Zukunftsbranche Bergbau
Mit einer ambitionierte Strategie zur Förderung kritischer Mineralien sollen künftig hohe Investitionen in Kanadas Infrastruktur, neue Explorationsvorhaben und Aufbereitungsanlagen fließen.
- Globale Lithiumnachfrage steigt rasant
- Rohstoffe für Schlüsseltechnologien
- Umfangreiche Fördermaßnahmen angekündigt
- Lithium-Hotspots im Westen des Landes
- Produktionscluster in Quebec und Ontario im Aufbau
- Wertschöpfungskette für Elektroakkus
- Deutsche Unternehmen können profitieren
- Marktchancen für Ausrüstungs- und Technologieanbieter
- Ungenutztes Potenzial im Norden
- Bahntechnik für den Bergbau
- Zollpolitik der USA wird zum Problem
Globale Lithiumnachfrage steigt rasant
Berechnungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zeigen, dass Lithium, einer der zentralsten Rohstoffe für den Bau von Batteriezellen, aufgrund des starken weltweiten Nachfragewachstums bereits heute knapp wird. Diese Angebotslücke hat demnach sogar das Potenzial, den Boom der Elektromobilität in Deutschland empfindlich auszubremsen. Dabei ist die Verfügbarkeit von kritischen Mineralien für die Energiewende im Land ausschlaggebend: Um die politischen Klimazeile zu erreichen, sollen bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen zum Einsatz kommen. Metalle wie Kobalt und Lithium sind außerdem in der Produktion von Windrädern und Solaranlagen unverzichtbar.
Rohstoffe für Schlüsseltechnologien
Kanada könnte hier Abhilfe schaffen: Das zweitgrößte Flächenland der Erde verfügt über ein enormes Rohstoffpotenzial. Daher gilt der Bergbau zugleich als zentraler Pulsgeber des kanadischen Wirtschaftswachstums. Unter anderem bei Erdöl und Erdgas, Kalisalz, Gold, Zink, Uran und Platingruppenelementen zählt Kanada zu den wichtigsten Lieferländern weltweit. Die Northwest Territories gehören zu den führenden Bergbauregionen der Welt und sind bekannt für ihre Diamant- und Goldvorkommen. Ein großer Teil der Bodenschätze liegt grundsätzlich im wenig erschlossenen Norden Kanadas, wo Minenprojekte jedoch besonders kostspielig, kompliziert und schwer zu finanzieren sind. Die wichtigsten Abbaugebiete für Mineralien sind Ontario, Quebec, Neufundland und Labrador sowie British Columbia. Das nordamerikanische Land beherbergt außerdem große Lagerstätten an Kobalt, Blei, Grafit, Wolfram, Lithium und Nickel. Durch eine geförderte Exploration dieser Rohstoffe, inklusive seltener Erden, will Kanada sich zukünftig als Lieferant wichtiger Minerale für die Elektromobilität etablieren und als verlässlicher Partner bei der Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Sozialstandards in den Lieferketten auftreten. Im Sourcing von Technologiemineralien könnte Kanada somit langfristig als Alternative zu chinesischen und russischen Bezugsquellen avancieren.
Umfangreiche Fördermaßnahmen angekündigt
Ottawa will allein im Rahmen der aktuell laufenden, auf insgesamt acht Jahre ausgelegten Critical Minerals Strategy rund drei Milliarden US-Dollar (US$) bereitstellen, um die Produktion von Lithium, Kupfer und anderen kritischen Mineralien zu fördern. Im Haushalt sind zusätzlichen Budgetmittel für Exploration, Erschließung und Abbau vorgesehen. Insgesamt wurden 31 kritische Mineralien identifiziert, von denen 21 in Kanada vorkommen. Lithium bildet einen Schwerpunkt der Critical Minerals Strategy. Die Lithium-Ionen-Batterie steht dabei im Vordergrund der Pläne von Wirtschaft und Regierung. So wurde die Förderkulisse im Bundeshaushalt 2024 erneut erweitert: Unterstützung gibt es für Unternehmen, die vor Ort in die Montage, Batterieproduktion und Herstellung von Kathodenmaterial investieren. Zu den Bundesmitteln kommen weitere milliardenschwere Förderprojekte der Provinzen und Territorien mit dem Ziel, die heimische Batteriezellenproduktion für Elektrofahrzeuge anzukurbeln. Außerdem will die Regierung Genehmigungsprozesse im Bergbau verschlanken und beschleunigen.
