Let's talk about Economics
Im Juli 2024 lautete der Titel der Wirtschaftszeitung WirtschaftsWoche „Schöpfer und Zerstörer“. Gemeint war damit Elon Musk, dessen Gesichtsprofil die Titelseite ausfüllte. Ein halbes Jahr später begann Musk mit Kettensäge und großem Eifer die amerikanische, politische „Disruption“, bei der sich die Welt fragt, welche „Schöpfung“ auf die rückwärtsgewandte „Zerstörung“ denn folgen soll. Unser menschlicher Instinkt meldet uns: Diese Zerstörungswut bedeutet nichts Gutes.
In den Wirtschaftswissenschaften ist die „schöpferische Zerstörung“ aber zunächst nicht negativ konnotiert. Vielmehr erlaubt sie Evolution, Innovationsschübe und damit wirtschaftliche Entwicklung. Nehmen Sie Ihr Smartphone in die Hand – dieses eine Gerät löste (umständlich zu handhabende) Zeitungen, Landkarten, Digitalkameras und MP3-Player ab. Und Sie können schnell und problemlos damit telefonieren und persönliche Nachrichten verschicken – allerdings nur, wenn das Netz funktioniert. Diese Netzwerktechnologie zeigt: eine Innovation zerstört nicht einen Markt, vielmehr krempelt sie ihn um und ermöglicht neue Geschäftsmodelle.
Der erste Ökonom, der diese Erkenntnis ausführlich erläuterte, war Joseph Alois Schumpeter. Geboren 1883 im damaligen Österreich-Ungarn, gestorben 1950 in den USA. Ein zentrales Werk: „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ von 1911. Es ist also mehr als ein Jahrhundert her, dass diese Erkenntnisse die Innovationsökonomik begründeten, und wir heute ganz selbstverständlich von Wagniskapital, Unternehmensstrategie und Entrepreneurship sprechen. Dabei hatte Schumpeter eines im Kopf: Er selbst wollte „the Greatest“ werden in den Wirtschaftswissenschaften, indem er dort den Unternehmer als dynamischen Gründer, als „Neuerer“, als „großen schaffenden Künstler“ in den Mittelpunkt rückte. Nicht ein Manager „reißt das System aus seinem Dornröschenschlaf“ und auch nicht das damals wie heute propagierte harmoniebedürftige Marktmodell – sondern talentierte und motivierte „Industriekapitäne“. Getrieben durch die Aussicht auf „Pioniergewinne“ setzen sie mit Hilfe der Banker Innovationen in die Welt, die Imitationen und (ja, auch) Zerstörung nach sich ziehen. Das Ziel dieser kapitalistischen Leistung nach Schumpeter ist die Massenproduktion, damit „Königinnen“ nicht „mit noch mehr Seidenstrümpfen“ versorgt werden, sondern das „sie auch für Fabrikarbeiterinnen erschwinglich sind“. 70 Jahre später nannte man dies zur Zeit der Reagonomics den „Trickle-down-Effekt“. Und da das in den Folgejahrzehnten nicht ganz so funktionierte, versuchte es die Biden-Administration mit der Trickle-up-Ökonomie. Und jetzt? Wie aktuell ist Schumpeter heute noch?
Würde Schumpeter heute noch leben, dann würde er zu uns sagen: „Nehmt den Paradigmenwechsel an, der Fortschritt ist nicht zu bremsen – war er nie. Nehmt das Heft des Handelns in die Hand und gestaltet die Fortschrittserzählung verantwortungsvoll – gesamtwirtschaftlich und ja, gesamtgesellschaftlich. Jeder und jede Einzelne sollte sich nicht von Affekten und Untergangsszenarien leiten lassen. Zerstören und Neues schaffen heißt nach vorne Gerichtetes zu schaffen. Überlasst das nicht und ausschließlich einzelnen Monopolisten – denn dann kracht Eure Gesellschaft zusammen und marschiert ins Extreme.“ Die Forschungsergebnisse der letztjährigen Preisträger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson bestätigen Schumpeters Aussagen: Wohlstand schaffen frei agierende Menschen mit ihrem Talent, ihrer Kreativität und ihren Innovationen. Das ist am besten möglich in einer integrativen Gesellschaft mit ihren Institutionen und Rechtsstaatlichkeit, die diese Talente fördern.