Geschichte der IHK Pfalz: die jüngsten 25 Jahre

Die Folgen der Wiedervereinigung, die Einführung des EU-Binnenmarktes und des Euro, Digitalisierung und Globalisierung, Fachkräftemangel als Folge des demografischen Wandels – es ist ein ganzes Themenbündel, mit dem sich die IHK Pfalz in den letzten 25 Jahren befassen musste. Dabei hat sich die Kammer immer mehr zu einem serviceorientierten Dienstleister für die Wirtschaft gewandelt und ist als Meinungsführer der regionalen Wirtschaft weiterhin ein kritischer Partner der Politik.
Schon ein Blick auf den Organisationsplan der IHK Pfalz zeigt, wie sich die Aufgaben der Kammer in den letzten 25 Jahren verändert haben. Waren damals Industrie und Handel namensgebend für zwei große Abteilungen der Kammer, so sind es heute Querschnittsthemen wie etwa Ausbildung und Weiterbildung, Recht oder International, die für alle Branchen von Bedeutung sind.
Um die Jahrtausendwende führten die IHKs bundesweit ein neues Marketingkonzept ein. Schon vorher war aus der einstigen Industrieabteilung zunächst die Abteilung für Industrie, Raumordnung, Umwelt und Verkehr geworden. Mittlerweile heißt die Abteilung Innovation, Umwelt und Energie. Als wichtiger Standortfaktor kam der letzte Teilbereich vor etwa drei Jahren neu dazu. Ein Zeichen, dass sich die Herausforderungen nochmals geändert haben. Aus der Handelsabteilung wurde der Geschäftsbereich Standortpolitik.

Herausforderung Europa

Generell haben die Bürokratie und die Regelungsdichte im vergangenen Vierteljahrhundert ständig zugenommen, es gibt immer mehr Beschränkungen und Zugangshürden für die gewerbliche Wirtschaft. Mit ein Grund ist das Zusammenwachsen Europas, beginnend mit der Einführung des EU-Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 und der Einführung des Euro im Jahr 2002. Beide Ereignisse begleitete die IHK mit Informationskampagnen und setzte sogar eigene Berater wie einen Binnenmarkt-Beauftragten ein.
Die zahlreichen EU-Regelungen wie etwa die Vorschriften für Kennzeichnungspflichten oder die gewerberechtlichen Registrierungs- und Genehmigungsverfahren erforderten vermehrte Beratungen und Informationen. Gleichzeitig musste die Kammer auch neue gesetzliche Aufgaben und Serviceleistungen im Rahmen der Selbstverwaltung übernehmen, zum Beispiel das Umweltmanagementsystem EMAS, Register und gewerberechtliche Genehmigungsverfahren für Versicherungsvermittler und andere Dienstleister.
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 führte zu einer enormen Regelungsdichte auf dem Finanzsektor, mit denen sich die IHK in ihren Fachgremien intensiv befasst hat. Mit der Ost-Erweiterung der EU entstand zudem ein vermehrter Beratungsbedarf der Mitgliedsunternehmen bei der Erschließung neuer Auslandsmärkte.

Globalisierung

Die Welt ist internationaler geworden und die internationalen Handelsbeziehungen sind wichtiger geworden. Dies ist gerade für die Pfalz von großer Bedeutung, da mehr als 65 Prozent der im Kammerbezirk produzierten Waren in den Export gehen. Darauf hat die IHK mit dem Aufbau von Länderschwerpunkten bei der Außenwirtschaftsberatung reagiert. Rumänien, Lateinamerika, China, Vietnam und die Türkei werden von der Ludwigshafener IHK betreut, andere IHKs haben sich auf weitere Länder spezialisiert. So können die IHKs ihre Mitgliedsunternehmen arbeitsteilig kompetent beraten. Auch das Netzwerk der rund 120 Auslandshandelskammern in 80 Ländern wird daher von der IHK Pfalz zum Nutzen ihrer Mitgliedsunternehmen stark unterstützt.

