IHK-Digitalisierungsausschuss im Dialog mit EU-Abgeordneten bei Voith 22.2.2024

Europäische KI-Verordnung im Fokus

In den letzten Jahren ist die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) rasant fortgeschritten und ist mittlerweile zu einem selbstverständlichen Bestandteil in vielen Unternehmen geworden. KI-Technologien ermöglichen Unternehmen nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern eröffnen diesen auch vielfältige Potenziale für die Entstehung neuer Geschäftsmodelle. Ein herausragendes Beispiel für diesen Fortschritt ist die kürzlich erfolgte Veröffentlichung von ChatGPT, die das Thema KI einem breiten Publikum zugänglich gemacht hat.
Dieser Fortschritt in der Anwendung von KI in Unternehmen steht im engen Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene. Die EU-Kommission hat mit der einstimmigen Verabschiedung der KI-Verordnung Anfang Februar 2024 einen entscheidenden Schritt in der Regulierung von Künstlicher Intelligenz gemacht. Diese Verordnung, von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, wartet nun auf die Zustimmung des Europäischen Parlaments, bevor sie in Kraft treten kann.
In diesem Kontext hat der Digitalisierungsausschuss der IHK Ostwürttemberg den EU-Abgeordneten Prof. René Repasi eingeladen. Bei einem Diskussionsforum im Digital Campus bei Voith in Heidenheim tauschten die Mitglieder des IHK-Digitalisierungsausschusses mit dem EU-Abgeordneten ihre Perspektiven über die Chancen und Herausforderungen der europäischen KI-Verordnung aus. Dieses Regulierungsvorhaben gilt als das bislang weltweit umfangreichste im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Die Vorsitzende des Digitalisierungsausschusses und Chief Information Officer (CIO) der Voith Group, Heike Niederau-Buck, unterstreicht, dass die Einführung der KI-Verordnung der EU von Unternehmen mit gemischten Gefühlen aufgenommen wird.

„Einerseits begrüßen die Unternehmen die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für Künstliche Intelligenz (KI) in der Europäischen Union, der eine klare Struktur für den Umgang mit KI vorgibt",
erklärt Niederau-Buck.
Jedoch hegen Unternehmen gleichzeitig Bedenken hinsichtlich potenziell hoher Kosten, steigender Komplexität und einem möglichen erhöhten Haftungsrisiko.
Die Mitglieder des IHK-Digitalisierungsausschusses sehen das Risiko, dass die Komplexität der Regelungen zu einer überbordenden Compliance-Kultur führen könnte, bei der die Einhaltung von Vorschriften möglicherweise wichtiger erscheint als die eigentliche Erreichung von unternehmerischen Zielen.
„Dieser Fokus auf Risikominimierung könnte die Entwicklung und Markteinführung neuer KI-Innovationen verhindern oder zumindest verlangsamen, da Unternehmen zurückhaltender werden könnten“,
sagte Heike Niederau-Buck.
Desweiteren wiesen die Ausschussmitglieder den EU-Abgeordneten darauf hin, dass die Unternehmen zögern könnten, in Europa in neue KI-Technologien zu investieren, wenn die regulatorischen Anforderungen als unklar oder zu komplex wahrgenommen werden. Diese Bedenken könnten potenziell Auswirkungen auf die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit in der europäischen KI-Landschaft haben.
Prof. Dr. René Repasi, seit 2022 Mitglied des Europäischen Parlaments, betonte, dass die Einführung der europäischen KI-Verordnung nicht nur darauf abzielt, Grundrechte und Sicherheit zu schützen, sondern auch das Ziel verfolgt, Missbrauch und Schäden im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz zu verhindern. Ein zentraler Fokus dieser EU-Initiative bestehe darin, weltweit Standards für Künstliche Intelligenz zu etablieren. Prof.  Repasi betonte, dass die Kosten und der Aufwand, Produkte nach unterschiedlichen Standards herzustellen, einen entscheidenden Faktor darstellen. Infolgedessen neigten Unternehmen dazu, sich nach den Regeln des am umfangreichsten regulierten Marktes zu richten – dem europäischen Markt. Dieser Ansatz solle sicherstellen, dass auch außereuropäische Großkonzerne den Vorgaben der europäischen KI-Verordnung Folge leisten, was letztendlich zu einem internationalen Standard für verantwortungsbewusste KI-Anwendungen beitragen könnte.
Langfristig sind sich die Mitglieder des IHK-Digitalisierungsausschusses mit dem EU-Abgeordneten Repasi einig: Die geschickte Verknüpfung von Gesetzgebung, Compliance und der Qualität von KI-Systemen wird entscheidend für den Erfolg von Unternehmen sein, die KI auf dem europäischen Markt einzusetzen – besonders im Wettbewerb mit Konkurrenten in Asien und den USA. Die Notwendigkeit interdisziplinärer Kompetenzen wird hervorgehoben, um robuste Strukturen und Prozesse für eine KI-Governance zu schaffen, die sowohl technisch, rechtlich als auch organisatorisch für die Zukunft gewappnet ist.