Die Abgrenzung zum Handwerk erklärt

Die Gewerbefreiheit gilt für jeden. Hier werden die geltenden Ausnahmen und bestehenden Beschränkungen verständlich gemacht.

Grundsatz der Gewerbefreiheit

In Deutschland gilt der Grundsatz der Gewerbefreiheit: Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind (§ 1 Abs. 1 Gewerbeordnung).
Eine Beschränkung stellt § 1 Abs. 1 der Handwerksordnung (HwO) dar. Danach ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen oder juristischen Personen gestattet (sog. Meisterprivileg).
Anlage A zur Handwerksordnung
Der Begriff "Handwerk" ist zwar gesetzlich nicht definiert, ein Anhaltspunkt ergibt sich jedoch aus § 1 Abs. 2 HwO in Verbindung mit der dort genannten Anlage A.
Die Anlage B ist unterteilt in Abschnitt 1 (zulassungsfreie Handwerke) und Abschnitt 2 (handwerksähnliche Tätigkeiten):
Anlage B Abschnitt 1
Für die zulassungsfreien Handwerke der Anlage B Abschnitt 1 gilt, dass keine Qualifikation zur Ausübung nachgewiesen werden muss. Allerdings gibt es dort weiterhin die Möglichkeit, eine Meisterprüfung freiwillig abzulegen.
Anlage B Abschnitt 2
In Anlage B Abschnitt 2 sind Gewerbe verzeichnet, die handwerksähnlich betrieben werden können. Es handelt sich um 57 Gewerbe, zu deren Ausübung keine besondere Befähigung erforderlich ist. Allerdings soll auch für Gewerbe der Anlage B Abschnitt 2 zunehmend die Möglichkeit fakultativer Meisterprüfungen geschaffen werden. Der Betrieb eines handwerksähnlichen Gewerbes wird in ein spezielles Verzeichnis bei der Handwerkskammer eingetragen.
Werbung ohne Handwerksrolleneintragung?
Zulassungspflichtige handwerkliche Leistungen erfordern eine entsprechende, besondere Qualifikation. Deshalb muss derjenige, der solche Leistungen anbietet und bewirbt, auch tatsächlich entsprechend qualifiziert und in der Handwerksrolle eingetragen sein. Andernfalls kann er von der HwK und/oder Konkurrenten, aber auch Verbraucherschutzverbänden kostenpflichtig abgemahnt werden. Ausnahmen werden in unserem Merkblatt erläutert.

Abgrenzung zu unwesentlichen Tätigkeiten

Diese sind in § 1 Abs. 2 S. 2 HwO geregelt. Mit der Definition, wann keine wesentliche Tätigkeit vorliegt, wird die bisherige Rechtsprechung zusammengefasst:
  • leicht erlernbar (in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten) § 1 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1, oder
  • nebensächlich für das Anlage A-Handwerk, § 1 Abs. 2 S. 2 Ziff. 2, oder
  • gar nicht aus einem Handwerk entstanden (wie zum Beispiel. der Offsetdruck und der Trockenbau), § 1 Abs. 2 S. 2 Ziff. 3.
Danach sind nicht alle in handwerklichen Berufsbildern aufgeführten Arbeiten von vornherein den Vorschriften der HwO zu unterwerfen, sondern nur solche, die den “Kernbereich des entsprechenden zulassungspflichtigen Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge geben”.
Arbeitsvorgänge, die aus Sicht eines in einem zulassungspflichtigen Handwerk arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen (unwesentliche Tätigkeiten), rechtfertigen demnach die Annahme eines zulassungspflichtigen handwerklichen Betriebes nicht. Dies trifft auf Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen.

