Transformation als tägliche Realität

Wie kann Europas Autoindustrie den tiefgreifenden Wandel meistern – und was bedeutet das für die industriestarken Regionen im Südwesten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines digitalen Webinars des Transformationsnetzwerks Ostwürttemberg und des EUROPoint Ostalb. Die Veranstaltung entstand in Kooperation mit e-mobil BW, den EUROPE DIRECT Zentren Baden-Württembergs und den regionalen Transformationsnetzwerken. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten über Strategien, Chancen und Herausforderungen der industriellen Transformation.
Zu den Referenten gehörten Dr. Mark Nicklas von der Europäischen Kommission, Schwäbisch Gmünds OB Richard Arnold, Benjamin Krieger, Generalsekretär des europäischen Zulieferverbands CLEPA, sowie Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur e-mobil BW.

EU-Kommission setzt auf Wettbewerbsfähigkeit

Dr. Mark Nicklas stellte den „Aktionsplan Automobilindustrie“ der EU-Kommission vor. Ziel sei es, die europäische Automobilwirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken und den Übergang zu klimaneutraler Mobilität aktiv zu gestalten.
„Die Elektromobilität war nur die erste Halbzeit“,
sagte Nicklas. In der zweiten gehe es um Software, Künstliche Intelligenz und automatisiertes Fahren. Europa müsse seine Stärken bei Innovation und industrieller Fertigung ausbauen.
Wichtige Schwerpunkte seien der Aufbau einer europäischen Batterie-Wertschöpfungskette, Investitionen in Ladeinfrastruktur und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.
„Wir wollen sicherstellen, dass die Wertschöpfung in Europa bleibt und nicht weiter nach Asien abwandert“,
betonte Nicklas.

Regionen brauchen stärkere Unterstützung

Schwäbisch Gmünds OB Richard Arnold machte deutlich, dass Baden-Württemberg als Automobilland vor einer strukturellen Zäsur stehe.
„Unser bisheriges Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“,
sagte er. Steigende Energiepreise, sinkende Exportzahlen und der Verlust von Arbeitsplätzen belasteten die Unternehmen, besonders in der Zulieferindustrie. Arnold verwies auf Bosch, wo sich die Zahl der Arbeitsplätze bis 2030 etwa halbieren werde. Ganze Hallen stünden bereits leer –
„Transformation ist hier keine Theorie, sondern tägliche Realität“.
Er mahnte, dass die europäische Förderpolitik stärker auch Regionen berücksichtigen müsse, die ihre industrielle Basis verlieren. Förderprogramme für Batterieforschung seien gekürzt oder gestoppt worden, während Strukturfonds vor allem nach Süd- und Osteuropa fließen.
„Wenn wir aus dieser Transformation etwas Positives machen wollen, müssen wir auf allen Ebenen ins Gestalten kommen“,
forderte Arnold.
Als Beispiel nannte er eine europäische Initiative nach dem Vorbild früherer Konversionsprogramme, um neue industrielle Arbeitsplätze zu schaffen und bestehende Strukturen weiterzuentwickeln.

Zulieferer sehen Handlungsbedarf

Für die Zulieferindustrie, die rund drei Viertel der automobilen Wertschöpfung erbringt, sei die Lage ernst, sagte CLEPA-Generalsekretär Benjamin Krieger. Bis 2040 könnten europaweit bis zu 500.000 Arbeitsplätze verloren gehen, wenn der Wandel einseitig auf batterieelektrische Antriebe setze.
„Die Verbraucher kaufen nicht genug batterieelektrische Fahrzeuge, um die politischen Ziele zu erreichen“,
erklärte Krieger. Viele Unternehmen hätten früh investiert, könnten die erhofften Umsätze aber noch nicht realisieren. Er sprach sich daher für mehr technologische Offenheit und verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen aus – von bezahlbarer Energie über Bürokratieabbau bis zu gezielter Innovationsförderung.
„Europa darf sich keine zusätzlichen Hürden schaffen, sondern muss seine industrielle Stärke sichern.“

Globale Entwicklungen beeinflussen die Region

Franz Loogen rückte die globale Perspektive in den Vordergrund. Weltweit gebe es Überkapazitäten in der Fahrzeugproduktion – insbesondere in China. Viele europäische Hersteller produzierten inzwischen den Großteil ihrer Fahrzeuge außerhalb der EU.
„Standortentscheidungen folgen klaren wirtschaftlichen Kriterien – Energiepreise, Löhne und Bürokratie spielen dabei eine zentrale Rolle“,
so Loogen. Zugleich gebe es in Europa Gewinner- und Verliererregionen. Während Länder wie Polen oder Ungarn durch neue Werke profitierten, verlören traditionelle Industriestandorte in Westeuropa an Bedeutung.
Der Verbrennungsmotor allein werde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht sichern. Künftig entscheide sich der Erfolg an Themen wie Software, Mikroelektronik, Wasserstoff und Brennstoffzelle.
„Früher hat man um den Motor ein Auto gebaut, heute baut man um Software ein Fahrzeug“,
sagte er.

Dialog in Ostwürttemberg soll fortgesetzt werden

Einigkeit bestand darüber, dass die Transformation nur im Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Regionen gelingen kann. Das Transformationsnetzwerk Ostwürttemberg, dessen Förderung für 2026 verlängert wurde, und der EUROPoint Ostalb wollen diesen Dialog weiter fördern. Nur wenn europäische Strategien, nationale Programme und regionale Initiativen ineinandergreifen, kann die Region Ostwürttemberg ihre industrielle Stärke – gerade auch in der Automobilwirtschaft – in die Zukunft führen.

Ein Thema I Vier Redner

Transformation der Automobilwirtschaft –
EU-Aktionsplan und nächste Schritte
Dr. Mark Nicklas, Referatsleiter EU-Kommission
Automobilregion im Transformationsstress
am Beispiel Schwäbisch Gmünd
Richard Arnold, Oberbürgermeister der Stadt
Schwäbisch Gmünd
Globale Wettbewerbsfähigkeit braucht
europäische Antworten – Brennpunkt der
EU-Automobilzulieferer
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Fahrzeugproduktion in Europa im Wandel –
Einflüsse und Konsequenzen für Zulieferer
Franz Loogen, Geschäftsführer e-mobil BW GmbH