Wiederaufbaufonds – Geschäftschancen für Unternehmen
Anfang Juni hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Warschau die grundsätzliche Freigabe der EU-Gelder für Polen aus dem europäischen Wiederaufbaufonds in Höhe von 36 Milliarden Euro angekündigt. Voraussetzung ist allerdings, dass die durch die umstrittene Justizreform in Gefahr geratene Rechtsstaatlichkeit wieder hergestellt wird.
Auszahlung der Gelder in Etappen
Die polnische Regierung und die EU-Kommission haben dafür Meilensteine für eine etappenweise Auszahlung der Fördermittel definiert. Die erste Tranche über 4,2 Milliarden Euro wird voraussichtlich Ende des Jahres ausgezahlt.
Einige Projekte aus dem Wiederaufbauplan sind bereits ausgeschrieben und werden vom staatlichen Entwicklungsfonds PFR vorfinanziert. Der Schwerpunkt der Investitionen liegt auf der Transformation des Energiesektors, konkret im Ausbau der Onshore- und Offshore-Windkraft, in der energetischen Sanierung von Gebäuden und in nachhaltiger Mobilität.
Erneuerbare Energie im Fokus
In den Ausbau von Offshore-Windparks sollen voraussichtlich 3,2 Milliarden Euro fließen. Dafür sollen die polnischen Ostseehäfen Gdynia, Ustka und Łeba mit 437 Millionen Euro modernisiert werden.
Die Kapazität von Onshore-Windparks und Photovoltaikanlagen soll bis Mitte 2026 von heute 18 auf 23,5 Gigawatt (GW) erhöht werden. Allerdings ist das polnische Stromnetz veraltet; hohe Ausfallzeiten sind die Folge. Für Ausbau und Modernisierung des Stromnetzes sind deshalb 300 Millionen Euro geplant. Daraus ergeben sich gute Geschäftschancen für deutsche Anbieter von innovativer Spannungstechnik.
Mittelfristig soll auch Wasserstoff eine entscheide Rolle spielen. Für dessen Herstellung, Speicherung, Übertragung und Verwendung sind weitere 800 Millionen Euro aus dem Fonds vorgesehen. Produktions-, Transport- und Nutzungskonzepte sind noch unklar.
Gelder für Schiene, Bus und Tram
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau des Schienennetzes. Rund 5 Milliarden Euro sollen in das nationale Flaggschiff-Projekt Großflughafen CPK fließen. Konkret ist der Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zischen Lodz und Warschau geplant sowie ein acht Kilometer langer Tunnel um Warschau.
Auch nachhaltige Verkehrsmittel sollen aus dem Wiederaufbaufonds finanziert werden. Geplant ist der Kauf von 1.738 Bussen, 110 Straßenbahnen sowie insgesamt 100 Regional- und Fernzügen.
PKP Intercity hat bereits 38 Doppelstock-Züge ausgeschrieben. Unter den Bewerbern sind Siemens und Alstom. Aktuell läuft eine Ausschreibung des regionalen Schienenverkehrsunternehmens Polregio über 200 elektrische Züge.
Deutsche Unternehmen können mitmischen
Die Förderung eröffnet vielfältige Geschäftschancen für deutsche Technologie. Im Bereich der Gebäudesanierung sind zum Beispiel moderne, energiesparende Bau- und Isoliermaterialien sowie Wärmepumpen gefragt. Auch bei der Erzeugung von Windenergie dürfte deutsche Expertise in den nächsten Jahren sehr gefragt sein.
Deutsche Anbieter agieren bereits jetzt sehr erfolgreich auf dem polnischen Bahnmarkt. Durch die zusätzlichen Investitionen in Schieneninfrastruktur und Rolling Stock ergeben sich weitere Geschäftsaussichten.
In der Regel beantragen deutsche Unternehmen die Fördergelder nicht selbst, sondern arbeiten mit polnischen Partnern zusammen. Diese nehmen entweder direkt an Ausschreibungen teil oder sind Zulieferer. Einen Überblick über die Ausschreibungen gibt die Plattform TED (Tender Electronic Daily). Dort werden in der Regel auch deren Ergebnisse und die Marktteilnehmer bekannt gegeben, die den Zuschlag bekommen haben. Da die Ausschreibungen häufig auf mehrere Lose aufgeteilt sind, beteiligen sich auch kleinere polnische Unternehmen, die dann wiederum mit Partnern zusammenarbeiten.
Sector Deals sollen Know-how ins Land bringen
Die polnische Regierung hat in spezifischen Branchen sogenannte „Sector Deals“ eingeführt. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung zwischen Industrie und Politik, dass mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung in Polen erfolgt. Das Abkommen soll ausländische Beteiligungen keineswegs ausschließen. Es zielt vielmehr darauf ab, ausländisches Know-how ins Land zu holen und zu entwickeln. Deutsche Unternehmen können den polnischen Wertschöpfungsanteil beispielsweise über eine polnische Produktions- und Wartungsniederlassung erbringen. Wer keine solche Niederlassung in Polen hat, kann mit polnischen Zulieferern zusammenarbeiten.
Sector Deals sind auf wenige Industriezweige beschränkt, die in Polen noch am Anfang stehen, wie zum Beispiel Windkraft- und Wasserstoffprojekte.
Erfolgreiche Markterschließung
Welche Strategie sich für den Markteinstieg in Polen am besten eignet, hängt von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt, dass eine Marktbeobachtung und Marktbearbeitung aus Deutschland heraus zwar möglich sind, die fehlende räumliche Nähe zum Kunden mittelfristig aber zu Reibungsverlusten führen kann. Als ersten Schritt bietet sich an, den Markt über eine Handelsstruktur, zum Beispiel einen Vertriebspartner, zu bearbeiten. Die Gründung einer Niederlassung ist mit höheren Kosten verbunden, ermöglicht aber direkten Kundenkontakt. Personal vor Ort ist außerdem eher in der Lage, auf kurzfristige Marktentwicklungen zu reagieren.
Die AHK Polen unterstützt deutsche Unternehmen bei der Suche nach Vertriebspartnern und Kunden und berät zu Absatzmöglichkeiten und Marktpotenzial in Polen.
Quelle: AHK Polen