Abgrenzung zur Industrie

Das Handwerk wird also verglichen mit unwesentlichen Tätigkeiten (Minderhandwerk) und industriellen Tätigkeiten.
Das Vorliegen einer handwerksmäßigen oder industriemäßigen Betriebsform wird nach dem Gesamtbild des Betriebes beurteilt. Diese Prüfung wird anhand der nachfolgenden Abgrenzungskriterien vorgenommen. Wichtig ist, dass meist keines der folgenden Merkmale allein ausreicht. Umgekehrt müssen nicht sämtliche Merkmale für das Abgrenzungsergebnis erfüllt sein.
  • Technische Betriebsausstattung
    Umfangreicher Maschineneinsatz, der für handwerkliche Arbeiten kaum noch Raum lässt, spricht für eine industrielle Betriebsweise. In einem handwerksmäßig arbeitenden Betrieb bedient sich der Handwerker primär der "Hand", dann erst der Maschinen zur Erleichterung seiner Tätigkeit und zur Unterstützung seiner Handfertigkeit.
  • Arbeitsteilung
    In einem Handwerksbetrieb ist der Meister oder ein Mitarbeiter mit einem handwerklichen Produkt typischer Weise in allen Phasen der Herstellung befasst. Für einen Industriebetrieb spricht eine weitgehende Arbeitsteilung. Soweit auch im Handwerksbetrieb eine gewisse Arbeitsteilung angebracht ist, ist deren Grad entscheidend. Ist sie bereits so weit fortgeschritten, dass der handwerklich Vorgebildete bei seiner Arbeit seine spezifischen Kenntnisse nicht mehr anwendet, sondern die Tätigkeit auch von un- oder angelernten Kräften übernommen werden kann, liegt keine handwerkliche Betätigung mehr vor.
  • Anforderungen an Betriebsinhaber/Überschaubarkeit des Betriebes
    Die persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers im handwerklich-fachlichen Bereich ist ein wichtiges Indiz für einen Handwerksbetrieb. Dem Inhaberbefähigungsprinzip wird aber auch dann noch Rechnung getragen, wenn der Betriebsinhaber trotz fehlender Mitarbeit im gewerblich-technischen Bereich nach objektiver Ausgestaltung, Struktur und Organisation des Betriebes noch den faktischen Überblick und Einwirkungsmöglichkeiten im technischen Betriebsablauf besitzt, und er so in die Lage versetzt ist, die von ihm geforderte fachliche Befähigung auch zur Geltung zu bringen.
  • Fachliche Qualifikation der Mitarbeiter
    Die Belegschaftsstruktur kann für die Abgrenzung eines Handwerksbetriebs gegenüber einem Industriebetrieb insoweit dienen, als in einem handwerksmäßig arbeitenden Unternehmen zumindest die Schlüsselpositionen von handwerklichen Fachkräften besetzt sein müssen. Von diesen Fachkräften muss der Betrieb "geprägt" werden.
  • Betriebsgröße
    Für einen Handwerksbetrieb ist kennzeichnend, dass sich die Betriebsgröße in einem Rahmen hält, der die hinreichende Kenntnis der einzelnen Aufträge und Arbeitsvorgänge durch den Betriebsinhaber ermöglicht und dem Betriebsinhaber noch ausreichend Zeit und Möglichkeiten für Planung und Anweisung, Überwachung, Kontrolle und Einwirkung im handwerklich-fachlichen Bereich verbleibt. Ist dies nicht mehr gewährleistet, so kann von einem Industriebetrieb ausgegangen werden. Zur Betriebsgröße zählen Angaben wie Zahl der Beschäftigten, räumliche Ausdehnung der Betriebsstätten, Zahl der Filialen, Arbeits- und Baustellen und deren Entfernung von einander, Jahresumsatz und investiertes Kapital.
  • Spezialisierung
    Ein eher traditionelles Abgrenzungsmerkmal, das nur mit Einschränkungen Wirkung entfaltet und abhängig ist vom jeweiligen Gewerbezweig (z. B. Nahrungsmittelgewerbe), ist der Grad der Spezialisierung im Betrieb. Für den Handwerksbetrieb spricht das Überwiegen der Einzelfertigung und der Arbeit auf Bestellung sowie das Fehlen einer Serienfertigung auf Vorrat, während für die industrielle Betriebsweise die Massenfertigung für einen anonymen Markt typisch ist.                        

