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BFH zur Steuerberichtigung bei Sollbesteuerung

Mit Urteil vom 24. Oktober 2013 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer einen Entgeltanspruch, den er aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht verwirklichen kann, bereits im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung berichtigen kann. Er ist nicht verpflichtet, Umsatzsteuer über mehrere Jahre vorzufinanzieren.
Im Rahmen der Sollbesteuerung müssen Unternehmer ihre Leistungen bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung versteuern, unabhängig davon, ob das Entgelt bereits vereinnahmt wurde. Erst wenn der Unternehmer seinen Entgeltanspruch nicht durchsetzen kann, ist eine Berichtigung nach § 17 Umsatzsteuergesetz (UStG) möglich. Der Unternehmer tritt bei der generell anzuwendenden Sollbesteuerung mithin häufig mit der Umsatzsteuerzahlung in Vorleistung. Im Fall der Istbesteuerung entfällt eine Vorfinanzierung von Umsatzsteuerbeträgen, da der Steueranspruch des Fiskus erst für den Voranmeldezeitraum entsteht, in dem das Entgelt tatsächlich vereinnahmt wird. Die Anwendung der Istbesteuerung ist jedoch an einschränkende Voraussetzungen geknüpft und steht deshalb nur kleineren Unternehmen sowie nicht bilanzierenden Freiberuflern offen.
Die im Streitfall von der Klägerin – einem Bauunternehmen – erbrachten Leistungen unterlagen Gewährleistungsfristen von zwei bis fünf Jahren. Bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist waren die Kunden vertraglich berechtigt, 5 bis 10 % der Vergütung als Sicherungseinbehalt zurückzuhalten. Die Klägerin hätte dies nur durch Vorlage einer Bankbürgschaft verhindern können. Sie gab an, dass sie zur Beibringung entsprechender Bürgschaften nicht in der Lage war. Daher berücksichtigte die Klägerin die Sicherungseinbehalte für mögliche Baumängel nicht als bereits bei der Leistungserbringung zu versteuerndes Entgelt und führte die darauf entfallende Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab.
Dem widersprachen Finanzamt und Finanzgericht. Sie sahen die Klägerin im Rahmen der Sollbesteuerung als verpflichtet an, die Leistungen in vollem Umfang – mithin auch hinsichtlich der Sicherungseinbehalte – in dem Zeitpunkt zu versteuern, in dem die Leistung erbracht wurde. Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG liege nicht vor, da die Kunden keine Mängelansprüche geltend gemacht hätten.
Der BFH entschied nun, dass der Unternehmer nicht verpflichtet ist, Umsatzsteuer über mehrere Jahre vorzufinanzieren. Der Unternehmer soll mit der Umsatzsteuer als indirekter Steuer nicht belastet werden. Mit diesem Charakter der Umsatzsteuer sei eine Vorfinanzierung für einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht vereinbar. Die Vorfinanzierung des Sollversteuerers würde zudem im Verhältnis zur Istbesteuerung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz darstellen. Es sei von einer Steuerberichtigung nach § 17 UStG bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung auszugehen.
Im Entscheidungsfall verwies der BFH die Sache an das Finanzgericht zurück. Dieses muss nun klären, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Sicherungseinbehalte nicht die vollständigen Entgelte vereinnahmen konnte. Soweit die Klägerin laut Vertrag durch Gestellung von Bankbürgschaften die vollständige Zahlung hätte beanspruchen können, kommt es dabei auch darauf an, ob die Klägerin solche Bürgschaften tatsächlich hätte beibringen können.

Stand: Februar 2024