Pan-Euro-Med Freihandelszone (Regionales Übereinkommen)

Durch das sogenannte Regionale Übereinkommen ist ein zollfreier Handelsraum, die Pan-Euro-Med-Zone, mit einheitlichen Ursprungsregeln und einheitlicher Dokumentation für Ursprungswaren der beteiligten Länder entstanden. Diese Ursprungserzeugnisse können (in der Endphase der Pan-Euro-Med-Zone) in jedes beliebige andere Mitgliedsland zollfrei eingeführt werden.  

Welches Ziel soll verfolgt werden?

Der präferenzielle Ursprung kann durch Be- und Verarbeitungsvorgänge in mehreren beteiligten Ländern erreicht werden (diagonale Kumulation).
Das ist der entscheidende Unterschied zu normalen Handelsabkommen, bei denen Zollvorteile nur für Ursprungswaren der beiden an der jeweiligen Warenbewegung direkt beteiligten Länder möglich sind. Die Kumulationszone ist für Händler, aber auch für Unternehmen mit Produktionsstätten unter anderem im Mittelmeerraum oder den Balkanstaaten interessant, da sie die Anwendung der dort erworbenen Präferenzen auf alle Teilnehmerstaaten ausweitet.

Teilnehmende Länder

  • EFTA-Staaten (Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein)
  • Türkei
  • Mittelmeeranrainer (Ägypten, Algerien, besetzte palästinensische Gebiete, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Syrien, Tunesien)
  • Balkanstaaten (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nord-Mazedonien, Serbien)
  • Färöer
  • Republik Moldau
  • Georgien
  • Ukraine

Voraussetzungen für die Gewährung von Zollvorteilen

Für die Inanspruchnahme der Vorteile des Regionalen Übereinkommens sind grundsätzlich zwei wesentliche Bedingungen erforderlich:
  • Die am Ursprungserwerb und am Handel beteiligten Staaten müssen dem Regionalen Übereinkommen beigetreten sein. Der jeweils aktuelle Stand wird durch eine Abkommens-Matrix dokumentiert.  Die Europäische Kommission gibt regelmäßig eine Matrix heraus, aus der sich der aktuelle Stand der Umsetzung ergibt.
  • Falls die Zone tatsächlich nicht nur bilateral genutzt wird, muss dies besonders dokumentiert werden. Dies geschieht entweder durch einen ausgefüllten Kumulationsvermerk (Ursprungserklärung, Lieferantenerklärung) oder die Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED anstelle der EUR. Weiterführende Informationen sind auf der Zoll-Webseite abrufbar.

Reform des Regionalen Übereinkommens

Am 1. September 2021 erfolgte eine Reform des Regionalen Übereinkommens. Die diagonale Kumulation wurde zuvor nur zögerlich und ausschließlich in bestimmten Sektoren wie Textil und Bekleidung angewandt.
Für die mangelnde Akzeptanz gibt es mehrere Gründe:
  • Die Matrix der beteiligten Länder weist Lücken auf, was die Anwendbarkeit des Regionalen Übereinkommens begrenzt
  • Die Anforderungen an Nachweise und Dokumentation entsprechen nicht denen anderer Abkommen (beispielsweise Kumulationsvermerk, EUR-MED)
  • Die Ursprungsregeln sind streng, die einzuhaltenden Rahmenbedingungen schwierig und komplex.

Erleichterte Ursprungsregeln

Die reformierten Ursprungsregeln umfassen folgende Punkte:
  • Modernisierte und deutlich reduzierte Listenregeln. Auffällig sind höhere Anteile an Vormaterialien ohne Präferenzursprung. Geschätzt sind 95 Prozent aller Ursprungsregeln leichter geworden oder gleich geblieben.
  • Kumulation ist möglich. Das bedeutet, dass auch einzelne Fertigungsschritte, die selbst noch keinen präferenziellen Ursprung begründen, angerechnet werden können.
  • Für fast alle Branchen: Erleichterungen bei Toleranzen, Territorialität, buchmäßiger Trennung. Kein Draw-Back-Verbot
  • Berechnung mit Durchschnittspreisen möglich, Aufweichung des Identitätsprinzips.
  • EUR-MED und Kumulationsvermerk entfallen
Die neuen Regeln werden schrittweise in das Warenursprungs- und Präferenzportal des Zolls integriert. Unter “Jordanien” lassen sich bereits die bisherigen und die neuen Regelungen beispielhaft auswählen, die für die gesamte Zone schrittweise gelten. 
Die Ursprungsregeln für Länder, die nicht Teil des Regionalen Übereinkommens sind, bleiben unverändert.

