Mediationsordnung
Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar hat am 12. März 2014 gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBI. I, S. 920), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2749), den Erlass der Mediationsordnung beschlossen.
Die Mediationsordnung regelt ein freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen Lösung von Wirtschaftskonflikten. Das Mediationsverfahren ist eine Alternative zu Gerichts-, Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren. Die Verfahrensparteien sollen im Mediationsverfahren mit Hilfe eines Mediators selbst eine interessengerechte Lösung ihres Konflikts finden.
Die Mediationsordnung wird inhaltlich betreut und in ihrer Anwendung gefördert von
- Der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe
- der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe,
- der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar.
Bei allen drei Institutionen besteht jeweils eine Mediationsstelle.
§ 1 Anwendungsbereich
- Parteien eines Verfahrens nach der Mediationsordnung können natürliche und/oder juristische Personen und ihre Mitarbeiter sein. An dem Verfahren können mehr als zwei Parteien beteiligt sein.
- Mindestens eine der Parteien muss Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer sein. Der Konflikt zwischen den Parteien muss in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit entstanden sein. Eingeschlossen sind innerbetriebliche Konflikte. Bei gesellschaftsrechtlichen Konflikten genügt es, wenn die Gesellschaft Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer ist.
§ 2 Mediationsstelle
Die Mediationsstelle berät die Parteien in Fragen, die ein Mediationsverfahren betreffen. Auf Wunsch hilft sie den Parteien bei der Auswahl von Mediatoren.
§ 3 Einleitung eines Mediationsverfahrens
- Das Verfahren beginnt mit dem Eingang des Antrags auf Durchführung der Mediation. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Er kann auch elektronisch gemäß § 126a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gestellt werden. Der Antrag soll Namen und Anschriften der Parteien, eine kurze Sachverhaltsdarstellung und Kopien aller für den Sachverhalt relevanten Unterlagen enthalten.
- Die Mediationsstelle sendet der anderen Partei den Mediationsantrag und die Mediationsordnung zu. Sie fordert die andere Partei auf, gegenüber der Mediationsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Mediationsantrags schriftlich zu erklären, ob sie einem Mediationsverfahren nach dieser Mediationsordnung zustimmt. Stimmt sie zu, dann soll sie gegenüber der Mediationsstelle den Sachverhalt aus ihrer Sicht kurz schriftlich darstellen. Das Verfahren ist bis zu diesem Zeitpunkt kostenfrei. Erklärt die andere Partei die Zustimmung zum Mediationsverfahren, soll dies als Aufnahme von Verhandlungen gemäß § 203 des BGB gelten.
§ 4 Ernennung des Mediators
- Die Mediationsstelle hilft den Parteien bei der Auswahl des Mediators. Die Parteien können einen oder mehrere Mediatoren ernennen. Die Mediationsstelle muss die Ernennung des Mediators bestätigen. Sie bestätigt die Ernennung, wenn der Mediator die Voraussetzungen als zertifizierter Mediator im Sinne von § 5 Absatz 2 Mediationsgesetz in der Fassung vom 21. Juli 2012 erfüllt. Konnten sich die Parteien innerhalb von vier Wochen ab Eingang der Kostenpauschale bei der Mediationsstelle nicht auf einen Mediator einigen, endet das Verfahren. Ein Anspruch auf Rückerstattung der Kostenpauschale besteht nicht.
- Die Parteien und der Mediator schließen eine Mediationsvereinbarung. Sie sollen hierzu die von der Mediationsstelle empfohlene Vereinbarung verwenden. Der Mediator schickt ein von allen Parteien unterschriebenes Exemplar an die Mediationsstelle. Er kann dieses von der vorherigen Zahlung eines Vorschusses auf sein Honorar gemäß § 10 Absatz 4 abhängig machen.
- Die Parteien können den Mediator jederzeit einvernehmlich entlassen und einen anderen Mediator ernennen. Eine bereits erbrachte Leistung des Mediators ist gemäß § 10 Absatz 3 zu vergüten.
