„Innovation – Wohin geht die Reise?“
Wir erleben derzeit eine multiple Krise: Verlust von günstiger Energie, Ende der Friedensdividende, Einbruch der Exportmärkte, Zölle allerorten – in vielfältiger Weise wird das bisher so erfolgreiche deutsche Geschäftsmodell in Frage gestellt. Die industrielle Wertschöpfung steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Künstliche Intelligenz, Robotik und datengetriebene Prozesse verändern Produktionsketten, Innovationszyklen und Geschäftsmodelle.
Prof. Dr. Katharina Hölzle, Institut für Arbeitswissenschaft
und Technologiemanagement IAT,
Universität Stuttgart, Institutsleiterin Fraunhofer
Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
IAO, Technologiebeauftragte der Ministerin für
Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg.
und Technologiemanagement IAT,
Universität Stuttgart, Institutsleiterin Fraunhofer
Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
IAO, Technologiebeauftragte der Ministerin für
Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg.
Unter den Top Five bleiben
Gleichzeitig zeigt der Trend der vergangenen zehn Jahre jedoch nach unten. In nahezu allen Rankings sind wir kontinuierlich zurückgefallen. Unser Anspruch als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit einem Mangel an natürlichen Rohstoffen muss es sein, dauerhaft unter den Top Five zu bleiben. Sonst werden wir unseren Wohlstand langfristig nicht sichern können. Dafür müssen wir allerdings deutlich mehr tun.
Ein Beispiel: Die bundesweite Forschungs- und Entwicklungsquote liegt derzeit bei rund 3,2 Prozent. Das ist zu wenig, um international ganz vorne mitzuspielen. Außerdem sinkt diese Quote momentan, weil insbesondere die Unternehmen weniger in Forschung und Entwicklung investieren. Das ist dramatisch, denn gerade die Industrie war bisher der zentrale Innovationstreiber in Deutschland. In Baden-Württemberg liegt die F&E-Quote zwar bei beeindruckenden 5,6 Prozent, vor allem dank forschungsstarker Unternehmen wie Bosch, Trumpf oder Zeiss.
Wenn dort aber jetzt die Investitionen zurückgehen und Arbeitsplätze abgebaut werden, hat das unmittelbare Auswirkungen auf das gesamte Innovationssystem. Besorgniserregend ist zudem, dass inzwischen nicht mehr nur Produktion, sondern auch Forschung und Entwicklung ins Ausland verlagert werden. Gleichzeitig gibt es immer weniger Interesse an ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung.
Wenn nichts mehr geht, geht Innovation
Wir müssen mutig sein. Der Erfolg der Vergangenheit ist die Abhängigkeit der Zukunft. Es geht jetzt darum, Dinge wirklich neu zu denken, mutig Neues auszuprobieren und trotz diverser möglicher Zukünfte jetzt zu investieren. Die Zukunft wird nicht in demselben Maße in der Automobilindustrie liegen. Wir bringen in Baden-Württemberg und Deutschland grundsätzlich alle Fertigkeiten und das Wissen mit, in Zukunftsfeldern wie der Energietechnik, der nachhaltigen Wertschöpfung, dem Gesundheits-, Mobilitäts- und Bausektor eine starke Wettbewerbsposition aufzubauen. Deutschland ist in tragenden Technologien stark, etwa in Fertigungs- und Produktionstechnologien, Materialforschung und Biotechnologien. Auch Quantentechnologien entwickeln sich gut, dank gezielter Förderungen und wachsender Ökosysteme. Herausfordernd sind dagegen die digitalen Technologiefelder: Softwareentwicklung, Cloud-Technologien, Cybersecurity.
Deutschlands Zukunft liegt in der Verbindung von Fertigung und Digitalisierung. Wir müssen unsere Stärken in der Produktion enger mit digitalen Kompetenzen verzahnen. Gleichzeitig müssen wir fokussiert datenbasierte Geschäftsmodelle und eine umfassendere Produkt-Service-Wertschöpfung entwickeln. Das kann kein Unternehmen allein. Die Zukunft gehört den Team Playern, der gemeinsamen Entwicklung und Produktion in Innovationsökosystemen, bestehend aus Akteuren aus der Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Miteinander statt gegeneinander
Das erfordert ein Umdenken mit Blick auf Risiko, Nutzen und Strukturen. Miteinander statt gegeneinander. Das erfordert ein Verständnis füreinander und eine gemeinsame Sprache: Wo stehen wir heute, welche Zukunft wollen wir gemeinsam erreichen und wie kommen wir dorthin? Die Antwort darauf beginnt mit einem gemeinsamen Vorausschauprozess (Foresight), gefolgt von einer gemeinsamen Strategieentwicklung, bis hin zu einer agilen Umsetzung, die auch mal scheitern darf.
Junge Unternehmen und Gründer werden ebenso aktiv eingebunden wie die Wissenschaft. Wir als Fraunhofer IAO haben uns der zukunftsorientierten Begleitung und Gestaltung dieses Transformationsprozesses verschrieben. Wir bieten Instrumente wie den Fraunhofer Transformationsindex, Begleitung bei der Transformation, Austausch in unseren Innovationsnetzwerken oder auch einfach Impulse bei einer unserer vielfältigen Veranstaltungen an - „You never walk alone“.
Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, in den kommenden drei bis fünf Jahren substanziell bürokratische Richtlinien abzubauen und die Verwaltung effizient zu digitalisieren. Wir als Gesellschaft übernehmen Verantwortung und erkennen, dass wir mitgestalten können und müssen – in Unternehmen, in Forschung und im Alltag. Die Grundlagen sind da: Biotechnologien, regenerative Energien, Quantentechnologien, Künstliche Intelligenz. Jetzt kommt es darauf an, diese Technologien in die Anwendung zu übersetzen. Deutschland hat die Ressourcen und die Expertise – aber wir müssen aus der Komfortzone heraus und unsere Chancen konsequent nutzen.
