Bei den Firmen schlägt die Stimmung um

Regionaler Konjunkturbericht Herbst 2023


J: Jahresbeginn; F: Frühjahr; H: Herbst

Ostbayerns Mittelstand fühlt sich von der Politik zunehmend im Stich gelassen. „Unsere Unternehmen bleiben nur dann wettbewerbsfähig, wenn der Bund und die wiedergewählte Landesregierung endlich wieder für ein besseres Investitionsklima sorgen“, stellt der Präsident der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim Michael Matt bei der Vorstellung des IHK-Konjunkturberichts Herbst fest. An der Umfrage haben sich 270 Unternehmen aller Größen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen in der Region beteiligt. Matts Appell: „Wirtschaftspolitik darf nicht zum bürokratischen Selbstzweck dienen. Sie muss Spielräume für langfristige Wachstumspfade öffnen.“ Als Negativbeispiel erinnert der IHK-Präsident an das Hickhack um das Heizungsgesetz. Hier hätte die Politik nicht nur bei Unternehmen und Endverbrauchern enorme Unsicherheit geschürt, sondern auch sich selbst einen Bärendienst erwiesen. „Akute Hindernisse stellen nach Aussage der Betriebe die Mauterhöhung, die CO2-Bepreisung bzw. ihr aufwändiges Meldeverfahren und die Überbesteuerung der Firmen etwa bei einer Betriebsübergabe dar“, sagt Matt.
Die Kritik an der Bundespolitik fällt unter den befragten Betrieben deutlich aus. „Um die Stimmung in der Wirtschaft zu heben, erwarten die Unternehmen von der Politik einen Befreiungsschlag. Ein Anfang wären konkrete Maßnahmen zum Bürokratieabbau und das Signal einer weiteren Entspannung bei den Energiekosten.“
Vor allem der Mittelstand fühlt sich abgehängt. Die Weltkonjunktur läuft weiterhin schleppend. Gleichzeitig kann das Inlandsgeschäft nicht mehr in die Bresche springen, so wie es die letzten beiden Jahre noch für Stabilität gesorgt hatte. Immerhin: Der Arbeitsmarkt bricht trotz Kapazitätsrückgängen nicht ein. In konsumabhängigen Branchen wie etwa Reise, Gastro und Handel stabilisieren die Lohnsteigerungen der letzten Monate und die nachlassende Inflation die Kauflaune wieder etwas.

Weniger Aufträge, weil Lager abgebaut werden

Der IHK-Konjunkturklimaindikator berücksichtigt die Geschäftslage und Erwartungen. Er sinkt bei der aktuellen Konjunkturumfrage auf 105 Punkte und liegt damit deutlich unter dem Zehnjahres-Durchschnitt von 120 Punkten. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Geschäftslage als „gut“ einschätzen, geht auf 41 Prozent zurück. Stabil zeigen sich die unternehmensnahen Dienstleister, die gegenüber der Frühjahrsumfrage bei der Lagebeurteilung als einzige Branche zulegen konnten.
Die Konsumzurückhaltung schlägt noch nicht in allen Branchen durch. Insbesondere im Tourismus und Gastro-Bereich zeigen sich weiterhin Nachholeffekte nach der Pandemie. Industrie und Handel schwächen sich aber ab. Als Nachwehe der Krisenzeit beobachten die Konjunkturexperten der IHK einen so genannte Lagerhaltungszyklus: Die Auftragslage ist rückläufig, denn zunächst werden die angestauten Lager geleert. Das bestätigt auch Umfrageteilnehmer Franz Eichinger von der PEKU Folien GmbH in Neumarkt in der Oberpfalz. Ihm fehlen derzeit rund zehn Prozent der Tonnage und ca. 25 Prozent vom Umsatz. „Zum einen bauen unsere Kunden im B2B-Bereich ihre Lagerkapazitäten ab, die sie letztes Jahr wegen der Ukrainekrise aufgebaut hatten. Zum anderen sparen die Endverbraucher an Investitionen und an Gütern des täglichen Bedarfs.“ PEKU merkt, dass die Menschen weniger im Geldbeutel haben, weil dadurch wiederum weniger Folien im Lebensmittel- und Konsumgüterbereich nachgefragt werden.
Auch wenn sich der regionale Bau in Summe überraschend widerstandsfähig zeigt, bei einem Fünftel treten Kapazitätsüberhänge auf. Die Merkl Hallen- und Stahlbau GmbH in Weiden ist als Generalunternehmer überregional im süd- und mitteldeutschen Raum unterwegs. „Vor allem bei den kleinen Unternehmen brechen uns die Aufträge weg – sie scheitern an der Finanzierung und an den schleppenden Baugenehmigungen“, stellt Geschäftsführer Harald Merkl fest. Investieren tue derzeit nur, wer genügend finanziellen Background mitbringe – dies seien zumeist die großen Mittelständler, beobachtet Merkl.

Hoffen auf Besserung im Auslandsgeschäft

Industrie und Großhandel melden der IHK neben dem Inlandsrückgang auch weniger Auslandsaufträge. Lediglich 13 Prozent konnten in den vergangenen Monaten zusätzliche Umsätze generieren. „Die Unternehmen berichten uns von Volatilität auf den internationalen Märkten, was ihre Planungen erschwert“, sagt IHK-Konjunkturexpertin Sibylle Aumer. Dennoch: „Verglichen mit den Vorumfragen setzen die exportorientierten Unternehmen für die nächsten Monate trotzdem verstärkt auf Aufträge aus dem Ausland.“ Eine Dynamik wird vor allem aus der Eurozone erwartet, mit großem Abstand gefolgt von Nord- und Südamerika. Das realisierte China-Geschäft bewegt sich bereits seit Frühjahr 2022 im negativen Bereich, ohne Aussicht auf Besserung.

Einwanderung als Chance

Die Anzahl der Firmen ohne akuten Personalbedarf erhöht sich laut IHK-Konjunkturbericht leicht von 25 auf 27 Prozent. „Die Beschäftigungspläne schwächen sich ab, sie korrelieren aber nicht mit den deutlich negativen Erwartungen an die Kapazitätsauslastung“, sagt Aumer. Die Unternehmen wollen ihre Arbeitskräfte überwiegend halten. Denn das Matching auf dem Arbeitsmarkt wird zunehmend schwierig: Die Anzahl der Befragten, die offene Stellen längerfristig nicht besetzen können, stieg innerhalb eines Jahres von 59 auf 64 Prozent. Die größte Personalnot herrscht im Tourismus. Hier sieht jeder zweite Betrieb fehlendes Personal als erhebliches Geschäftshemmnis. Mit Blick auf das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz will fast jedes zweite Unternehmen in der Region dem Arbeitskräftemangel durch Einstellung von Arbeitskräften aus dem Ausland begegnen.

Wie es mit der Konjunktur weitergeht

Die Geschäftserwartungen der von der IHK Befragten sinken in allen Branchen erneut unter den langjährigen Durchschnitt. Die mögliche Entwicklung auf den Absatzmärkten zeigen die Prognosen der einzelnen Industriebereiche: Der Konsumgütermarkt bleibt demnach stabil, Investitionsgüter brechen ein. Die heimischen Unternehmen kämpfen neben saisonalen Effekten zunehmend mit Risiken. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erreichen als Risikofaktor den Höchstwert seit der Umfrage vor der Bundestagswahl 2021. Gefährlicher werden nur der Fachkräftemangel und die steigenden Arbeitskosten eingeschätzt.
 (19.10.2023)