§ 5 Neutralität des Mediators
- Mediator kann nur sein, wer die Parteien vor Beginn des Verfahrens noch nicht in Bezug auf den dem Mediationsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt beraten oder vertreten hat. Mediator kann auch nur sein, wer mit den Parteien nicht in geschäftlicher Verbindung steht. Der Mediator muss allparteilich und verschwiegen sein.
- Der Mediator darf die Parteien während des Verfahrens nicht beraten oder vertreten. Nach Beendigung des Verfahrens darf der Mediator die Parteien nicht in Bezug auf den dem Mediationsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt beraten oder vertreten.
§ 6 Vertraulichkeit
1. Die Parteien, der Mediator und die Mediationsstelle behandeln die Durchführung der Mediation vertraulich. Das gilt für alle in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Informationen. Die Parteien verwenden die Informationen nur für das Verfahren. Nach Beendigung des Verfahrens geben sie erhaltene Informationen zurück, vernichten sie oder verwahren sie so sicher auf, dass sie Dritten nicht zugänglich sind. Das gilt auch für während des Verfahrens gemachte Aufzeichnungen. Als sicher gilt eine Verwahrung durch eine der Schweigepflicht auf Grund ihres Berufes unterliegende Person. Ausnahmen hiervon können schriftlich vereinbart werden.
Von dem Vertraulichkeitsgebot sind insbesondere auch erfasst:
- Alle im Mediationsverfahren geäußerten Vorschläge und Ansichten der anderen Partei in Bezug auf eine mögliche Beilegung des Konflikts,
- alle erfolgten Eingeständnisse der anderen Partei im Laufe des Mediationsverfahrens,
- die Vorschläge des Mediators oder
- die verhandelten Vergleichsangebote.
Diese dem Vertraulichkeitsgebot unterliegenden Umstände dürfen nicht in ein Gerichts- oder Schiedsverfahren eingeführt werden bzw. keine Partei darf sich darauf berufen, gleichgültig, ob sich das Verfahren auf den Gegenstand des Mediationsverfahrens bezieht oder nicht.
2. Zu Beginn des Mediationsverfahrens klärt der Mediator darüber auf, ob er von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen kann.
Soweit der Mediator von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, wird er in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsverfahren von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, es sei denn, beide Parteien entbinden ihn von seiner Schweigepflicht.
Ist der Mediator von Berufs wegen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, wird er zu Beginn des Mediationsverfahrens darauf hinwirken, dass die Parteien vertraglich verein-baren, den Mediator in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, von denen er nur durch das Mediationsverfahren Kenntnis erlangt hat. Die Mediationsstelle weist darauf hin, dass ein solcher Prozessvertrag die Vernehmung des Mediators von Amts wegen nicht verhindern kann.
3. Sollen im Einvernehmen aller Beteiligten Dritte in das Mediationsverfahren einbezogen werden, die nicht von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sind sie ebenfalls zur Vertraulichkeit zu verpflichten. Der Mediator wird darauf hinwirken, dass die Parteien vertraglich vereinbaren, den Dritten in etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, von denen er nur durch das Mediationsverfahren Kenntnis erlangt hat. Die Mediationsstelle weist darauf hin, dass ein solcher Prozessvertrag die Vernehmung des Dritten von Amts wegen nicht verhindern kann.
§ 7 Mediationsablauf und Aufgabe des Mediators
1. Der Mediator ist ab seiner Ernennung für den Ablauf der Mediation verantwortlich. Der Mediator sorgt insbesondere für eine zügige Festsetzung von Sitzungsterminen. Die Parteien haben hieran mitzuwirken. In einem ersten Termin sollen insbesondere besprochen werden:
- Ablauf einer Mediation,
- Aufgaben von Mediator, Parteien und Rechtsanwälten der Parteien in einer Mediation und
- der streitige Sachverhalt aus der Sicht der Parteien.
Der Mediator erstellt in Absprache mit den Parteien einen Zeitplan für die Mediation.
