Mit Beethoven in die Zukunft (9/2018)

Neubeginn 1945/46

Wohn- und Arbeitsstätten zerstört, Not und Elend überall, die Wirtschaft der Pfalz in ihren Grundfesten erschüttert - das war die Situation nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945. Trotz der desolaten Situation arbeitete die Ludwigshafener Kammer fast ohne Pause weiter. Bereits am 2. Juni 1945 nahm sie mit Genehmigung der Militärregierung auch offiziell ihren Betrieb wieder auf - zunächst allerdings nur provisorisch. Die eigentliche Konstituierung erfolgte nach den Neuwahlen am 3. Juni 1945.
Bis in die letzten Kriegstage hinein hielt die Wirtschaftskammer Ludwigshafen, in die die IHK 1943 überführt worden war, den Geschäftsbetrieb aufrecht. Allerdings unter schwierigsten Umständen: Die Geschäftsstelle hatte zuletzt in zwei Kellerräumen des zerbombten Gebäudes der Bayerischen Notenbank in der Bismarckstraße Unterschlupf gefunden. Es gab keinen Strom, gearbeitet wurde bei Petroleumlicht.
Nach der Besetzung der Stadt Ludwigshafen am 23. März 1945 belegten amerikanische Truppenangehörige für einige Tage die Räume. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Dr. Kopsch musste die Tresorräume öffnen. Unterlagen, die mit dem Krieg zu tun hatten, nahmen die Amerikaner mit.

Kammer arbeitete bereits im April 1945 wieder

Anfang April nahm die Kammer ihre Tätigkeit in zwei gemieteten Büros im Amtsgericht Ludwigshafen wieder auf. hier arbeiteten zunächst nur zwei Mitarbeiter - der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Dr. Kopsch und ein Angestellter namens Bitz. "Meine Aufgabe bestand hauptsächlich in der Ausstellung von Bescheinigungen zur Erlangung von Passierscheinen sowie Befürwortung von Passierscheinanträgen", berichtete dieser rückblickend zehn Jahre nach Kriegsende. Denn ohne diese Scheine durfte man die Stadt nicht verlassen.
Der Arbeitsalltag war schwierig - Post und Telefon funktionierten nicht, die Dienstwagen der Kammer waren defekt. Reisen zur Militärregierung in Neustadt konnten nur per Bahn und in defekten Güterwagen stattfinden. Auch der innere Aufbau des Büros erforderte viele Mühen, waren doch Mobiliar und Arbeitsmaterialien durch die Bombenangriffe zerstört und kaum neu zu beschaffen.

Begehrte Anlaufstelle

Dabei mehrten sich die Anfragen von einzelnen Dienststellen der Militärregierung wie auch deutschen Stellen von Tag zu Tag. Bereits Ende April beauftragte die Militärregierung die Kammer mit einer ersten Erhebung unter allen Ludwigshafener Betrieben, in denen es um den Grad der Einsatzfähigkeit der Unternehmen, ihre Mitarbeiterzahl und vorhandene Vorräte an Rohstoffen und Produkten ging. Auf der Grundlage dieser Auskünfte sollten die Unternehmen eine vorläufige Produktionsgenehmigung erhalten. In dieser ersten Zeit nach Kriegsende erledigte die Kammer übergangsweise auch die Geschäftsführung für verschiedenen Pfälzische Verbände und Vereinigungen.
Im Juni konnte die Kammer in größere Büroräume bei der Firma Halberg in Ludwigshafen-Süd ziehen und beschäftigte schon wieder rund 25 Mitarbeiter. Die Kammer durfte jetzt selbst Passierscheine ausstellen - über 100 Stück waren es pro Tag. Eine ihrer Hauptaufgaben war der monatliche Bericht an die Militärregierung über die Lage in Ludwigshafen - natürlich zweisprachig auf Französisch und auf Deutsch.

Ein provisorischer Präsident

Um die Kammer möglichst schnell wieder arbeitsfähig zu machen, installierten die Militärregierung und das Oberregierungspräsidium Mittelrhein-Saar am 2. Juni einen zwölfköpfigen Beirat der Kammer, der aus seiner Mitte als ersten Nachkriegspräsidenten Otto Ferdinand Edler von Riss, Direktor der Gienanthschen Werke in Eisenberg, wählte.  Vizepräsidenten wurden Direktor Dr. Ernst Fernholz (Firma Halberg, Ludwigshafen), Direktor Dr. Bernhard Landmesser (Firma Knoeckel, Schmidt & Cie in Lambrecht) und Kaufmann Walter Baer aus Neustadt.
Der Beirat und die Wahlen hatten einen "rein provisorischen Charakter", wie im Protokoll zu lesen ist. Denn einmal waren nicht alle Wirtschaftszweige im Beirat vertreten. Zum anderen strebte die Militärregierung so schnell wie möglich Wahlen zu allen IHK-Gremien an. Die Amtszeit des vorläufigen Präsidiums sollte daher so lange dauern, bis eine allgemeine Wahl möglich war.

Ludwigshafen bleibt Kammersitz

Die wieder gegründete IHK hatte ihren Sitz weiterhin in Ludwigshafen und umfasste das Gebiet der Pfalz. Allerdings war im Vorfeld heiß diskutiert worden, ob nicht Neustadt zum neuen Kammersitz werden könnte. Als Kompromiss richtete die IHK in Neustadt eine Statistische Abteilung ein und unterhielt Zweigstellen in Kaiserslautern, Neustadt und Pirmasens - wie zuvor schon die Wirtschaftskammer. Die verschiedenen Zweige der Industrie und des Handels schlossen sich innerhalb der Kammer zu Fachgruppen zusammen.
Alle gewerblichen Betriebe mit Ausnahme von Handwerk und Landwirtschaft gehören der Kammer an. Dies waren 1945 in der Pfalz 4.200 handelsgerichtlich eingetragene Firmen und rund rund 20.000 nicht eingetragene Betriebe. Nach Ludwigshafen bildeten sich auch in Mainz, Worms und Bingen wieder IHKs. Die Kammern behielten ihren öffentlich-rechtlichen Charakter und übernahmen in zunehmenden Maße Selbstverwaltungsaufgaben.

Feierstunde mit Beethoven


Programm Neukonstituierung
Nachdem im Laufe des Jahres 1945 das gesamte Kammergebiet der französischen Besatzungsmacht unterstellt worden war, ordnete die französische Militärregierung am 3. Juni 1946 die Reorganisation der IHKs an. Mit einer Feierstunde im Gesellschaftshaus der I.G.-Farben und zu den Klängen von Beethoven konstituierte sich die IHK Pfalz in Ludwigshafen dann am 18. Juni neu und wurde in Anwesenheit der Vertreter der Militär-Regierung und des Oberregierungspräsidenten feierlich eröffnet. Auf Vorschlag des Oberregierungspräsidenten wurde Bernhard Landmesser von der Militärregierung zum Präsidenten ernannt, zuvor hatte der 36-köpfige Beirat aus seinen Reihen der Vizepräsidenten gewählt: für Ludwigshafen Hermann Fernholz (Firma Halberg), für Kaiserslautern Karl Pallmann (Firma K. Pallmann) und für Pirmasens Heinrich Hofmann (Firma Erika Schuhfabrik).
Der Beirat der Kammer beschloss die neue Satzung der Kammer am 5. November 1946, die Militärregierung genehmigte diese am 20. November. Damit hatte die Kammer wieder ein festes Fundament für ihre Arbeit.