Gefährdungsbeurteilung: Hopp oder top?
Die Gefährdungsbeurteilung ist ein wichtiges Element im betrieblichen Arbeitsschutz und die Grundlage für das Sicherheits- und Gesundheitsmanagement im Unternehmen.
- Hopp oder top? Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei der Gefährdungsbeurteilung
- Handlungsanleitung Betriebliche Gefährdungsbeurteilung (ASI 10.0)
- Erfolgsfaktor Beteiligung
- Erfolgsfaktor Wahrhaftigkeit
- Erfolgsfaktor Handhabbarkeit
- Erfolgsfaktor Lebendigkeit
- Praxisfehler Mängelliste statt Gefährdungsbeurteilung
- Praxisfehler Maschinen statt Arbeitsplätze
- Erfolgsfaktor zweckmäßige Dokumentation
- Erfolgsfaktor Prozessorientierung
- Mit gesundem Sachverstand zum Erfolg
- Erfolgsfaktoren der Gefährdungsbeurteilung auf einen Blick
Hopp oder top? Erfolgsfaktoren und Stolpersteine bei der Gefährdungsbeurteilung
Unter Gefährdungsbeurteilung wird im Folgenden zunächst die nach § 5 ArbSchG geforderte “Beurteilung der Arbeitsbedingungen” verstanden. Der Begriff “Gefährdungsbeurteilung” umfasst aber auch die Beurteilungen, die gemäß der nach § 18 ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen (z. B. ArbStättV, BetrSichV, GefStoffV) durchzuführen sind.
Ein starkes Motiv, Dinge zu tun, ist, wenn sie einem viel nutzen. Umgekehrt tut niemand gern Dinge, nur weil sie irgendwo vorgeschrieben sind. Das trifft sicherlich auch bei der Gefährdungsbeurteilung zu. Und das Gute an der Gefährdungsbeurteilung ist: Sie kann dem Betrieb sehr viel nutzen. Richtig ein- und umgesetzt lassen sich mit diesem zentralen Präventionsinstrument des betrieblichen Arbeitsschutzes vorausschauend optimale, d. h. sichere, gesunde und wirtschaftliche Arbeitsprozesse gestalten. Denn die Gefährdungsbeurteilung ermöglicht eine systematische und vollständige Übersicht über die Gefährdungen an den Arbeitsplätzen und sie zeigt, was im Arbeitsschutz (noch) alles zu tun ist bzw. weiter optimiert werden kann.
Eine gute Gefährdungsbeurteilung kann aber noch mehr: Sie gibt den betrieblichen Vorgesetzten eine optimale Unterweisungshilfe in die Hand. Sie enthält nämlich eine arbeitsplatzbezogene Zusammenschau der vorkommenden Gefährdungen und Maßnahmen. Außerdem liefert sie dem Betrieb eine Übersicht über die durchzuführenden Prüfungen, die erforderlichen Vorsorgeuntersuchungen, die benötigte Persönliche Schutzausrüstung. Letztlich bekommt er nicht mehr und nicht weniger als ein handliches Werkzeug zum zentralen Gefährdungsmanagement. Also Nutzen pur.
Handlungsanleitung Betriebliche Gefährdungsbeurteilung (ASI 10.0)
Mit diesem “Kochbuch” kann sich der Betrieb Schritt für Schritt die eigene Beurteilung “zubereiten”.
Diese sind auf der DVD oder im Download der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BNG) enthalten.
Diese sind auf der DVD oder im Download der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BNG) enthalten.
Die Interaktive Praxishilfe finden Sie auf der BGN-DVD oder der Webseite im jeweiligen Branchen-Portal im Bereich “Organisation des Arbeitsschutzes” unter dem Stichwort “Gefährdungsbeurteilung”. Dort erhalten Sie beispielsweise
- Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung für verschiedene Tätigkeiten und Arbeitsbereiche im Gastgewerbe
- Gefährdungsbeurteilung zur manuellen Lastenhandhabung
- Check: Arbeitsbedingungen im Backbetrieb verbessern
- Check: Arbeitsbedingungen in Hotels und Gaststätten verbessern
Hilfen im Internet
www.geaehrdungsbeurteilung.de bietet eine Fülle von Informationen und die zurzeit verfügbaren Handlungsanleitungen an. Es wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in enger Abstimmung mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) entwickelt.
Beratung durch unsere Fachleute
- Hotline des Technischen Aufsichtsdienstes der BGN, Fon 0621 4456-3517
- Für Ihren Betrieb zuständige Aufsichtsperson der BGN finden
- Regionale BGN-Kompetenzzentren für Betriebe, die am BGN-Kompetenzzentrenmodell teilnehmen.