Mischbetrieb

Betriebe, die sowohl handwerkliche als auch nicht-handwerkliche Tätigkeiten (z. B. Kfz-Mechanikertätigkeiten und Handel mit Kfz und Zubehör) ausüben, werden als Mischbetriebe bezeichnet.
Sie sind mit ihrem handwerklichen Betriebsteil in die Handwerksrolle einzutragen und gehören wegen der gemischten Tätigkeiten sowohl der Handwerkskammer als auch der IHK an.

Handwerklicher Nebenbetrieb

Einen Unterfall des Mischbetriebes bildet der sog. “handwerkliche Nebenbetrieb”. Wenn ein in der Hauptsache IHK-zugehöriger Betrieb (z. B. des Handels) nebenbei auch handwerkliche Tätigkeiten in mehr als unerheblichem Umfang ausüben will, muss dieser als handwerklicher Nebenbetrieb in die Handwerksrolle eingetragen werden. (Bsp.: Ein Kfz-Händler führt auch Kfz-Reparaturen für Dritte aus).
Kennzeichnend für einen Nebenbetrieb ist, dass
  • in Verbindung mit einem als Hauptunternehmen übergeordneten, anderen Betrieb
  • Waren zum Absatz an Dritte oder Leistungen für Dritte
  • handwerksmäßig hergestellt oder bewirkt werden, und zwar
  • in mehr als unerheblichem Umfang und
  • nicht im Rahmen eines Hilfsbetriebes (s. u.).
Der Nebenbetrieb muss mit einem anderen Unternehmen oder einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung verbunden sein und gegenüber diesem Unternehmensteil nur untergeordnete Bedeutung haben. Zusätzlich wird verlangt, dass der Nebenbetrieb den wirtschaftlich-unternehmerischen Zwecken des Hauptunternehmens dienen muss. Seine Leistung soll dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit und den Gewinn des Hauptbetriebes zu steigern. Fehlt der wirtschaftlich-fachliche Zusammenhang, liegt kein Nebenbetrieb vor, sondern es handelt sich um zwei verschiedene Betriebe (Beispiel Friseurbetrieb neben Gastwirtschaft).
Die Vorschriften der Handwerksordnung finden auf die betreffende Tätigkeit im Nebengewerbe nur dann keine Anwendung, wenn der Leistungsaustausch mit Dritten "in unerheblichem Umfang" ausgeübt wird. Als Maßstab für diese Unerheblichkeit legt § 3 Abs. 2 HwO fest, dass die durchschnittliche Arbeitszeit eines "Ein-Mann-Betriebes" während eines Jahres (ohne Hilfskräfte bei Vollzeiteinsatz des Betroffenen) in dem betreffenden Handwerkszweig nicht überschritten werden darf. (ca. 1664 Stunden/Jahr).
Beachten Sie: Die Begrenzung durch die Stundenzahl im Rahmen des unerheblichen Nebenbetriebes gilt nur für die zulassungspflichtigen Handwerke. Wird ein zulassungsfreies Handwerk oder ein handwerksähnliches Gewerbe der Anlage B der HwO in unerheblichem Umfang neben einem nichthandwerklichen Hauptbetrieb ausgeübt (Beispiel: Parfümerie mit Kosmetikstudio, wobei der Schwerpunkt beim Verkauf von Kosmetika liegt (Handelsumsatz: 65 Prozent, Umsatz aus der handwerksähnlichen Kosmetikertätigkeit: 35 Prozent), so ist eine Eintragung in das Verzeichnis der Handwerkskammer nicht erforderlich (weitere Beispiele: Fliesenfachgeschäft mit dem Angebot des Verlegens, Schmuck- und Uhrenhandel mit Reparaturservice bzw. eigener Herstellung; Bekleidungsgeschäft mit Schneiderei).

