Feststellungsverfahren nach BVaDiG: Berufliche Erfahrung sichtbar machen
Seit Januar 2025 ist die Feststellung von individuellen, berufsspezifischen Kompetenzen eine neue hoheitliche Aufgabe der IHKs. Das neue Feststellungsverfahren, auch Validierungsverfahren genannt, macht berufliches Können sichtbar.
- Wer kann am Verfahren teilnehmen?
- Wer führt das Feststellungsverfahren durch?
- Wie ist das Feststellungsverfahren organisiert?
- Wie läuft das Feststellungsverfahren ab?
- Welche Dokumente sind für die Antragsstellung nötig?
- Wie lange dauert das Feststellungsverfahren?
- In welchen Berufen wird das Verfahren angeboten?
- Was erhält man nach erfolgreicher Teilnahme?
- Welche Möglichkeit besteht, wenn das Verfahren nur eine überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit ergibt?
- Was ist ein Ergänzungsverfahren?
- Kann das Feststellungsverfahren wiederholt werden?
- Welchen Nutzen hat das Verfahren für Arbeitgeber?
- Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?
- Wozu berechtigt ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit?
- Was kostet das Verfahren?
- Anmeldung
Wer kann am Verfahren teilnehmen?
Personen ohne Berufsabschluss in dem Beruf, in dem sie langjährige berufliche Erfahrung haben.
- mindestens 25 Jahre alt sind,
- über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen (das Verfahren wird in deutscher Sprache durchgeführt),
- eine Berufstätigkeit im gewünschten Beruf nachweisen können die mindestens 1,5-mal so lange wie die entsprechende Ausbildungszeit ist
- in Deutschland leben oder die notwendige Berufstätigkeit mindestens zur Hälfte in Deutschland ausgeübt haben,
- die in dem Beruf, in dem sie die Feststellung anstreben, keinen deutschen Berufsabschluss haben oder denen hierfür kein ausländischer Berufsabschluss anerkannt worden ist und
- die aktuell keine Ausbildung in dem festzustellenden Beruf absolvieren.
Wenn das auf Sie zutrifft und Sie in der Region Rhein-Neckar wohnen oder arbeiten, können Sie sich bei uns für das Feststellungsverfahren anmelden. Falls Sie in der Region Karlsruhe oder Nordschwarzwald wohnen oder arbeiten, erhalten Sie bei der IHK dort vor Ort eine Erstberatung.
Wer führt das Feststellungsverfahren durch?
Die erste Beratung findet immer bei Ihrer IHK vor Ort statt. Die Organisation und Durchführung der Bewertung übernimmt unsere IHK für die Region Rhein-Neckar sowie für die Regionen Karlsruhe und Nordschwarzwald.
Die praktische Bewertung Ihrer beruflichen Kompetenzen führt ein Feststellungstandem durch. Dieses besteht aus zwei für das Verfahren geschulten Prüferinnen und Prüfern. Grundlage für die Bewertung ist die jeweilige Ausbildungsordnung des Berufs.
Wie ist das Feststellungsverfahren organisiert?
Im Verfahren werden Ihre beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten mit den Anforderungen eines Ausbildungsberufs verglichen. Das Verfahren ist praxisnah und enthält typische Aufgaben aus dem Beruf.
Ziel: Sie müssen zeigen, dass Sie durch Ihre Berufserfahrung mindestens die überwiegenden beruflichen Handlungsfähigkeiten im angestrebten Beruf erworben haben. Näheres zum Feststellungsverfahren ist in der entsprechenden Verfahrensregelung der IHK Rhein-Neckar (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 191 KB) geregelt.
Wie läuft das Feststellungsverfahren ab?
Das Verfahren erfolgt in vier Schritten:
- Information und Beratung
Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren und zu den Dokumenten, die für die Antragsstellung benötigt werden. Außerdem kann der passende Referenzberuf identifiziert werden. Der Referenzberuf ist ein dualer Ausbildungsberuf. - Antragsstellung
Die interessierte Person dokumentiert die beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Für die Antragsstellung werden die Angaben durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsnachweise oder Zertifikate belegt. Die zuständige Stelle prüft den eingereichten Antrag formal und wertet die eingereichten Dokumente und Nachweise ggf. mit dem Feststellungstandem aus. - Bewertung
Ein Feststellungstandem, das aus zwei Prüfer/-innen besteht, stellt insbesondere mit praktischen und mündlichen Aufgaben die berufliche Handlungsfähigkeit im Gesamten oder in überwiegenden Teilen des Berufsbildes fest. - Ergebnismitteilung
Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die IHK ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf oder einen Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf aus. Kann keine überwiegende berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt werden, wird der Antrag abgelehnt.
Welche Dokumente sind für die Antragsstellung nötig?
- Kopie eines Identitätsnachweises (z. B. Personalausweis, Reisepass)
- Kopie eines Wohnsitznachweises (z. B. Personalausweis, Aufenthaltstitel)
- Angaben zur Berufserfahrung im Referenzberuf (z. B. aktueller Lebenslauf)
- Nachweise über den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit (z. B. Arbeitszeugnisse, Weiterbildungen, Schulungen)
- ggf. Antrag auf Nachteilsausgleich
Nachweise, die in einer anderen Sprache als in Deutsch ausgestellt sind, müssen in der Regel mit einer Übersetzung eingereicht werden.