Lithium-Hotspots im Westen des Landes
Das Potenzial einer eigenständigen kanadischen Produktion mit lokaler Beschaffung beginnt schon mit dem Abbau der erforderlichen Rohstoffe. So sind erhebliche Lithiumreserven über den Kanadischen Schild verteilt, doch vor allem Quebec verfügt über umfangreiche Vorkommen. In den 1950er und 60er Jahren war die Provinz schon einmal ein bedeutender Lithiumproduzent. Versuche, die Exploration in den 2010er Jahren erneut aufzunehmen, scheiterten meist an der Wirtschaftlichkeit. Dies dürfte sich künftig nicht nur wegen der umfangreichen Förderprogramme ändern, sondern auch im Zuge der Bedarfszuwächse. Viele Schürfer erwarten für die kommenden Jahre Nachfragesteigerungen im zweistelligen Prozentbereich pro Jahr. Denn Lithium wird sowohl für die Produktion von Elektroautobatterien als auch beim Ausbau von Energiespeichersystemen benötigt. Beide Anwendungsfelder versprechen hohe Wachstumsraten.
Produktionscluster in Quebec und Ontario im Aufbau
Daher werden insbesondere in Quebec derzeit neue Anläufe unternommen. Aussichten auf erneut steigende Lithiumpreise aufgrund der Nachfragezuwächse sowie Quebecs reiche Bergbaugeschichte erweisen sich dabei als vorteilhaft. Die Provinz möchte nun durch eine Reihe von Initiativen zum Batteriecluster werden. Neben grüner Energie aus Wasserkraft punktet der Standort Quebec auch mit niedrigen Bewirtschaftungskosten und öffentlicher Förderung für Unternehmen, welche Batteriezellen mit geringer CO2-Bilanz herstellen wollen. Außerdem möchte man sich mit zuverlässigen, konfliktfreien und vollständig nachvollziehbaren Lieferbedingungen für kritische Mineralien von anderen Anbietern abheben. Gleichzeitig ist in der Provinz Ontario ein Vorhaben zur Produktion von batteriefertigem Nickel- und Kobaltsulfat in Planung. Das kanadische Unternehmen Electra Battery Materials (EBM) möchte dort den ersten nordamerikanischen Batterie-Industriepark aufbauen und durch Recycling von Altbatterien zu einer ressourceneffizienten und CO2-armen Lösungen für elektrische Antriebe beitragen.
Wertschöpfungskette für Elektroakkus
Die aktuelle Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, stabile regionale Lieferketten für die Batteriezellenherstellung aufzubauen und sich durch eigene Abbau- und Produktionsstätten weitgehend unabhängig von internationalen Lieferanten zu machen. Kanada will Nickel, Kobalt und Lithium selbst raffinieren, Kathodenvorläufermaterial produzieren und Batteriekomponenten wie Anoden und Kathoden im Land fertigen. Gute Voraussetzungen sind – neben den reichen Rohstoffvorkommen – bereits geschaffen: Anerkannte Einrichtungen für Batterieforschung, grüner Strom zu erschwinglichen Preisen sowie eine global bedeutsame und gut in den US-amerikanischen Markt integrierte Kfz-Branche bilden das Fundament der Mines-to-Mobility-Strategie. Zudem kann der Bergbau in Kanada auf eine lange Tradition zurückblicken. Toronto im südlichen Ontario gilt seit Langem als globaler Hub für Bergbauunternehmen. Mit der Toronto Stock Exchange (TSX) als wichtigster Rohstoffbörse für die Bergbaubranche und dem höchsten Anteil an den weltweiten Explorationsausgaben stellt Kanada ein globales Bergbauzentrum dar. Gleichzeitig ist die kanadische Bergbauindustrie bemüht, den technologischen Wandel hin zu einer zukunftsfähigen, umweltverträglicheren Rohstoffgewinnung zu vollziehen. So sind eine Reihe von kanadischen Minen heute bei der Elektrifizierung des Untertagebaus weltweit beispielgebend.
Deutsche Unternehmen können profitieren
Die stabilen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der gute Zugang zum US-amerikanischen Markt machen das Land insgesamt zu einem attraktiven Wirtschafts- und Investitionsstandort und interessanten Handelspartner für deutsche Unternehmen. Infrastrukturprogramme und zahlreiche Bergbauvorhaben bieten baden-württembergischen Unternehmen vielseitige Geschäfts- und Kooperationschancen. Die öffentliche, strategische Förderung des kanadischen Bergbaus lassen diesen Sektor zu einem besonders vielversprechenden Marktsegment heranwachsen: Künftig sollen hohe Investitionen in Infrastruktur, Aufbereitungsanlagen und Explorationsprojekte fließen. Vorteilhaft ist zudem, dass die EU und Kanada mit der Canada-EU Strategic Partnership on Raw Materials im Jahr 2021 ein Partnerschaftsabkommen mit dem Ziel einer stärkeren Integration der Wertschöpfungsketten im Bereich der kritischen Mineralien geschlossen haben.
