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Sondervergütungen

Oft erhalten Arbeitnehmer neben dem Grundgehalt weitere Sondervergütungen z. B. Weihnachtsgeld, Treueprämien, Gratifikationen, 13. Monatsgehalt, Anwesenheitsprämien oder Urlaubsgeld.
Stand: November 2022
Wegen der weit reichenden finanziellen Folgen (Bindung für die Zukunft, Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich aller Arbeitnehmer) empfiehlt sich unbedingt die Einholung eines rechtlichen Rats, wenn Sondervergütungen gezahlt werden sollen.

1. Was sind Sondervergütungen?

Unter Sondervergütungen versteht man Leistungen des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt und die aus einem bestimmten Anlass oder zu einem bestimmten Termin gewährt werden. In der Praxis sind insbesondere das Weihnachts- und Urlaubsgeld, das 13. Monatsgehalt, Jahresabschlussprämien oder Jubiläumszuwendungen relevant.

2. Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Sondervergütungen?

Nein, eine allgemeine gesetzliche Pflicht besteht nicht. Rechtsgrundlage kann zum Beispiel eine individuelle Vereinbarung oder ein Tarifvertrag sein.
Achtung: Das Urlaubsgeld darf nicht mit dem gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt verwechselt werden. Urlaubsentgelt meint die Fortzahlung der Vergütung während des Urlaubs, auf die jeder Arbeitnehmer Anspruch hat. Als Urlaubsgeld wird dagegen üblicherweise eine Einmalzahlung bezeichnet, die meist im Sommer gezahlt wird.

3. Woraus kann sich ein Anspruch auf Sondervergütung ergeben?

  • aus dem Einzelarbeitsvertrag,
  • aus einem anzuwendenden Tarifvertrag (siehe IHK-Merkblatt „Tarifauskunft und Geltung von Tarifverträgen“),
  • aus einer sog. betrieblichen Übung (regelmäßige, gleichförmige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen die aufgrund dieser Verhaltensweise gewährten Leistungen auch künftig auf Dauer gewährt werden sollen), z. B. der Arbeitgeber zahlt mindestens drei Jahre vorbehaltlos Weihnachtsgeld in Höhe ½ Monatsgehalts an seine Arbeitnehmer,
  • aus einer Betriebsvereinbarung,
  • aus einer Gesamtzusage (Arbeitgeber gibt einseitig bekannt, dass er jedem Arbeitnehmer unter von ihm festgelegten Voraussetzungen eine bestimmte Leistung gewährt) oder
  • aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (von einem Anspruch auf Zahlung einer Sondervergütung dürfen nicht in diskriminierender Weise bestimmte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen ausgeschlossen werden).
Achtung: Wenn Sie erstmals freiwillig beabsichtigen, Sondervergütungen an Ihre Mitarbeiter zu leisten, sollten Sie die vertragliche Vereinbarung bzw. die Auszahlung mit einem Freiwilligkeits- oder einem Widerrufsvorbehalt versehen. Andernfalls sind Sie rasch auch für die Zukunft an die Auszahlung gebunden. Im Hinblick auf das auf Arbeitsverträge anwendbare Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellen die Gerichte allerdings immer wieder neue, sehr hohe Anforderungen an die wirksame Formulierung von Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalten.
Da eine Beseitigung oder Kürzung von Sondervergütungen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, empfiehlt sich unbedingt die Einholung von Rechtsrat vor der Zusage solcher zusätzlicher Leistungen.

4. In welcher Höhe sind Sondervergütungen zu leisten?

Das ergibt sich aus der einschlägigen Rechtsgrundlage, wie dem Arbeitsvertrag, dem geltenden Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung, der Gesamtzusage oder der betrieblichen Übung. Dabei ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wenn Sonderzahlungen aufgrund einer abstrakten Regelung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip gewährt werden. Dann dürfen die Mitarbeiter nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden.

5. Kann der Anspruch wieder beseitigt/gekürzt werden?

Das ist davon abhängig, welche rechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch hat.

5.1 Individuelle Regelung

Wenn der Arbeitgeber bei der Zahlung eine klare Erklärung abgibt, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt und ein Rechtsanspruch für die Zukunft ausgeschlossen ist, entsteht kein weiterer Anspruch. Ob und in welcher Höhe etwa im Folgejahr eine weitere Zahlung erfolgt, kann der Arbeitgeber dann wiederum frei entscheiden. Allerdings muss eine klare und konkrete Freiwilligkeitserklärung bezogen auf eine bestimmte Zahlung abgegeben werden. Die früher üblichen allgemeinen Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte für jegliche Art von Zusatzzahlung bereits im Arbeitsvertrag sind problematisch. Von der Rechtsprechung wird es als intransparent und damit unwirksam angesehen, wenn ein Zahlungsanspruch an einer Stelle im Vertrag zugesagt wird, an anderer Stelle aber unter einen allgemeinen Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt gestellt wird.