Wie lange dauert das Feststellungsverfahren?
Die gesamte Dauer hängt unter anderem von den individuellen Voraussetzungen, von der Vollständigkeit des Antrags und dem jeweiligen Beruf ab. Die praktische Bewertung kann, je nach Beruf und Umfang, zwischen einem Tag und mehreren Tagen dauern.
In welchen Berufen wird das Verfahren angeboten?
Das Feststellungsverfahren wird in allen dualen Ausbildungsberufen angeboten.
Was erhält man nach erfolgreicher Teilnahme?
- Ein Zeugnis, wenn die berufliche Handlungsfähigkeit vollständig mit dem Ausbildungsberuf übereinstimmt.
- Einen Bescheid, wenn die berufliche Handlungsfähigkeit überwiegend mit dem Ausbildungsberuf übereinstimmt.
Menschen mit Behinderung können auch einzelne Bestandteile eines Referenzberufs feststellen lassen und darüber einen Bescheid mit teilweiser Vergleichbarkeit zum Referenzberuf erhalten.
Welche Möglichkeit besteht, wenn das Verfahren nur eine überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit ergibt?
Bei Erhalt eines Bescheides über die überwiegende Vergleichbarkeit kann binnen fünf Jahren ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren gestellt werden. Dieses hat das Ziel, die vollständige Vergleichbarkeit zu erreichen.
Was ist ein Ergänzungsverfahren?
Das Ergänzungsverfahren richtet sich auf die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit der beruflichen Kompetenzen. Ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren kann nur einmal gestellt werden.
Im Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit ist differenziert aufgeführt, für welche Bereiche die berufliche Handlungsfähigkeit besteht und für welche Bereiche sie nicht besteht. Im Ergänzungsverfahren werden nur die Bereiche bewertet, für die zuvor keine überwiegende Handlungsfähigkeit festgestellt wurde.
Kann das Feststellungsverfahren wiederholt werden?
Wird ein Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens abgelehnt, kann nach einer Frist von zwölf Monaten erneut ein Antrag gestellt werden. Dafür muss glaubhaft gemacht werden, dass neue oder zusätzliche berufliche Handlungsfähigkeit erworben wurde.
Welchen Nutzen hat das Verfahren für Arbeitgeber?
Mit dem Zeugnis bzw. Bescheid der Kammern erhalten Arbeitgeber eine verlässliche Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden oder von Bewerberinnen und Bewerbern, die keinen Berufsabschluss haben. Deren berufliche Handlungsfähigkeiten werden dann gesetzlich bescheinigt, sodass sie diese passgenau einsetzen und zielgerichtet weiterqualifizieren lassen können.
Nicht zuletzt bedeutet das Zeugnis bzw. der Bescheid eine besondere Wertschätzung und kann die Mitarbeiterbindung stärken: Beruflich kompetente Menschen können im Unternehmen gehalten und motiviert werden, sich weiterzuentwickeln. Somit leistet das Feststellungsverfahren auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?
Für Menschen mit Behinderung nach §2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX gelten zusätzliche Regelungen:
- Es kann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die gesundheitliche Einschränkung auf die Kompetenzfeststellung auswirkt.
- Es kann ein Antrag auf eine Verfahrensbegleitung gestellt werden.
Wenn aufgrund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit:
- Es ist ein Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit möglich.
- Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für die Antragsstellung entfällt.
- Der Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit kann zusätzlich auch eine überwiegende oder vollständige Vergleichbarkeit mit einer Referenzausbildungsregelung gem. *§66 BBiG / §42r HwO* ausweisen, sofern diese bundeseinheitlich geregelt ist.
Wozu berechtigt ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit?
- Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung (sog. Externenprüfung)
- Anspruch auf Zulassung zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe
(z. B. geprüfter/geprüfte Berufsspezialist/-in, Bachelor Professional) - Ausbildungsberechtigung: Mit einem Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit liegt die fachliche Eignung als Ausbilderin oder Ausbilder vor. Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung muss zusätzlich nachgewiesen werden (AEVO-Prüfung, Teil IV der Meisterprüfung), um ausbilden zu dürfen.
Was kostet das Verfahren?
Bitte beachten Sie, dass das Verfahren gebührenpflichtig ist. Die Gebühren entnehmen Sie Ziffer B.1.16 des Gebührentarifs. Sie werden mit einem Gebührenbescheid festgesetzt. Hierbei handelt es sich um keine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes – es wird keine Umsatzsteuer festgesetzt. Die IHK Rhein-Neckar ist in diesem Bereich hoheitlich tätig.
Anmeldung
Wir bieten individuelle und kostenfreie Beratungen an – sowohl zum Feststellungsverfahren als auch zu möglichen Alternativen. Füllen Sie das Anmeldeformular aus, um sich für ein Beratungsgespräch anzumelden.