Interview zu US-Zöllen: Welche fallen an? Was müssen Unternehmen beachten?

Unter der US-Administration von Trump sind neue Strafzölle an der Tagesordnung. Es wurden unterschiedliche länderbezogene (reziproke) Zölle und warenbezogene (sektorale) Zölle eingeführt. Mit der EU einigte man sich zudem Ende Juli 2025 auf einen Handelsdeal. Die Verunsicherung bei den Unternehmen ist groß.
Mit einer IHK-Hotline zum US-Geschäft unterstützen wir Unternehmen. Wir fragten Oliver Falk, Leiter Bereich Recht International bei der IHK, welche Zölle jetzt anfallen, welche Schwierigkeiten es gibt und was die Unternehmen beachten müssen. Jetzt im Interview nachlesen:
Herr Falk, welcher Zollsatz gilt bei der Einfuhr von Waren aus Deutschland in die USA?
Nachdem Trump der EU ab August 30 Prozent Zoll angedroht hatte, einigten sich die EU und die USA und die EU am 27. Juli 2025 auf einen Zollsatz von 15 Prozent. Es handelt sich um einen All-Inclusive-Tarif und gilt seit dem 7. August 2025 für alle Produkte, die nicht unter Sektorale Zölle fallen, oder von Ausnahmen betroffen sind.
Was bedeutet All-Inclusive-Tarif?
Der All-Inclusive-Tarif stellt eine Obergrenze dar – inbegriffen ist auch der Meistbegünstigungszollsatz (MFN). Zuvor addierten die USA den Meistbegünstigungszollsatz und den Zusatzzoll auf. Beispiel: für einen Geschirrspüler fielen bis zum 7. August 2025 zehn Prozent Zusatzzoll + 2,4 Prozent normaler MFN-Zollsatz an. Der neue Zollsatz beträgt 15 Prozent "all-inclusive".
Sie haben gesagt, die 15 Prozent gelten nicht für Sektorale Zölle. Welche Sektoralen Zölle gibt es?
Die USA erheben auf Stahl- und Aluminiumerzeugnisse und Derivate 50 Prozent, auf Autos und Autokomponenten 25 Prozent und auf Kupfer 50 Prozent. Die Trump-Administration plant zudem weitere Importzölle auf folgende Bereiche: Halbleiter, Pharmazeutika, Mineralien, Holzimporte, Lastkraftwagen, Polysilicon (für Solaranlagen) und Drohnen.
Sie sprachen von Stahl- und Aluminiumderivaten. Was sind Derivate?
Unter Derivaten versteht man Stahl- oder Aluminium-Anteile in Waren, die keine klassischen Stahlwaren sind, aber dennoch einen wesentlichen Stahl-/Alu-Bestandteil aufweisen. Beispiele: Maschinen und Apparate (Kap. 84) mit stählernem Gehäuse, Elektromotoren, Generatoren (Kap. 85) mit einem wesentlichen Aluminiumgehäuse, Werkzeuge (Kap. 82), die aus Stahl bestehen, Möbel (Kap. 94) mit tragenden Stahlteilen.
Welche Waren fallen unter die Derivatregel und damit unter die 50 Prozent Zölle?
Die Liste der Derivate wurde am 18. August 2025 um 400 weitere Produkte erweitert. Erfasst wurden beispielsweise unter anderem Windkraftanlagen, Eisenbahnwaggons, Kranfahrzeuge, Motorräder und Mofas, Tür- und Fensterrahmen oder Sportequipment. Die Liste der Derivate werden anhand der Warentarifnummer festgelegt und wird alle vier Monate überprüft und gegebenenfalls erweitert. Gerade für viele Maschinenbauer brachte der Deal mit den USA nicht die erhoffte Rechtssicherheit mit 15 Prozent, weil durch die "Hintertür" immer mehr Produkte unter die höheren Stahl- und Aluminiumzölle von 50 Prozent fallen.
Bei den Stahl- und Aluminiumderivaten soll der Wert angegeben werden. Was passiert wenn dieser nicht angegeben werden kann?
Grundsätzlich fallen die 50 Prozent nur auf den Wert des Stahlgehalts an. Auf den Rest fallen die 15 Prozent an. Die Menge des Stahlanteils ist in Kilogramm und der Wert grundsätzlich anhand des Einkaufspreises des Stahls anzugeben. Manche Unternehmen haben den Wertanteil auch schon anhand des aktuellen Rohstoffpreis Stahl angegeben, um keine Einkaufswerte weitergeben zu müssen. Zudem muss das Schmelz- und Gussland mit angegeben werden. Sobald eine Angabe fehlt, fallen bei den Stahlerzeugnissen 50 Prozent auf die gesamte Sendung an und nicht nur auf den Stahlanteil. Bei den Aluminiumderivaten werden sogar 200 Prozent erhoben, welche die USA auf russisches Aluminium erheben.