Netzwerken

Doch auch vor Ort ist die IHK aktiv und engagiert sich in verschiedenen Initiativen und Vereinigungen für die Verbesserung von Standort- und Wettbewerbsbedingungen der Mitgliedsunternehmen. Ein besonderes Anliegen ist es der IHK bis heute, die Interessen im gewachsenen Wirtschaftsraum der heutigen Metropolregion Rhein-Neckar länderübergreifend zu bündeln. So war die IHK Pfalz 1989 Gründungsmitglied beim Arbeitskreis Rhein-Neckar-Dreieck. Daraus ist zugleich eine  enge Zusammenarbeit mit der IHK Rhein-Neckar in Mannheim erwachsen. So haben beide Kammern 2002/03 schließlich das gemeinsame IHK-MRN-Wirtschaftsforum gegründet, das sich als Sprachrohr der Wirtschaft der Metropolregion versteht und sich für die Belange der regionalen Wirtschaft einsetzt. Die Mitglieder werden in den Vollversammlungen der Kammern gewählt.
Es gehört zu den Besonderheiten der Pfalz, dass sie an ihren Rändern jeweils an starke gewachsene Wirtschaftsräume angrenzt, im Norden z.B. an den Wirtschaftsraum Rhein-Main mit dem IHK-Bezirk Rheinhessen, im Süden an die Technologieregion Karlsruhe und die trinationale Metropolregion Oberrhein mit der IHK Karlsruhe und den IHKs im benachbarten Elsass oder im Westen an die Großregion Saar-Lor-Lux mit den IHKs in Lothringen, im Saarland und in Trier. Auf die daraus entstandenen engen wirtschaftsräumlichen Verflechtungen hat die IHK Pfalz durch vielfältige regionale Kooperationen mit benachbarten IHKs reagiert. Sie alle haben das gemeinsame Ziel, trennende politische Grenzen zu überwinden und die Wirtschaftsräume zu attraktiven und wettbewerbsfähigen Einheiten zu entwickeln.  Um den Interessen der Wirtschaft nicht nur auf regionaler Ebene Geltung zu verschaffen, hat die IHK Pfalz auch auf Landesebene mit den IHKs in Koblenz, Trier und Mainz die schlagkräftige IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz weiter ausgebaut. Auf Bundesebene ist die IHK Pfalz im Verbund aller deutschen IHKs beim Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin in allen wichtigen Fachressorts aktiv.

Stadtentwicklung

Als in den 1990er Jahren immer mehr Geschäfte die Innenstädte verlassen, auf die „grüne Wiese“ ziehen und die Stadtzentren veröden, beginnt die IHK Politiker und Kommunalverwaltungen mit einer intensiven Aufklärungsarbeit dafür zu sensibilisieren, durch vorausschauende Planungsverfahren und abgestimmte Einzelhandelskonzepte die Funktion der Innenstädte als Versorgungszentren zu erhalten. Zudem unterstützt die IHK Gewerbe- und Marketingvereine darin, die zentralen Geschäftsstandorte durch ein effizientes Stadtmarketing und Citymanagement wieder für Kunden und Besucher attraktiver zu machen. Dabei findet die IHK im US-amerikanischen Konzept der Business Improvement Districts, kurz BIDs, einen erfolgversprechenden Ansatz, die Innenstädte zu revitalisieren und wieder zu erfolgreichen Einkaufszentren zu entwickeln. Dem Einsatz der IHK Pfalz ist es zu verdanken, dass die Landesregierung im August 2015 die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung von BIDs geschaffen hat. Die Umsetzung in die Praxis steht allerdings noch aus.

