215.000 Euro sowie bei Bauaufträgen bei 5.382.000 Euro.
Die Vergabekammer Baden-Württemberg ist für alle Nachprüfungsverfahren zuständig, die öffentliche Auftraggeber mit Sitz im Land Baden-Württemberg betreffen:
Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe
76247 Karlsruhe
Telefon: 0721 926-8730
Telefax: 0721 926-3985
Für Ausschreibungen, die dem Bund zuzurechnen sind (Bundesministerien, Bundeswehr, Bundesagentur für Arbeit u. a.) sind die Vergabekammern des Bundes beim Bundeskartellamt zuständig:
Bundeskartellamt
Vergabekammern des Bundes
Kaiser-Friedrich-Straße 16
53113 Bonn
Telefax: 0228 9499–163