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Forschung, Technologie und Bildung
Am 14. und 15. Oktober 2024 war die Region Ostwürttemberg in Berlin zu Gast, um im Rahmen eines Expertendialogs ihre Innovationskraft und Transformationsfähigkeit vorzustellen. Im Fokus der Dialoge, die in der Landesvertretung Baden-Württemberg stattfanden, standen Zukunftsthemen wie Forschung, Technologie und Bildung. Vertreter aus Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Region diskutierten mit politisch Verantwortlichen aus dem Bundestag, Ministerien und Verbänden über Wege, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit in diesen Schlüsselbereichen weiter ausbauen kann.
Ostwürttemberg präsentierte sich als „Zukunftslieferer“ für Transformationslösungen und betonte, wie wichtig es ist, Transformationsregionen stärker in den politischen Fokus zu rücken. Ziel des Expertendialogs war es, konkrete Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Forschung zu identifizieren und so den Wandel in Deutschland aktiv zu gestalten.
Ostwürttemberg: Region der Patente und Talente
Die Region Ostwürttemberg, bekannt für ihre hohe Patentdichte und starke Innovationskraft, verfügt über vier leistungsstarke Hochschulen, darunter die Hochschule Aalen, die als forschungsstärkste Hochschule für angewandte Wissenschaften in Deutschland gilt. Mit dem fem Forschungsinstitut in Schwäbisch Gmünd, einem der Pioniere im Bereich der Materialforschung, zeigt sich Ostwürttemberg als Vorreiter in einer der zentralen Schlüsseltechnologien der Zukunft. Die Region ist zudem eine 5G-Kompetenzregion und treibt mit dem Digitalisierungszentrum Ostwürttemberg und der KI-Werkstatt Mittelstand die Digitalisierung des Mittelstands voran.
Trotz dieser Stärken steht Ostwürttemberg vor großen Herausforderungen: Die politischen und klimatischen Umbrüche sowie der technologische Wandel erfordern eine verstärkte Fokussierung. Die Region Ostwürttemberg setzt dabei konsequent auf Forschung, Innovation und Bildung. Die Fortentwicklung regionaler Schwerpunkte in Materialforschung und Photonik, die Unterstützung des Mittelstands in Transformationsprozessen sowie Bildung, vor allem im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), spielen hierbei die entscheidende Rolle.
Zentrale Forderungen und Erfolgsbeispiele aus der Region
Der Dialog wurde von Dr. Joachim Bläse, Landrat des Ostalbkreises, und Dr. Cornelia Brucklacher, Vorsitzende des Beirats und Gesellschafterin der Leitz GmbH & Co. KG,
moderiert. Frau Dr. Brucklacher, deren Unternehmen als weltweit führender Hersteller von Präzisionswerkzeugen für die professionelle Bearbeitung von Holz, Kunststoffen und Metallen gilt, hielt zudem einen Kurzvortrag. Sie hob hervor, wie wichtig technologische Innovation und gut ausgebildete Fachkräfte für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sind.
Mit rund 3.000 Mitarbeitenden in 38 Ländern ist die Leitz Gruppe ein Global Player. Trotz dieser Stärke sieht sich auch dieses führende Unternehmen mit steigenden bürokratischen Hürden und unzureichender Förderung des innovativen Mittelstands konfrontiert.
Impulse aus der Wirtschaft: Erfolgsbeispiele aus der Region
Während des Expertendialogs präsentierten Unternehmensvertreter konkrete Erfolgsbeispiele und skizzierten zugleich die Herausforderungen, denen sich ihre Unternehmen aktuell stellen müssen.
HENSOLDT AG: Technologieführer für Verteidigung und Sicherheit
Bernd Mayer, Standortleiter der HENSOLDT AG in Oberkochen, hob die Rolle seines Unternehmens als Technologieführer im Bereich Verteidigung und Sicherheit hervor. HENSOLDT entwickelt Sensorlösungen, die durch Datenfusion und innovative Ansätze im Bereich Cybersicherheit einen entscheidenden Beitrag zur Bedrohungsabwehr leisten. Ein besonderes Highlight ist der neue HENSOLDT Campus in Oberkochen, wo ab 2025 über 800 Mitarbeitende optronische Systeme entwickeln und produzieren werden.
Mayer betonte die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen, um die Technologieführerschaft zu sichern und qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Die Integration des neuen Standorts in das regionale Innovationsnetzwerk sei dabei einer der zentralen Erfolgsfaktoren.
J. Rettenmaier & Söhne GmbH + Co KG: Innovationsführer für Faserprodukte
Josef Otto Rettenmaier, Geschäftsführer der JRS GmbH, betonte die Rolle seines Unternehmens als weltweit führender Hersteller von Pflanzenfaserprodukten. JRS setzt auf nachhaltige Rohstoffe wie Cellulose- und Gemüsefasern und verfolgt innovative Ansätze in der Produktion.