Verkehr/Infrastruktur

Steter Tropfen höhlt den Stein – so könnte man das Engagement der IHK Pfalz im Verkehrsbereich beschreiben. In den letzten 25 Jahren wies die Kammer immer wieder auf Defizite in allen Verkehrssektoren und den Handlungsbedarf der Politik beim Ausbau der Infrastruktur hin. Dringende, bislang noch nicht verwirklichte Verkehrsprojekte in der Pfalz sind die Reinquerungen bei Wörth und südlich von Ludwigshafen, die Bienwaldautobahn oder die Verbesserung der Bahnverbindung zu den Nordsee-Häfen für den Güterverkehr.
Seit Mitte der 1990er Jahre setzt sich die IHK Pfalz für eine Ertüchtigung der Luftverkehrsinfrastruktur in der Metropolregion Rhein-Neckar ein. Hierzu sollte die Landebahn auf dem 1912 gegründeten Flugplatz in Speyer ausgebaut werden, um die EU-Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen und so einen sicheren und zukunftsfähigen Geschäftsreiseverkehr für die Unternehmen in der Region  zu gewährleisten. 1998 übernahmen neben der Stadt Speyer und dem Land Rheinland-Pfalz auch Unternehmen der Wirtschaft sowie die IHK Beteiligungen an der Flugplatzgesellschaft. Mit finanzieller Unterstützung des Landes konnte schließlich die Landebahn verlängert und ein neues Terminalgebäude mit Tower bis 2013 fertiggestellt werden. Für den letzten Schritt, noch mehr Sicherheit durch ein GPS-gestütztes Anflugverfahren zu erreichen, steht jetzt noch ein formales Genehmigungsverfahren der Luftfahrtbehörden aus.
Ein Dauerthema ist auch die A8, die einst zwischen Pirmasens und Karlsruhe geplant war, um das Saarland und vor allem die Westpfalz besser an die Verkehrsachsen entlang der Rheinschiene im Osten anzubinden. Nachdem die ursprünglichen Planungen scheiterten, setzt sich die IHK für den durchgehend vierspurigen Ausbau der B 10 durch den Pfälzer Wald als „Lebensnerv“ der Südwestpfalz ein, damit die Region nicht den Anschluss verliert.

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist ein weiteres Thema, das seit den 90er Jahren zu den fortdauernden Herausforderungen für die Wirtschaft wie auch für die IHK zählt. In der IHK waren der Aufbau einer eigenen Verwaltungssoftware Mitte der 90er Jahre, die Einführung einer Internet-Plattform (www.ihk.de/pfalz) mit leistungsfähiger E-Mail-Anbindung oder auch die Beteiligung an einem bundesweiten Wissensmanagement-System zweifellos Meilensteine auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt. Ganz abgesehen von einem ständigen Auf- und Ausbau elektronischer Geschäftsprozesse, um in allen Belangen eine schnelle und sichere Kommunikation mit den IHK-Mitgliedsunternehmen  zu gewährleisten. Die IHK Pfalz setzt dabei verstärkt auf Kooperationen mit anderen Kammern, um die modernen Techniken effizient und kostengünstig einsetzen und kontinuierlich weiterentwickeln zu können.
Da die Digitalisierung vor allem auch für kleinere und mittelständische Unternehmen eine wachsende Herausforderung darstellt, hat die IHK ihr Angebot an Informationen, Beratungen und Unterstützung rund um das Thema IT und Digitalisierung verstärkt- aktuell zum Thema „Wirtschaft 4.0“. Hierin sieht die IHK für die Zukunft einen maßgeblichen Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor für ihre Mitgliedsbetriebe.

Konversion als Chance

Auch bei der militärischen Konversion, die im Zuge der Ost-West-Entspannung 1989 mit dem Truppenabzug in Zweibrücken begann, wurde die IHK aktiv. Die Konversion wirkte sich besonders auf die Westpfalz als den sogenannten „Flugzeugträger der US-Streitkräfte in Europa“ massiv aus. Die IHK Pfalz hat die Folgen für die pfälzische Wirtschaft analysiert und konkrete Unterstützung geleistet, um die freiwerdenden Militärstandorte für eine Nutzung durch die Wirtschaft zu erschließen. Mit ihrem Kaiserslauterer Dienstleistungszentrum zog die Kammer selbst 1999 in den PRE-Park. Dieses erfolgreiche Konversionsprojekt örtlicher Unternehmer hat das fast 700.000 Quadratmeter große ehemalige Kasernengelände im Norden der Stadt zu einem Technologie-Park entwickelt.