2. Die Parteien nehmen an den Sitzungen persönlich teil. Juristische Personen werden durch eine natürliche Person vertreten, die mit dem Sachverhalt vertraut und zum Abschluss von verfahrensbeendenden Vereinbarungen berechtigt ist.
3. Der Mediator leitet die Sitzungen und achtet auf die Einhaltung der Verfahrensregeln. Er achtet insbesondere darauf, dass die Parteien ausreichend Gelegenheit haben, den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzustellen, ihren Standpunkt und ihre Interessenlage dar-zulegen und Ideen zur Lösung ihres Konflikts zu entwickeln. Der Mediator sorgt für eine an den Interessen der Parteien ausgerichtete, lösungsorientierte und offene Verhandlungsführung. Er kann anregen, dass weitere Informationen offengelegt werden. Bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts können auch über den eigentlichen Sachverhalt hinausgehende Lösungen in Betracht kommen.
4. Der Mediator fördert die Aufklärung des Sachverhalts und seine einvernehmliche Lösung in jedem Stadium des Verfahrens. Die Parteien können sich in jedem Stadium des Verfahrens durch Rechtsanwälte beraten lassen. Die Parteien können Rechtsanwälte zu dem Mediationsverfahren hinzuziehen, wenn sie dies rechtzeitig vor der nächsten Sitzung ankündigen. Der Mediator berät die Parteien nicht in rechtlicher Hinsicht.
5. Auf Wunsch der Parteien kann der Mediator einen Rechtsgutachter oder sonstige Sachverständige hinzuziehen. Die Kosten hierfür tragen die Parteien zu gleichen Teilen. Die Parteien können schriftlich eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen.
§ 8 Beendigung des Mediationsverfahrens
1. Das Verfahren endet, wenn
- die Parteien eine den Konflikt beendende Vereinbarung abgeschlossen haben, oder
- die Parteien eine den Konflikt teilweise beendende Vereinbarung abgeschlossen haben und das Verfahren im Hinblick auf den verbleibenden Teil nicht fortsetzen wollen, oder
- eine Partei oder der Mediator den anderen Verfahrensbeteiligten schriftlich mitteilt, dass sie/er das Verfahren für gescheitert hält
und dies der Mediationsstelle schriftlich mitgeteilt wurde.
2. Die Parteien sollten eine den Konflikt beendende Vereinbarung vor Abschluss rechtlich überprüfen lassen. Die rechtliche Prüfung der Vereinbarung gehört nicht zu den Aufgaben des Mediators.
3. Der Mediator erstellt ein Ergebnisprotokoll über den Ausgang des Verfahrens, welches die Parteien unterzeichnen. Eine darüber hinausgehende Protokollierung erfolgt nur, wenn die Parteien dies mit dem Mediator vereinbart haben. Die Parteien verpflichten sich, das Ergebnisprotokoll nicht an Dritte weiterzugeben oder ihnen zugänglich zu machen. Sie können schriftlich eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen.
4. Der Mediator kann auf Wunsch der Parteien auf einen vollstreckungsfähigen Titel hinwirken, beispielsweise im Wege einer Protokollierung der Vereinbarung durch eine Gütestelle gemäß § 794 Abs. 1 Ziff. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs gemäß § 796 a ZPO oder einer notariellen Vollstreckbarerklärung gemäß § 794 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO.
5. Die Art der Beendigung des Verfahrens hat keine Auswirkung auf die Ansprüche der Mediationsstelle und des Mediators gemäß § 10.
§ 9 Gerichtsverfahren
Die Parteien sorgen dafür, dass laufende Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, denen derselbe Sachverhalt wie dem Mediationsverfahren zugrunde liegt, für die Dauer des Mediationsverfahrens ruhen. Sie sollen vereinbaren, dass für die Dauer des Mediationsverfahrens keine Klagen bei einem Gericht oder Schiedsgericht erhoben werden, denen derselbe Sachverhalt wie dem Mediationsverfahren zugrunde liegt. Das gilt nicht für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Über geplante oder bereits laufende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes soll in einer kurzfristig stattfindenden Mediationssitzung beraten werden.