Das klingt aber ziemlich kompliziert?
Das ist auch so. Ich erhalte die meisten Anfragen von Unternehmen zu der Frage, wie der Anteil zu berechnen ist, was angegeben werden muss. In der Praxis muss man alle stahl- und aluminiumhaltigen Bauteile seines Produkts identifizieren und aufschlüsseln und die dazugehörigen Materialkosten anhand von Lieferantenrechnungen, Stücklisten oder internen Kalkulationen ermitteln. Am Ende kommt es auf eine nachvollziehbare Kalkulation für den US-Zöllner an, liegt diese nicht vor, ist der US-Zöllner berechtigt die 50 Prozent auf die gesamte Sendung zu erheben.
Und was empfehlen Sie bei der Angabe zum Schmelz- und Gussland?
Alle Informationen zum Schmelz- und Gussland der Stahl- und Aluminiumprodukte sind grundsätzlich beim Lieferanten und Produzenten anzufordern, da dies eine Pflichtangabe für die USA mittlerweile ist. Man wird aber in der Regel nicht von allen Vorlieferanten die entsprechenden Informationen erhalten. Das Ursprungsland sollte dann "to the best of the importer's knowledge and belief" bestimmt werden und mit vorhandenen relevanten Unterlagen (beispielsweise Rechnungen, etc.) belegt werden. Oder man sollte die wahrscheinlichen Ursprungsländer oder ausgeschlossene Ursprungsländer angeben. Es gibt hier leider keinen roten Faden, es empfiehlt sich in diesen Fällen aber mit dem US-Importeuer und dem Brooker zu kommunizieren und dabei die unsichere Informationsbasis offenzulegen.
Was gilt bei den Autozöllen?
Die Zölle auf Autos und Autokomponenten sollen von 25 Prozent auf 15 Prozent sinken (vermutlich sogar rückwirkend zum 1. August 2025), sobald die EU sämtliche Zölle auf US-amerikanische Industriegüter abschaffen. Hierzu hatte man sich im Rahmen des Deals mit den USA verpflichtet. Die EU hat hierfür zwei Verordnungsentwürfe auf den Weg gebracht. Die Zollsenkung seitens der USA steht noch aus (Stand 12. September 2025). Das bedeutet zukünftig Zollfreiheit für US Autos auf dem EU Binnenmarkt, während für deutsche Autos 15 Prozent in den USA anfallen.
Was gilt es bei den Zöllen auf Kupfer zu beachten, gibt es hier auch Derivate?
Auch hier gibt es Derivate, wie beispielsweise Kabel oder Drähte. Auch hier sollten der Wert des Kupferanteils und der Wert des Nicht-Kupferanteils getrennt angegeben werden. Sollten die Angaben fehlen oder Wert nicht ermittelt werden, droht auch hier die Verzollung auf Basis des vollständigen Einfuhrwerts.
Sie hatten gesagt, dass die USA weitere Importzölle beispielsweise auf Halbleiter und Pharmazeutika plant. Wie hoch soll der Zollsatz da werden?
Bei den Arzneimitteln und Halbleitern und den anderen von mir genannten Produktgruppen soll der mit den Deal ausgehandelte Zollsatz von 15 Prozent gelten.
Woher weiß man, ob sein Produkt von den Zöllen betroffen ist?
Ob das Produkt von den Zusatzzöllen betroffen ist, kann sehr gut in der Datenbank der Europäischen Union: Access2Markets unter Eingabe der Warentarifnummer, des Exportlandes Deutschland und Bestimmungsland Vereinigte Staaten recherchiert werden.
Hängt der Zusatzzoll vom Ursprungsland oder vom Land, aus dem die Ware verschickt wird, ab?
Die Maßnahmen und somit auch die Zusatzzölle stellen auf den Ursprung der Ware ab. In der Regel gilt auch hier das Kriterium der wesentlichen Be- oder Verarbeitung. Wird beispielsweise eine Ware aus Deutschland mit Schweizer Ursprung in die USA versendet, fällt der pauschale Zollsatz für die Schweiz an, dieser liegt bei 39 Prozent.
Was empfehlen Sie Unternehmen noch?
Die Bemessungsgrundlage für Zölle in den USA ist immer der FOB-Wert. Es empfiehlt sich diesen immer mit anzugeben. Damit wird verhindert, dass auch noch die Frachtkosten mit verzollt werden. Prüfen Sie, ob weitere Posten im Preis enthalten sind, die nicht zum Zollwert gehören. Zudem sollte die Incoterms Klausel DDP vermieden werden, denn die Zölle gehen zunächst zu Lasten des Importeurs.