Marktchancen für Ausrüstungs- und Technologieanbieter
Besonders als Absatzmarkt bietet der kanadische Bergbau Chancen. Der steigende Rohstoffbedarf beflügelt deutsche Hersteller von Bergbaumaschinen und -technik. Profitieren können Unternehmen, die Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen für die Rohstoffgewinnung, Weiterverarbeitung und im Bereich der Bergwerkssicherheit anbieten. Auch Technologien, die dabei helfen können, Ressourcenverbrauch und Umweltfolgen des Bergbaus abzufedern, sind gefragt.
Ungenutztes Potenzial im Norden
Ein beträchtlicher Anteil der Aktivitäten der kanadischen Rohstoffwirtschaft spielt sich im dünn besiedelten Norden ab. Die Exploration und Neuausweisung von Minen findet in der Regel an schwer zugänglichen Orten in Kanadas Norden statt, die infrastrukturell wenig bis nicht erschlossen sind. Anknüpfungspunkte entstehen daher auch im Zusammenhang von klimaresistenten Erschließungsmaßnahmen. Deutsche Unternehmen sind hierbei gern gesehene Projektpartner. Chancen für ein Engagement bieten sich unter anderem bei der Erstellung geologischer Studien, im Bereich der technischen Planung von Transportwegen für Permafrostböden, im Breitbandausbau sowie im Ausbau von Übertragungsnetzen für die Energieversorgung und von lokalen Mikronetzen.
Bahntechnik für den Bergbau
Kanada investiert in den kommenden Jahren massiv in den Ausbau seiner Bahn- und Schieneninfrastruktur. Insbesondere dort, wo die Bahn Teil der strategischen Rohstofflogistik wird, winken Marktchancen. Für deutsche Unternehmen mit Spezialisierung auf Bahntechnik, Digitalisierung, Infrastruktur und Umweltlösungen ergeben sich daraus viele Einstiegsmöglichkeiten.
Unter anderem neu erschlossene Minen müssen effizient und nachhaltig ans nationale Verkehrsnetz angebunden werden müssen. Ein Beispiel ist das Strange Lake Rare Earth Project von Torngat Metals in der Grenzregion zwischen Québec und Labrador. Die Mine soll ab 2028 in Betrieb gehen und wird bereits mit rund 120 Millionen US$ von der Canada Infrastructure Bank und Export Development Canada gefördert. Geplant sind eine 170 Kilometer lange Zufahrtsstraße und Hafenanlagen. Auch das McIlvenna Bay Copper-Zinc Project in Saskatchewan zeigt, wie eng Bergbau und Bahnlogistik verknüpft sind. Als erstes "Net-Zero"-Kupferprojekt Kanadas, das auf klimaneutrale Förderung und Verarbeitung abzielt, wurde es vom Major Projects Office priorisiert – einer Bundesstelle, die große Infrastrukturvorhaben im nationalen Interesse koordiniert und beschleunigt. Die geförderten Rohstoffe sollen per Schiene über die Hudson Bay Railway zur geplanten Verarbeitungsanlage in Manitoba transportiert werden – ein interprovinzieller Güterverkehr mit hohem Anspruch an Technik und Sicherheit. Unter anderem ergeben sich Chancen bei Wartungssystemen für Langstreckentransporte, bei Sicherheitstechnik im Gefahrgutverkehr oder bei Güterwaggons speziell für kritische Mineralien.
Die kanadische Regierung unterstützt solche Projekte gezielt über den Critical Minerals Infrastructure Fund und die Canada Infrastructure Bank. Beide Programme fördern Vorhaben, die zur Erschließung und zum Transport strategisch wichtiger Rohstoffe beitragen – besonders, wenn sie Bahnanschlüsse oder multimodale Logistiklösungen integrieren.
Zollpolitik der USA wird zum Problem
Die handelspolitischen Maßnahmen der USA wirken sich auch auf den kanadischen Bergbausektor aus. Denn Investitionsentscheidungen lassen sich angesichts der verschiedenen Zölle, welche die Trump-Regierung angekündigt, eingeführt oder wieder verschoben hat, nur auf sehr unsicherer Basis treffen. Bislang war der nordamerikanische Nachbar Hauptabnehmer kritischer Mineralien aus Kanada. Um die Wirtschaft und insbesondere die Bergbaubranche zu stützen, könnten die Regierung in Ottawa sowie die Provinzen zusätzliche Schritte einleiten, um die Erschließung und Verarbeitung wichtiger Mineralien voranzutreiben. Bereits reagiert auf Trumps Drohungen hat British Columbia: Die Regierung der westkanadischen Provinz will die Genehmigung einer Reihe großer Energie- und Rohstoffprojekte beschleunigen, darunter vier Minen zum Abbau von Gold, Kupfer und Silber.
Quelle: GTAI / BGR / German Mining Network / IHK Rhein-Neckar