Jedoch sieht sich das Unternehmen mit steigenden Energiekosten und einem wachsenden Fachkräftemangel konfrontiert. Rettenmaier forderte daher gezielte Innovationspartnerschaften und berufsbegleitende Bildungsangebote, um dem steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften gerecht zu werden. Eine leistungsfähige Infrastruktur sei zudem entscheidend für die Zukunft des Unternehmens.
fem Forschungsinstitut: Pionier der Materialwissenschaft
Kaßner machte jedoch auf immer höhere regulatorische Hürden in den Forschungsprogrammen aufmerksam, die zu einer Steigerung der Kosten führen und personelle Ressourcen binden, die in der FuE-Arbeit fehlen. Zudem sei ein starkes Engagement des Bundes im Bereich Batterieforschung dringend notwendig, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Hochschule Aalen: Innovationsmotor in der Region
Professor Dr. Harald Riegel, Rektor der Hochschule Aalen, betonte die Bedeutung der Forschung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Mit ihren Schwerpunkten auf Materialforschung, Energiespeicher und -wandler, Ressourceneffizienz und Photonik spielt die Hochschule Aalen eine zentrale Rolle als Innovationszentrum der Region.
Riegel mahnte jedoch an, dass die finanzielle Ausstattung von Forschungseinrichtungen verbessert werden müsse, um langfristige Forschungserfolge zu sichern. Besonders die Kürzung von Förderprogrammen in wichtigen Zukunftsfeldern stelle eine Gefahr für den Standort Deutschland dar. Zudem sei es von elementarer Bedeutung, die Studiengebühren für internationale Studierende abzuschaffen, damit internationale Talente für die Industrie im Südwesten ausgebildet werden können.
Varta AG: Innovationstreiber in der Energiespeichertechnologie
Rainer Hald, CTO der Varta AG, hob die Bedeutung der Batterieforschung für die Energiewende hervor. Varta entwickelt maßgeschneiderte Lithium-Ionen-Akkus und ist weltweit führend in der Energiespeichertechnologie.
Hald warnte jedoch vor einem massiven Einschnitt in der deutschen Batterieforschung, da die Bundesregierung plant, ab 2025 die Förderung neuer Projekte einzustellen. Dies gefährde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, sondern auch die Rolle des Landes als Technologieführer im Bereich nachhaltiger Energiespeicher.
Bildung: Der Grundpfeiler einer zukunftsfähigen Gesellschaft
Der deutsche Bildungssektor steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Die demografische Entwicklung führt bis 2035 zu einem Verlust von 12,9 Millionen Arbeitskräften. Die Zahl der Studierenden in den Schlüsselbereichen Maschinenbau und Verfahrenstechnik sank jedoch in den letzten zehn Jahren dramatisch um 32,3 %. Dieser Rückgang gefährdet die Innovationskraft in den zentralen Industriezweigen und verschärft den bereits bestehenden Fachkräftemangel.
Landrat Dr. Joachim Bläse, der als Moderator des Expertendialogs die Ergebnisse zusammenfasste, forderte eine tiefgreifende Reform des Bildungssystems. "Es reicht nicht, nur über den Fachkräftemangel zu sprechen – wir müssen das System so gestalten, dass es flexibel auf die sich verändernde Wissenslandschaft reagiert", sagte er. Bildung muss zum Innovationsmotor werden, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern.
Forschung: Deutschland droht den Anschluss zu verlieren
Auch in der Forschung wird der Rückstand Deutschlands gegenüber anderen globalen Akteuren deutlich. Der Impulsvorträge und Diskussionen im Expertendialog zeigten, dass während Länder wie die USA, Korea und China zwischen 700 und 950 Millionen Dollar in die Batterieforschung investieren, die Batterieforschungsprogramme in Deutschland aktuell eingestellt werden sollen.
Diese Lücke in der Forschungsförderung wird zunehmend zu einem gravierenden Wettbewerbsnachteil, wie Dr. Bläse eindringlich warnte: “Ohne ausreichende Fördermittel und den Abbau bürokratischer Hürden werden wir international abgehängt.”
Dieser Weckruf verdeutlicht: Während die deutsche Forschung einst ein Motor der Industrie war, droht aktuell das Land, den Anschluss an zentrale Zukunftstechnologien zu verlieren. Angesichts der rasanten Fortschritte in der Digitalisierung und der zunehmenden Interdisziplinarität ist dringendes Handeln gefragt. Den Finanzierungs- und Investitionsengpässen, der Abwanderung von Spitzenkräften und der sinkenden Attraktivität des Südwestens für internationale Studierende und Forschende muss dringend entgegengewirkt werden.
Fazit: Jetzt handeln, bevor es zu spät ist
Die Zukunft Deutschlands steht auf dem Spiel. Ohne sofortigen Fokus auf Bildung, Forschung und Innovation droht der Innovationsstandort ins Hintertreffen zu geraten. Der Expertendialog machte klar: Deutschland muss seine Anstrengungen verstärken, um nicht nur den Fachkräftemangel zu lindern, sondern auch die Attraktivität der Forschungslandschaft wiederherzustellen. Dr. Bläse betonte, dass die Herausforderungen groß seien, doch ebenso groß ist das Potenzial, die richtigen Weichen jetzt zu stellen.
Kontakt
Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg
Ludwig-Erhard-Straße 1
89520 Heidenheim
Tel. 07321 324-0
Fax 07321 324-169
zentrale@ostwuerttemberg.ihk.de
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