Die "Entjudung" der Wirtschaft (7-8/2018)

Systematische Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben

 

Schon 1933 begannen die Nationalsozialisten mit einem konsequenten Verdrängungsprozess der Juden aus Wirtschaft und Gesellschaft. Staatliche Stellen, Partei und auch wirtschaftlich Verbände und Kammern arbeiteten dabei zusammen, gestützt auf einen breiten Konsens in der Bevölkerung, versprach die "Entjudung" der Wirtschaft doch beträchtliche Gewinnung die Ausschaltung lästiger Konkurrenz.
Wie früh die Boykottmaßnahmen losgingen, zeigt eine Beschwerde der Kaiserslauterer Firma B. Schweinter und Co. vom 22. März 1933. Das Unternehmen beklagte, dass seit etwa zwölf Tagen der Haupteingang ihres Geschäftes fast ununterbrochen von drei bis vier Männern besetzt sei, die Hakenkreuzarmbinden und ein Schild mit der Aufschrift "Deutsche, kauft nicht bei Juden!" trugen.
Anfangs gab es noch vereinzelte Stimmen gegen die Boykottierung der jüdischen Geschäfte. So machte die Pirmasenser Schuhindustrie im März 1933 darauf aufmerksam, dass diese Aktion den Schuhhandel zur Zurückhaltung im Einkauf zwingen werde, denn der Schuh-Einzelhandel und ein großer Teil der Warenhäuser befänden sich in jüdischen Händen. Auch Unternehmen der Pfälzer Textilbranche sahen ihren Absatzmarkt durch die Boykottmaßnahmen bedroht, da 70 Prozent der Geschäfte in jüdischer Hand seien. Sie befürchteten einen Stillstand ihres Betriebes. "Andernfalls würden letzten Endes nicht die einzelnen jüdischen Geschäfte, sondern die christlichen Fabrikanten und Lieferanten sowie die christlichen Arbeiter und Angestellten der Fabriken die Leidtragenden sein," warnten sie in einem Schreiben an die Kammer.

Geschäftsverbot für Juden

 
Gesetze, Verordnungen, Boykotte und organisierter "Volkszorn" mündeten schließlich in das Novemberpogrom von 1938. Am 12. November 1938 gab Hermann Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" bekannt. Ab dem 1. Januar 1939 war Juden "der Betrieb von Einzelhandelskaufstellen, Versandgeschäften oder Bestellkontoren sowie der selbständige Betrieb eines Handwerks" untersagt.
Am 18. November erfolgte ein weiterer Erlass des Reichswirtschaftsministers, der konkrete Anweisungen zur Umsetzung enthielt, etwa die grundsätzliche Prüfung, ob überhaupt ein volkswirtschaftliches Interesse für die Aufrechterhaltung eines ehemals jüdischen Betriebs unter nichtjüdischer Leitung besteht. Für diese Prüfung, die zur "Beschleunigung" direkt vor Ort in gemeinsamen Besprechungen und ohne Schriftverkehr erfolgen sollte, waren die Kammern bzw. in der Pfalz die 16 Industrie- und Handelsgremien zuständig. 1938 gingen immer wieder Anfragen verschiedener staatlicher Stellen, etwa der Reichsbeauftragten für unedle Metalle, für Eisen und Stahl, der Überwachungsstellen für Kautschuk und Asbest oder Papier in der Ludwigshafener Geschäftsstelle ein, die um Auskunft baten, ob bestimmte Unternehmen "als jüdische Unternehmen anzusehen sind". Die IHK leitete die Fragen an die Industrie- und Handelsgremien weiter, die dies vor Ort prüften. Ein administrativer Vorgang, der auch die Pfälzer Kammer zu einem Rad in der Maschinerie der Diktatur machte.