Bonpflicht

Papierflut mit Ansage

Ein Kaufmann ist nicht automatisch Steuerbetrüger

Für Buchführung und Buchhaltung gilt seit jeher der Grundsatz: Keine Buchung ohne Beleg. Analog dazu heißt es seit Januar: Kein Gast oder Kunde Ohne Beleg. Der Unternehmer, beispielsweise Gastronom oder Einzelhändler im Tante-Emma-Laden, bekommt mit dem neuen elektronischen Kassensystem automatisch und lückenlos zu jeden Buchungs- und Zahlungsvorgang einen Beleg ausgewiesen. So weit so gut - und nicht unbedingt neu. Die entscheidende Neuerung: Dieser Beleg muss dem Kunden respektive Gast ausgehändigt werden. Das geschieht üblicherweise in Papierform von Hand zu Hand. Dem Kunden bleibt es überlassen, was er mit dem Beleg macht; er kann ihn mitnehmen oder auch entsorgen, sprich wegwerfen.
Theoretisch ist es auch möglich, elektronische Belege auszugeben, was einige Vorteile birgt: Die Bezahlabwicklung ist schneller, die Kosten sinken, weil kein Papier und keine Farbrolle angeschafft werden muss und auch die Wartung entfällt. Außerdem wird die Umwelt geschont. Allerdings ist fraglich, ob je die kritische Masse an Konsumenten erreicht werden kann, die entsprechende Apps für den Empfang elektronischer Belege auf ihren mobilen Endgeräten installiert.
Eine Befreiung von der Belegausgabepflicht ist möglich, wenn auch nicht so einfach zu erreichen. Nach § 146 a Absatz 2 AO „können die Finanzbehörden bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gemäߧ 148 AO aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Belegausgabepflicht befreien. Die erteilte Befreiung kann jederzeit widerrufen werden".
Die Intervention von Wirtschaftsminister Peter Altmaier kurz vor Inkrafttreten hat nicht gefruchtet. Er wollte eine Korrektur in letzter Minute, die die Streichung der Bon-Pflicht aus dem Gesetz zur Folge gehabt hätte.

Wir fragen nach...

… bei Alfred Krauss, G.D. Krauss Sohn, Aalen
Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses

Die Bonpflicht sehe ich zwiespältig: Bei Bäckern, Marktständen... fragwürdig und die Händler als Steuerbetrüger? Unsäglich!
Für uns ist Bondruck sowieso selbstverständlich. An unseren Kassen ist schon seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Bonzwang eingestellt. Von daher für uns kein Mehraufwand. Bei Geschäften mit im Durchschnitt höheren Bons (20 Euro oder mehr) eher kein nennenswerter Mehraufwand. Bei Kleinbeträgen auf jeden Fall, insbesondere bei den Thermopapieren (Umwelt?). Sinnvoll ist aus meiner Sicht eine Untergrenze zwischen 10 und 20 Euro – das lässt sich an den meisten Kassen sicher einstellen oder einstellbar machen.
Die Ausgabe per E-Mail ist zwar auch charmant, aber ja nur bei bereits erfassten „Stammkunden“ möglich – oft gerade bei kleinen Beträgen ein hoher Aufwand und auch ein Datenschutzproblem.

… bei Petra Steinberger, Geschäftsführerin der Dictum GmbH

Von welchem zusätzlichen Aufwand, gerade für kleine Betriebe, ist auszugehen? 
Die Bon-Pflicht bedeutet für jedes Unternehmen mit einer elektronischen Kasse wieder zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Unter anderem muss jede einzelne Kasse beim Finanzamt registriert werden. Betroffen ist natürlich der Einzelhandel mit vielen, auch kleinen Geschäften, aber ebenso etwa die Gastronomie - vom Wirtshaus bis zum Imbissstand. Zudem ist die Regelung unter Umweltaspekten fragwürdig, diesen Ressourcenverbrauch könnten wir uns sparen. Und dann kommt natürlich noch der Kostenaspekt dazu. Kassensysteme müssen erneut angepasst werden, es entstehen Mehrkosten für Druck und Papier. Und da zu erwarten ist, dass die wenigsten Kunden den Bon mitnehmen, bleibt das Unternehmen auch noch auf den Kosten für die Entsorgung der Quittungen sitzen. Das alles für den einzelnen Betrieb in Euro und Cent umzurechnen, ist kaum möglich, aber vor allem für kleinere Händler und Unternehmen dürften sich erhebliche Kostensteigerungen ergeben.
Wie effektiv ist die Belegausgabepflicht bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, das ja das erklärte Ziel der Befürworter ist?
Die zugrunde liegende Verordnung verpflichtet die Unternehmen bereits, ihre digitalen Kassensysteme mit einer Sicherheitstechnik aufzurüsten, die Fälschungssicherheit garantiert. Mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine digitale Aufzeichnung gestartet, die sich nicht mehr löschen oder manipulieren lässt. Die Ausgabe eines Papierzettels obendrauf bringt keinerlei zusätzlichen Nutzen oder ein Mehr an Sicherheit. Es ist hier wie so oft bei bürokratischen Vorschriften: Die Unternehmer teilen das zugrunde liegende Ziel durchaus. Ein Kaufmann ist nicht automatisch ein Steuerbetrüger - und derjenige, der doch Steuern hinterzieht, verschafft sich einen illegalen Wettbewerbsvorteil. Nur ist die Umsetzung in der gesetzlichen Regelung so praxisfern, auch für die Kunden, dass sich an dem grundsätzlich positiven Nutzen zweifeln lässt. Mich persönlich stört zudem dieser Generalverdacht, unter den jeder Unternehmer erst einmal gestellt wird. Wir sind auf dem besten Weg, Kleinbetriebe und den Mittelstand mit solchen Regelungen kaputtzumachen.
Welche Alternativen gäbe es zum jetzt beschlossenen System?
Das Gesetz erlaubt eine „digitale Quittung". Dafür gibt es zum Beispiel App-Lösungen. Es ist aber fraglich, ob jeder Kunde ein Smartphone hat, auf dem dann auch noch die entsprechende App installiert ist. Dem Kunden die Quittung per E-Mail zu schicken, dürfte ebenfalls keine praktikable Lösung sein, beispielsweise mit Blick auf die umfassenden Regeln zum Datenschutz. Ein Lichtblick ist aber: Das Finanzamt kann - auf Antrag! - Unternehmen von der Pflicht zum Kassenbon befreien, wenn es sich „um Verkäufe von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen handelt". Wie sich das in der Praxis dann auswirkt und wie die einzelnen Finanzämter das jeweils handhaben, ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch völlig offen.