„Region bleibt Vorzeigeort“
Jahresempfang der IHK Ostwürttemberg: Präsident Markus Maier will Ostwürttemberg zur Modellregion für nachhaltige Transformation machen – Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler fordert Verlassen des Jammertals
IHK-Präsident Markus Maier hat beim Jahresempfang der IHK Ostwürttemberg vor rund 300 Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft betont, es werde alles dafür getan, dass Ostwürttemberg ein industrieller Vorzeigeort bleibe und zur Modellregion für nachhaltige Transformation werde. Ostwürttemberg könne Spitzenleistung, aber dafür bedürfe es kluger Köpfe mit dem Anspruch, Weltliga zu spielen. Aufgabe der regional Verantwortlichen sei es, den Boden dafür so zu bereiten, dass diese klugen Köpfe hier ausgebildet werden oder gerne in die Region kommen und bleiben. Die IHK trage mit vielen Partnern in der im Jahr 2021 gestarteten Offensive Zukunft Ostwürttemberg ihren Teil dazu bei. Man habe Zukunftsthemen bearbeitet, die dem Masterplan für die Region gefolgt seien. Und es werde permanent nachjustiert. IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler forderte, wieder vor die Lage zu kommen und den Takt zu setzen.
IHK-Präsident Maier äußerte in seiner Begrüßung Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland und um den Kern des Wohlstands im Land. Denn nicht alles, was im Land zu Verwerfungen geführt habe, sei auf globale Missstände und auf Entscheidungen außerhalb des nationalen Einflussbereichs zurückzuführen. „Wir haben auch zahlreiche, ja wir haben zu viele hausgemachte Probleme. Lösbare Probleme bei aller Komplexität, Unsicherheit und Volatilität.“ Deutschland brauche mit der neuen Regierung auch eine neue Berechenbarkeit, damit Innovationen und Investitionen auch hier dem Wachstum eine echte Chance geben.
Es sei ein alarmierendes Zeichen, dass es in Deutschland zwischen 2021 und Frühjahr 2025 im produzierenden Gewerbe einen Rückgang um acht Prozent gegeben hat, der bis tief in die Region Ostwürttemberg zu Erschütterungen in der Industrielandschaft geführt habe. Maier: „Eine Erfahrung, auf die wir gut und gerne verzichtet hätten!“ Man werde über Themen wie die Streichung eines Feiertags, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag oder die Beibehaltung von sozialen Standards für Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen auf Transferleistungen angewiesen seien, diskutieren müssen.
Noch genug leistungsbereit?
Die Frage sei, sagte Markus Maier, ob man in Deutschland noch so leistungsbereit und leistungsfähig sei, wie es notwendig wäre angesichts von Diskussionen, die sich nicht um Arbeit, Anstrengung und Leistung drehten. Vielmehr gehe es um die Vier-Tage-Woche, um Work-Life-Balance, um bedingungsloses Grundeinkommen, also um alles, was nicht nach Arbeit, Leistung und Anstrengung rufe. Zudem lehnten weite Teile der Generation, die mehr und mehr das Ruder übernehmen solle, Führungsverantwortung ab. Selbst die Zustimmung zur Einführung einer Wochenarbeitszeit ziele lediglich auf die Möglichkeit eines verlängerten Wochenendes. Markus Maier sagte: „Das löst unsere Probleme nicht!“ Es gehe vielmehr um produktive Leistung als Ergebnis der Arbeit. Die internationale Konkurrenz folge anderen Leitbildern als wir. Das zeigten viele internationale Vergleiche von den schulischen Leistungen über die Arbeitsstunden, die Krankenquote bis zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Man müsse also wieder mehr Leistungsbereitschaft einfordern und die Zusammenhänge zwischen Wohlstand und Leistungsbereitschaft artikulieren.