Umweltschutz

Das wachsende Umweltbewusstsein hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Beispielhaft genannt seien hier die Verpackungsverordnung mit der Rücknahmepflicht im Handel oder die europäische Chemikalienverordnung (REACH). Die IHK reagierte auf diese Entwicklung mit der Einstellung einer Umweltreferentin, baute eine Recyclingbörse auf und beteiligte sich angesichts einer besonderen Bedarfslage in der regionalen Wirtschaft an einer Sonderabfallgesellschaft.

Ausbildung und Fachkräftemangel

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die IHK mit einer öffentlichen Plätzchen-Back-Aktion unter dem Motto „Ein Plätzchen geht doch noch“ oder dem flächendeckenden Einsatz von Ausbildungslotsen um die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen warb. Damals drängten mehr Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt als die Betriebe Ausbildungsplätze zur Verfügung stellten. Der Trend hat sich im Laufe nur eines Jahrzehnts umgekehrt. Mittlerweile sind Azubis fast schon Mangelware, und die IHK versucht mit Angeboten zur Berufsorientierung und Kampagnen wie „durchstarter.de“ Jugendliche für eine Ausbildung zu begeistern.
Die zurückgehenden Azubi-Zahlen sind Folge des demografischen Wandels, genau wie der zunehmende Fachkräftemangel. Auch darum kümmert sich die IHK Pfalz intensiv, um den Unternehmen dabei zu helfen, passende Nachwuchskräfte für ihre Betriebe zu finden. So hat die IHK ein eigenes Beratungsteam „Fachkräfte und Qualifizierungsberater“ aufgebaut, das mittelständische Betriebe bei Fragen der Qualifizierung und Rekrutierung von Mitarbeitern berät und unterstützt. Zudem stehen drei IHK-Mitarbeiterinnen seit einigen Jahren den allgemeinbildenden Schulen als Berater für Berufsorientierung zur Verfügung, um den Schülern bereits vor dem Schulabschluss Wege in eine passende Berufsausbildung aufzuzeigen.
In diesem Zusammenhang beteiligt sich die IHK Pfalz auch an der bundesweiten IHK-Zentralstelle für die Prüfung und Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse (FOSA in Nürnberg), um damit die Integration von Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Die Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt haben dazu geführt, dass auch die Ausbildung und die Weiterbildung ständig angepasst werden mussten und müssen. Die Weiterbildung von Fachkräften ist zunehmend wichtiger geworden. Dabei gewinnen in den letzten Jahren auch neue Formen wie digitales Lernen oder blended learning an Bedeutung.

Flüchtlinge

Dass die IHK und ihre Aufgaben immer auch ein Spiegel der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen sind, zeigte sich zuletzt eindrucksvoll 2016, als die IHK angesichts massiver Zuwanderungen nach Deutschland  ein Integrationsprojekt für Flüchtlinge startete. Auch mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftebedarf bewilligte die Vollversammlung eine Million Euro, um zusammen mit den Arbeitsagenturen durch individuelle Kompetenzchecks fachliche Kenntnisse und berufspraktische Erfahrungen von Flüchtlingen festzustellen – eine zwingende Voraussetzung für eine Integration in den Arbeitsmarkt beziehungsweise für die Vermittlung in ein Ausbildungsverhältnis.

Fazit

Die IHK bleibt damit auch im 176. Jahr ihres Bestehens ein wichtiger Partner des Staates, für den sie im Rahmen der Selbstverwaltung der Wirtschaft eine Vielzahl an Aufgaben erledigt. Außerdem ist sie als Meinungsführer der regionalen Wirtschaft ein kritischer Partner der Politik. Sie hat sich dabei in den letzten 25 Jahren immer mehr zu einem Dienstleister für ihre Mitgliedsunternehmen entwickelt – stets mit dem Anspruch einer effizienten und wirtschaftlichen Erfüllung ihrer Aufgaben.