Hilfsbetrieb

Der Hilfsbetrieb ist ebenfalls mit einem Hauptunternehmen verbunden. Fachliche Beziehungen zwischen Haupt- und Hilfsbetrieb sind jedoch kein zwingendes Erfordernis. Wesentlicher Unterschied zum Nebenbetrieb ist, dass der Hilfsbetrieb seine Leistungen regelmäßig nicht für Dritte, sondern für das Hauptunternehmen erbringt und dass ein Leistungsaustausch mir Dritten nur in den Grenzen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 HwO stattfindet. Ein Hilfsbetrieb muss aber der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebes dienen.
Ein Hilfsbetrieb liegt demnach auch vor, wenn alternativ Leistungen für Dritte erbracht werden, wenn sie
  1. zur gebrauchsfertigen Überlassung üblich sind
  2. in unentgeltlichem Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten bestehen
  3. in entgeltlichen Pflege-, Installations-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an solchen Gegenständen bestehen, die in dem Hauptbetrieb selbst hergestellt worden sind oder für die der Hauptbetrieb als Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes gilt.
Hersteller ist nach dieser Definition, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat oder wer sich durch Anbringung seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Ferner gilt als Hersteller, wer ein Produkt zum Zwecke des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer anderen Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt oder verbringt.
Ein nicht handwerksrollenpflichtiger Hilfsbetrieb liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Beispiel vor, wenn ein Gebrauchtwagenhändler auch Kraftfahrzeuge zum Zwecke des Wiederverkaufs repariert, solange der reine Handel mit gebrauchten Fahrzeugen – die nicht repariert wurden – nach den erzielten Umsätzen überwiegt und der reine Handel dem Betrieb das Gepräge gibt.
Wie bei einem unerheblichen Nebenbetrieb ist auch in einem Hilfsbetrieb eine Meisterprüfung nicht erforderlich. Eine Handwerksrolleneintragung erübrigt sich. Anders als im unerheblichen Nebenbetrieb gibt es hier keine quantitative Beschränkung nach der Arbeitszeit.

Reisegewerbe

Grundsätzlich kann jedes handwerkliche Gewerbe auch im Reisegewerbe ausgeübt werden. Weil die Handwerksordnung nur für das stehende Gewerbe gilt, ist sie hierauf nicht anwendbar. Zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten dürfen damit im Reisegewerbe ausgeübt werden, ohne dass der Meistervorbehalt gilt. Hiervon gibt es allerdings eine gesetzliche Ausnahme für die Gesundheitshandwerke wie den Orthopädietechniker, Augenoptiker und Hörgeräteakustiker (§ 56 Abs. 1 Ziff. 1 d GewO).Diese Handwerke dürfen nicht im Reisegewerbe ausgeübt werden. Die reisegewerbliche Tätigkeit für Friseure ohne Meisterprüfung ist nach der gegenwärtigen Gesetzeslage dagegen erlaubt.
Entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung vom stehenden Gewerbe und damit der Anwendung der HwO ist allein, dass im Reisegewerbe der Gewerbetreibende seine Aufträge durch das Aufsuchen der Kunden direkt erhält. Er muss also die Initiative zur Erbringung seiner Leistungen gegenüber dem Kunden ergreifen. Bei einer telefonischen Bestellung auf eine Anzeige hin liegt also kein Reisegewerbe vor. Mit der Ausführung der Arbeiten muss dagegen nicht sofort bei Annahme der Bestellung vor Ort begonnen werden, sondern es reicht aus, wenn die bestellte Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird (so o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts). Auch vorbereitende Tätigkeiten dürfen getrennt vom eigentlichen Auftrag ausgeführt werden (z. B. Maße nehmen, Kostenvoranschläge erstellen, sonstige geringfügigen Vorarbeiten).

Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer?

Ob Sie zur Industrie- und Handelskammer (IHK) oder der Handwerkskammer (HWK) gehören zeigt Ihnen der Abgrenzungsleitfaden. Den Leitfaden geben die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern gemeinsam heraus. Er ist eine Orientierung zur Abgrenzung von Industrie, Handel und Dienstleistungen zum Handwerk.
Bei weiteren Fragen stehen Ihnen die für Sie zuständigen IHKs und HWKs sowie die Infoseiten des DIHK zur Verfügung.