Erfolgsfaktor Beteiligung
Eine Beurteilung, die von einem Einzelkämpfer im stillen Kämmerlein erstellt wird, kann nicht erfolgreich sein. So hoch auch das Expertenwissen des Einzelkämpfers – meist ist es die Sicherheitsfachkraft – sein mag, ohne Beteiligung der Führungskräfte und der Beschäftigten entsteht keine Akzeptanz. Also müssen diejenigen, deren Arbeitsplätze beurteilt werden sollen, auch in geeigneter Form mitwirken. Ein wesentlicher Vorteil der Beteiligung: Die Auseinandersetzung mit den eigenen Risiken erhöht die Sensibilität für Sicherheit und Gesundheitsschutz. Und die Beschäftigten tragen Maßnahmen eher mit, wenn sie sie selbst mit festgelegt haben und nicht von oben verordnet bekommen.
Erfolgsfaktor Wahrhaftigkeit
Es mag trivial klingen und doch ist es nicht immer selbstverständlich: Die Gefährdungsbeurteilung muss die Wirklichkeit abbilden und nicht eine bloße (Wunsch-)Vorstellung der betrieblichen Situation. Manche Beurteilungen werden diesem Anspruch nicht gerecht. Sie beschreiben Arbeitsplätze, Tätigkeiten und Gefährdungen unvollständig, fehlerhaft, stark vereinfacht. Folglich sind auch die abgeleiteten Schutzmaßnahmen unvollständig, fehlerhaft, unzutreffend. Darunter leiden dann die Brauchbarkeit der Beurteilung und natürlich die Akzeptanz.
Erfolgsfaktor Handhabbarkeit
Der Umfang der Gefährdungsbeurteilung muss angemessen sein. Sie darf nicht zu knapp, aber vor allem auch nicht zu ausführlich sein. Viele Seiten bedrucktes Papier, angereichert mit Tabellen, Risikoampeln, Listen mit geltenden Vorschriften etc. verschleiern den Blick auf die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung. Der Anwender muss die wichtigen Informationen zügig erfassen und verstehen können.
Erfolgsfaktor Lebendigkeit
Lebendigkeit heißt: Die Beurteilungsergebnisse werden kommuniziert, die abgeleiteten Maßnahmen werden erkennbar umgesetzt, die Beurteilung ist für die Betroffenen verfügbar. Lebendigkeit heißt auch: Wenn sich Veränderungen an den Arbeitsplätzen ergeben, wird die Beurteilung überprüft und falls nötig angepasst. Auch bei Unfällen, Beinaheunfällen und Sachschäden wird die Gefährdungsbeurteilung kritisch geprüft: Gibt es Hinweise darauf, dass die Gefährdungssituation für bestimmte Tätigkeiten unzutreffend bewertet wurde, dann muss sie ergänzt oder geändert werden.
Praxisfehler Mängelliste statt Gefährdungsbeurteilung
Ein in der Praxis weit verbreiteter Fehler ist, die Gefährdungsbeurteilung mit der Suche nach Mängeln zu verwechseln. Dann füllen sich die Seiten der Dokumentation mit defekten Leitern, fehlenden Handläufen, überbrückten Schutzeinrichtungen oder verschmutzten Fußböden. Diese Art der Zeitpunkt-Betrachtung muss routinemäßig im Arbeitsalltag stattfinden. Stellen Mitarbeiter, Vorgesetzte oder Sicherheitspersonen solche Mängel fest, dann müssen sie natürlich ohne Wenn und Aber abgestellt werden. Hierzu kann man eine To-do-Liste anlegen und fortschreiben. Ist der Mangel behoben, wird er in der Liste gestrichen. Die Gefährdungsbeurteilung aber will etwas anderes: Ihr Ziel ist es, über eine Zeitraum-Betrachtung die typischen Risiken und Schwachstellen der im Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze zu identifizieren und systematisch die verbleibenden Restrisiken zu verringern.
Praxisfehler Maschinen statt Arbeitsplätze
Ein typischer Fehler bei der Gefährdungsbeurteilung ist auch, die Funktionssicherheit der Maschinen (Herstelleraufgabe) anstatt die dort vorhandenen Arbeitsplätze zu analysieren. Der Beurteiler sucht dann nach dem ce-Zeichen, misst die Höhe der Schutzzäune nach oder überprüft die Erdung der Steuerstromkreise. Überall dort, wo im Betrieb mit Maschinen gearbeitet wird, lautet die für die Gefährdungsbeurteilung relevante Frage: Welche Gefährdungen gibt es für die Bediener? Besteht z.B. eine Gefährdung durch Lärm? Gibt es Gefährdungen bei der Störungsbeseitigung? Muss auf die Maschine aufgestiegen werden, so dass gegebenenfalls eine Absturzgefahr besteht?