Beteiligte Länder und Übergangsregelungen (”Transitional Rules”)

Leider wollen die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien im Moment (noch) nicht am reformierten Regionalen Übereinkommen teilnehmen. Alle anderen Staaten haben dennoch beschlossen, dass sie die, seit 1. September 2021 geltenden, Regeln optional anwenden können.
Während der Übergangszeit können sowohl die bisherigen Regeln als auch die neuen Regeln angewendet werden. Gemischt werden darf natürlich nicht; das Ende der Übergangszeit ist jedoch nicht definiert.
Die neuen Übergangsregeln, die “Transitional Rules”, können in der EU und in folgenden Staaten (seit 23. November 2021) angewendet werden:
  • Albanien
  • Färöer
  • Georgien
  • Island
  • Westjordanland
  • Gaza-Streifen
  • Norwegen
  • Schweiz
  • Nord-Mazedonien
Die aktuelle Übersicht ist auf der Internetseite der Generaldirektion TAXUD zu finden. Die weiteren Staaten werden folgen, zunächst mit Ausnahme der Maghreb-Staaten. Der Schweizer Zoll hat eine aktuelle Matrix der Teilnehmer des alten und neuen Regionalübereinkommens veröffentlicht.

Keine Durchlässigkeit, getrennte Dokumentation

Wenn die Ursprungsermittlung auf Basis der “Transitional Rules” erfolgt, ist das durchgängig zu dokumentieren. Das bedeutet, dass der Begriff “Transitional Rules” auf allen Nachweisen verwendet werden muss:
  • auf Lieferantenerklärungen,
  • Ursprungserklärungen und
  • auf der EUR.1
Zwischen der Ursprungsermittlung und der Ursprungsdokumentation nach den bisherigen Regelungen und den “Transitional Rules” gibt es keine Durchlässigkeit (Permeabilität).
Das hat gravierende Folgen: findet die Ursprungsermittlung nach neuen Regeln statt und sind hierfür Lieferantenerklärungen (Nachweis Vormaterial mit Ursprungseigenschaft!) erforderlich, müssen diese ebenfalls den Vermerk “Transitional Rules” enthalten.
Das ist erforderlich, obwohl die bisherigen Regeln fast immer strenger sind als die “Transitional Rules” und man folglich davon ausgehen könnte, dass diese (fast) automatisch erfüllt sind.
Wird der Ursprung nach den neuen Übergangsregelungen ermittelt, so ist dies auf den Präferenznachweisen und Lieferantenerklärungen mit dem Hinweis “Transitional Rules” zu vermerken.
Erfüllt eine Ware beide Regeln, so kann das auf dem Dokument ebenfalls angegeben werden. Werden die bisherigen Regeln angewendet, ist kein Vermerk erforderlich.

Fallbeispiele

Eine Warensendung in die Schweiz enthält präferenzberechtigte Ware nach bisherigen Regeln und nach den Transitional Rules: Zwei Ursprungserklärungen, einmal mit der Ergänzung “Transitional Rules” und eine positionsgenaue Zuordnung, für welche Ware was gilt.
Eine Langzeit-Lieferantenerklärung soll nachweisen, dass die Ware beide Regelungen erfüllt.
Hinter das jeweilige Land oder hinter die gesamten Pan-Euro-Med-Teilnehmerstaaten – ohne die Maghreb-Staaten – kommt der Vermerk: “Regionales Übereinkommen und transitional rules/Übergangsregeln (ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit)”. Dies ist die vereinfachte zusammengefasste Version.
Einen Leitfaden “Guidance on transitional PEM rules” in englischer Sprache hat TAXUD publiziert. 

Fazit

Grundsätzlich gelten die neuen Regeln nur für die teilnehmenden Staaten. Wenn der präferenzielle Ursprung für alle EU-Abkommen-Staaten ermittelt werden soll, wie das bei der Erstellung von Lieferantenerklärungen der Fall ist, müssen weiterhin die strengsten Regeln zugrunde gelegt werden.
Alternativ wird die Präferenz nach den einfacheren “Transitional Rules” ermittelt, aber auf der Lieferantenerklärung auch nur die entsprechenden Anwenderstaaten genannt. 
  • Positiv zu bewerten sind die neuen Ursprungsregelungen. Sie bringen zahlreiche Vereinfachungen mit sich, die sowohl die Ermittlung als auch die Dokumentation des präferenziellen Ursprungs erleichtern. In manchen Fällen entfällt die Notwendigkeit von Vornachweisen wie Lieferantenerklärungen. Zudem kann es vorkommen, dass der präferenzielle Ursprung zum ersten Mal erreicht wird. Unternehmen, auf die dies zutrifft, werden die Nutzung der "Transitional Rules" aufnehmen.
  • Negativ ist, dass der Mangel an Durchlässigkeit bei den Nachweisen zu mindestens doppeltem Aufwand führt. Dies ist kontraproduktiv und wird wahrscheinlich dazu führen, dass die Nutzung des reformierten Regionalen Übereinkommens nicht signifikant steigen wird – zumindest nicht in naher Zukunft. Viele Unternehmen werden vermutlich weiterhin Lieferantenerklärungen ohne Vermerk erstellen, also nach den alten Regeln.