"Ein geschlossenes Bollwerk des Grenzbezirks der Westmark" (7-8/2018)

Wirtschaftskammer ersetzt IHK

 
Zwei Jahre vor Kriegsende hörte die IHK für die Pfalz auf zu bestehen: Sie wurde genau wie Handwerkskammern, Wirtschaftsgruppen und die 1934 gegründete Wirtschaftskammer aufgelöst und in die Gauwirtschaftskammer überführt. Die Nationalsozialisten legen die konstituierende Sitzung ausgerechnet mit der Feier des 100-jährigen Bestehens der Kammer zusammen und vereinnahmten damit die lange Tradition der Pfälzer Industrie- und Handelskammer für sich.
"Hundert arbeitsreiche und mühevolle Jahre waren vergangen, als sich in den Mittagsstunden des Freitags der Beitrat der Wirtschaftskammer Ludwigshafen im Vortragssaal der I.G. Farben zu einem ehrenden Rückblick zusammenfand." Mit diesen Worten begann ein Zeitungsartikel, der über das 100-jährige Bestehen der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz in Ludwigshafen am Rhein berichtete. Allerdings hörte die hochgelobte Einrichtung, die da am 30. April 1943 gefeiert wurde, mit dieser Feierstunde zu bestehen auf. Denn an ihre Stelle trat die Wirtschaftskammer Ludwigshafen als "Ableger" der Gauwirtschaftskammer, in die die IHK für die Pfalz und die Handwerkskammer der Pfalz überführt worden war.

Gauwirtschaftskammerverordnung als Grundlage

 
Die Grundlage für die Auflösung der IHK bildete die Gauwirtschaftskammerverordnung vom 20. April 1942, mit der die Kammerorganisation der deutschen Wirtschaft aufgelöst wurde. Die IHKs, Handwerkskammern und Wirtschaftsgruppen wurden in 42 Gauwirtschaftskammern überführt, die sich mit den politischen Gauen decken sollten. Unverändert galt das Führerprinzip - Präsident und Vizepräsident der Wirtschaftskammer wurden vom Reichswirtschaftsminister eingesetzt. Diese Umorganisation wurde vorgenommen, um die Wirtschaftsabläufe zu vereinfachen und gleichzeitig die Kräfte der gewerblichen Wirtschaft zusammenzufassen und um die Leistungen in der Rüstungswirtschaft zu steigern. 
Die Gauwirtschaftskammern übernahmen die Rolle von regionalen Führungsstellen der Wirtschaftsorganisation und unterstützten damit den Staat in seiner Wirtschaftsführung. Für dne Gau Westmark, also die Pfalz, war nun die Gauwirtschaftskammer Westmark mit dem Sitz in Saarbrücken zuständig. Gleichzeitig gab es am dem 1. Januar 1943 auch die 16 Pfälzer Industrie- und Handelsgremien mehr. Die Gauwirtschaftskammerverordnung bot allerdings die Möglichkeit, Zweigstellen einzurichten. Die Wirtschaftskammer Ludwigshafen nutzte dies und richtete Zweigstellen in Kaiserslautern, Neustadt und Pirmasens ein.

Ein Stück Eigenständigkeit

 
Beinahe wäre Ludwigshafen selber nur eine Zweigstelle der Gauwirtschaftskammer Westmark in Saarbrücken geworden, wenn nicht der alte und neue Kammerpräsident Carl Wurster sich vehement für den Status einer Wirtschaftskammer der Ludwigshafener Kammer eingesetzt hätte.
Carl Wurster, Vorstandsmitglied der I.G. Farben und seit dem 22. Mai 1941 Präsident der Kammer, dankte Gauleiter Josef Bürckel am 31. Dezember 1942 in einem Brief für seine erneute Berufung und das Vertrauen. Er versicherte Bürckel, "dass die Wirtschaft der Pfalz auch im neuen Kleid stets zu ihrer treuen Gefolgschaft gehören und sich in erster Linie ihrer verantwortungsvollen Aufgabe im Lebenskampf unseres Volkes bewusst sein wird."

Wirtschaft für den Sieg

 
Die neue Wirtschaftskammer Ludwigshafen sei "ein geschlossenes Bollwerk des Grenzbezirks der Westmark", habe zugleich aber offene Türen "Nach dem Reich und nach dem benachbarten Manheim" - dieses Bild malte Carl Wurster dann in seiner Rede bei der konstituierenden Sitzung der Wirtschaftskammer Ludwigshafen am Rhein. Alle Kräfte der Wirtschaft, so Wurster, seien auf ein Ziel ausgerichtet, das nur dem Sieg des deutschen Soldaten dienen dürfe. Und so war es auch "erst die Notwendigkeiten der Kriegswirtschaft", die zu einer völligen Neuordnung des Kammerwesens führten, wir Hauptgeschäftsführer A. Kopsch in einem Artikel am 30. April 1943 schrieb. "Von der Interessenvertretung zum Dienst am Volksganzen" lautete der Titel.