§ 10 Kosten
1. Die Mediationsstelle kann für ihre Tätigkeit unter Berücksichtigung des Streitwertes und des für sie zu erwartenden Aufwandes eine Kostenpauschale in Höhe von 50,00 bis 500,00 Euro erheben, zuzüglich Umsatzsteuer, falls diese anfällt. Darüber hinaus hat sie gegen die Parteien einen Anspruch auf Ersatz von notwendigen Auslagen, gegebenen-falls zuzüglich Umsatzsteuer. Die Parteien zahlen die Kostenpauschale und die notwendigen Auslagen zu gleichen Teilen. Sie können im Innenverhältnis eine davon abweichende Vereinbarung treffen. Sie haften gegenüber der Mediationsstelle als Gesamtschuldner.
2. Haben die Parteien einem Mediationsverfahren zugestimmt, fordert die Mediationsstelle sie zu gleichen Teilen zur Zahlung der Kostenpauschale nach § 10 Abs. 1 auf. Die Kostenpauschale ist innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung zu zahlen.
3. Jeder Mediator erhält ein Zeithonorar je Stunde nach folgender Staffel, zuzüglich Umsatzsteuer, falls diese anfällt:
Streitwert | Mediationskosten pro Stunde |
---|---|
bis 25.000,00 Euro | 200,00 Euro |
über 25.000,00 Euro bis 100.000,00 Euro | 250,00 Euro |
über 100.000,00 Euro | 300,00 Euro |
Der Mediator hat neben dem Zeithonorar gegen die Parteien einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen, zuzüglich Umsatzsteuer, falls diese anfällt.
Die Parteien zahlen das Honorar und die notwendigen Auslagen zu gleichen Teilen. Die Parteien können im Innenverhältnis eine davon abweichende Vereinbarung treffen. Sie haften gegenüber dem Mediator als Gesamtschuldner.
4. Der Mediator kann seine Tätigkeit zu jeder Zeit von der Zahlung eines durch beide Parteien zu leistenden angemessenen Vorschusses abhängig machen. Die Zahlungen sind direkt an den Mediator zu leisten.
5. Die Parteien tragen die ihnen während des Mediationsverfahrens entstehenden Kosten einschließlich der Kosten für eine anwaltliche Vertretung selbst. Ein späterer Kostenausgleich auf Grund gerichtlicher Entscheidung oder vertraglicher Vereinbarung wird dadurch nicht ausgeschlossen.
§ 11 Haftungsbeschränkung
- Die Mediationsstelle haftet nicht für das Verhalten des von ihr vermittelten Mediators. Die Haftung der Mediationsstelle, ihrer Organe und Mitarbeiter ist außer in den Fällen der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder, soweit vertragliche Beziehungen bestehen, der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
- Die Haftung des Mediators richtet sich nach der mit dem Mediator getroffenen Mediationsvereinbarung.
§ 12 Übergangsregelung
Abweichend von § 4 Abs. 1 muss der Mediator bis zum Inkrafttreten der Verordnung im Sinne von § 6 Mediationsgesetz über eine geeignete Ausbildung nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Mediationsgesetz verfügen. Er hat der Geschäftsstelle auf Anforderung die entsprechenden Nachweise zu liefern.
§ 13 Inkrafttreten
Diese Verfahrensordnung wurde vom Gesamtvorstand der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe in seiner Sitzung am 14. August 2013 beschlossen.
Diese Verfahrensordnung wurde am 10. März 2014 von der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe beschlossen.
Diese Verfahrensordnung wurde am 12. März 2014 von der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar beschlossen.
Diese Verfahrensordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Mitteilungsblatt der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar in Kraft.
Mannheim, 12. März 2014
Dr. Gerhard Vogel, IHK-Präsident
Dr. Axel Nitschke, Hauptgeschäftsführer