5.2 Gesamtzusage

Die vorstehenden Ausführungen zum einzelarbeitsvertraglichen Anspruch gelten im Wesentlichen sinngemäß.

5.3 Betriebliche Übung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Beseitigung durch eine sog. „entgegengesetzte betriebliche Übung“ nicht mehr möglich. Der Anspruch auf Sonderzahlung kann nur durch eine einvernehmliche Übereinkunft oder einseitig durch eine Änderungskündigung beseitigt oder gekürzt werden.

5.4 Tarifvertraglicher Anspruch

Hier muss sich die Möglichkeit einer Kürzung oder Streichung aus dem Tarifvertrag ergeben. Darüber hinaus kann die Sondervergütung durch Abschluss eines neuen Tarifvertrages beseitigt oder geändert werden. (Aber Achtung: Im Fall der Kündigung oder des Ablaufs des Tarifvertrages gilt die Verpflichtung zur Zahlung weiter, bis sie durch eine „andere Abmachung“ ersetzt wird, § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz; eine „andere Abmachung“ kann auch eine Betriebsvereinbarung oder eine einzelvertragliche Abrede sein).

5.5 Betriebsvereinbarung

Entweder ist dort bereits die Möglichkeit einer Kürzung oder Streichung festgelegt; andernfalls kann auch eine neue Betriebsvereinbarung die alte Regelung ersetzen. Im Verhältnis von individualvertraglichen Ansprüchen und Betriebsvereinbarungen gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip, d. h. vertraglich begründete Ansprüche des Arbeitnehmers dürfen nachträglich durch Betriebsvereinbarung nur beschränkt werden, wenn die Neuregelung bei kollektiver Betrachtung insgesamt nicht ungünstiger ist.
In allen Fällen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen. Das heißt, die Sondervergütung kann nicht nur gegenüber einzelnen Arbeitnehmern eingestellt werden (Ausnahme: Es besteht ein sachlicher Differenzierungsgrund, siehe oben).

6. Hat ein ausscheidender Mitarbeiter Anspruch auf eine Sondervergütung?

Bei Arbeitnehmern, die vorzeitig (vor Ablauf des Bezugsjahrs bzw. vor Auszahlung der Sondervergütung) ausscheiden, stellt sich die Frage, ob sie zumindest Anspruch auf Auszahlung einer anteiligen Sondervergütung haben. Das richtet sich dies nach dem vom Arbeitgeber mit der Sondervergütung verfolgten Zweck.
  • Bei Sondervergütungen mit reinem Entgeltcharakter, bei denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung zusätzlich vergüten will, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine anteilige Auszahlung.
  • Bei Sondervergütungen, mit denen allein ein Anreiz für (künftige) Betriebstreue des Arbeitnehmers geschaffen werden soll, besteht kein Anspruch auf eine (anteilige) Zahlung, wenn am Stichtag kein Arbeitsverhältnis mehr besteht, bzw. dieses (wirksam) gekündigt ist. Dass allein die Betriebstreue belohnt werden soll, muss sich aber deutlich aus der zugrundeliegenden Vereinbarung ergeben und die Sondervergütung darf keinen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung ausmachen.
  • Werden mit der Sondervergütung beide Zwecke verfolgt (Sondervergütung mit Mischcharakter), gelten nach neuerer Rechtsprechung die oben genannte Grundsätze zu den Sondervergütungen mit Entgeltcharakter.
Für welche Fehlzeiten Kürzungsvereinbarungen zulässig sind, ist im Einzelfall zu prüfen.

7. Wann kann die Sondervergütung zurückgefordert werden?

Die Möglichkeit eines Arbeitgebers, eine Sondervergütung vom Arbeitnehmer zurückzufordern, der kurz nach Erhalt der Zahlung z. B. kündigt und ausscheidet, besteht nur bei besonderer Vereinbarung im Arbeits-, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung. Zulässig ist eine solche Rückzahlungsvereinbarung für Sondervergütungen mit Gratifikationscharakter, deren Zweck die Belohnung der Betriebstreue ist. Auch an die Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen stellen die Gerichte hohe Anforderungen. Maßstab für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklauseln ist unter anderem, dass durch sie eine Kündigung nicht über Gebühr behindert werden darf. Je nach der Höhe der Sondervergütung haben die Gerichte unterschiedliche Bindungszeiten für zulässig angesehen.
Achtung: Dagegen kann für Sondervergütungen mit reinem Entgeltcharakter keine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden.

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.