Das Leistungsprinzip, forderte der IHK-Präsident, müsse der Maßstab sein, um Errungenschaften und Möglichkeiten eines künftig möglichen Wohlstands zu bewerten. Man müsse mehr Leistungsbereitschaft einfordern und den Zusammenhang mit dem Wohlstand klar artikulieren. „Wir müssen mehr wollen und es dann auch in unserer täglichen Arbeit umsetzen helfen.“ Maier strich aber auch die Erfolge der Region heraus mit ihren 16 Weltmarktführern, höchst erfolgreichen Mittelständlern, Rang drei deutschlandweit bei der Patentdichte und ihrer Hochschullandschaft.
Viel stand auf der Kippe
IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler nannte begeistert den Festvortrag von Professor Clemens Fuest einen herausragenden volkswirtschaftlichen Paukenschlag mit Klartext und tiefen Einblicken in die weltwirtschaftlichen Abhängigkeiten. Für Deutschland habe aber auch viel auf der Kippe gestanden, fuhr der Redner fort, als es darauf angekommen sei, in der Berliner Politik den Knoten zu durchschlagen. Mit Prof. Fuest zusammen hätten dessen Professorenkollegen Südekum, Hüther und Schularick als Sachverständigenquartett die Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse mit möglich gemacht und damit Regierungshandeln in weiterhin schweren Zeiten. Denn er, Rentschler, wolle sich nicht ausmalen, wie man ohne Investitionsmittel für harte Verteidigung und sinnvolle Infrastruktur hätte auskommen sollen.
Die Volkswirtschaft und möglichst die ganze Gesellschaft müssten wieder vor die Lage kommen. Hinterherzuhinken, permanentes Krisenmanagement oder immer nur auf die Entwicklungen reagieren zu müssen, sei auf Dauer die schlechtere Alternative, konstatierte Rentschler. Viel besser sei es, zu agieren, an der Spitze der Bewegung zu sein, den Takt zu setzen. Das gelte in allen Bereichen und dafür brauche es die berühmten deutschen Tugenden, den Ruck durch die Gesellschaft und die Bereitschaft, erst Leistung zu erbringen und dann den Wohlstand zu verteilen.
In der Region seien die Voraussetzungen gut, einen konstruktiven Beitrag für den ersehnte Aufschwung zu leisten, fuhr Thilo Rentschler fort. In Ostwürttemberg sei es nach wie vor richtig, das Schicksal der Region in die eigene Hand zu nehmen und an einem Strang zu ziehen. Dies geschehe in der „Offensive Zukunft Ostwürttemberg“, wo der Masterplan gerade fortgeschrieben werde.
Raus aus dem Jammertal
Es müsse aber auch Schluss sein mit der Daueranalyse und dem Jammertal, aus dem man herauskommen müsse. Rentschler: „Wir müssen ins Tun kommen, umsetzen, handeln, Entscheidungen treffen und die dicken Bretter bohren!“ Es brauche keine Kommentatoren, die von der Seitenlinie aus erklärten, was alles falsch laufe, wer was anders machen müsse, und die nur schlechte Stimmung verbreiteten. Volkswirtschaft, Gesellschaft und Region müssten vielmehr erkennen, wo ihre Stärken lägen, wo man dazulernen müsse, wo man aber auch stolz auf das Erreichte sein könne.
Alle Generationen zuvor hätten mit Krisen, Kriegen und oftmals Katastrophen ihre spezifischen Herausforderungen gehabt. Deshalb, sagte Rentschler, halte er es für außerordentlich wichtig, sich daran ein Beispiel zu nehmen, wie man sich wieder nach vorne, nach oben und an die Spitze arbeite. „Es ist niemals die letzte Patrone im Lauf, sondern es sind Leistungsfähigkeit, Leistungswille, Disziplin und Fleiß notwendig, um besondere Situationen zu meistern. Dies immer wieder deutlich zu machen auf allen Ebenen der Politik, dafür steht die IHK-Organisation hier vor Ort, im Land und im Bund, und wenn es sein muss, auch in Brüssel!“
Viktor Turad