Erfolgsfaktor zweckmäßige Dokumentation
Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung hat dann einen echten Nutzen, wenn sie nachvollziehbar und transparent ist. Hier gilt die Grundregel: So einfach wie möglich, aber nicht noch einfacher. Achten Sie darauf, dass die Angaben in der Dokumentation eine eindeutige Lokalisierung und Zuordnung zu Betriebszuständen und Arbeitsvorgängen ermöglichen. Die mancherorts anzutreffende unspezifische Ankreuzliste genügt diesen Anforderungen nicht. Dort wird z. B. nur festgestellt, dass es eine Gefährdung durch bewegte Transportmittel gibt. Nicht präzisiert aber wird, welche Transportmittel wann, wo und unter welchen Bedingungen zu einer Gefährdung führen. Selbst die Ersteller der Gefährdungsbeurteilung wissen nach einiger Zeit nicht mehr genau, was mit dem Kreuz in der Liste eigentlich gemeint war. Erst recht nicht wissen es die übrigen Angehörigen des Betriebs oder die Vertreter von Behörden und Aufsichtsdiensten.
Eine zweckmäßige Dokumentation beschreibt knapp, aber präzise und verständlich die Gefährdungen, die Schutzmaßnahmen und deren Überprüfung bzw. Umsetzung. Im Übrigen verweist sie an den jeweiligen Stellen auf Referenzdokumente, z. B. auf Verzeichnisse, Checklisten, Kataster, Betriebsanweisungen oder Prüfpläne. Auch sind Verweise auf die detaillierte Beurteilung einzelner Gefährdungsfaktoren (Lastenhandhabung, Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, Lärmminderungsprogramm, Explosionsschutzdokument usw.) sinnvoll, damit die Dokumentation nicht überfrachtet wird und schlank bleibt.
Erfolgsfaktor Prozessorientierung
Besonders effektiv und effizient ist eine Gefährdungsbeurteilung, die sich an den betrieblichen Arbeits- bzw. Produktionsprozessen orientiert. Anstatt sich statisch an einer Liste von Gefährdungsfaktoren entlangzuhangeln, werden zunächst die Arbeitsabläufe beschrieben und in Teilschritte zerlegt.
Dann werden für jeden Teilschritt die relevanten Gefährdungen identifiziert und Schutzmaßnahmen festgelegt. Die auf diese Weise entstehende Dokumentation ist wirklich die ideale Unterweisungshilfe für den jeweiligen Bereichsvorgesetzten. Eine prozessorientierte Gefährdungsbeurteilung ermöglicht zudem, weitere Aspekte wie Qualität, Umweltschutz und Hygiene zu integrieren. Damit kommt man dem Ziel, dass Arbeitsschutz ein selbstverständlicher Bestandteil des betrieblichen Handelns ist, einen großen Schritt näher.
Mit gesundem Sachverstand zum Erfolg
Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) unterstützt die Betriebe mit Praxishilfen zur Gefährdungsbeurteilung und gegebenenfalls mit Beratung. Trotz aller nützlichen und hilfreichen Unterlagen darf das wichtigste Werkzeug der Gefährdungsbeurteilung niemals abhandenkommen: der gesunde Sachverstand der Beurteiler. Mit diesem Sachverstand trennt man Wichtiges von Unwichtigem, kann Risiken sachgerecht einschätzen und solche Maßnahmen finden, die wirksam, umsetzbar und akzeptiert sind. Und dann steht der “Erfolgsstory Gefährdungsbeurteilung” eigentlich nichts mehr im Weg.
Erfolgsfaktoren der Gefährdungsbeurteilung auf einen Blick
- Beteiligung: Führungskräfte und Beschäftigte in die Gefährdungsbeurteilung einbinden
- Wahrhaftigkeit: Tatsächliche betriebliche Gegebenheiten präzise erfassen und beschreiben
- Handhabbarkeit: Umfang nicht zu knapp, aber vor allem auch nicht zu ausführlich
- Lebendigkeit: Bei Veränderungen an den Arbeitsplätzen Beurteilung überprüfen und gegebenenfalls anpassen
- Zweckmäßige Dokumentation: Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und deren Überprüfung bzw. Umsetzung eindeutig, nachvollziehbar und transparent dokumentieren
- Prozessorientierung: Arbeitsschutz als Teil der betrieblichen Organisation und integriert in den betrieblichen Arbeits- bzw. Produktionsprozess betrachten.
Quellennachweis: "BGN akzente", Autor Dipl.-Ing. Jörg Bergmann, Leiter Abteilung Sicherheit, Geschäftsbereich Prävention, Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe Mannheim
Links und Downloads
- Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (Link: http://www.bgn.de)
- Portal Gefährdungsbeurteilung (Link: http://www.gefaehrdungsbeurteilung.de)