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Nationale imakomm-Studie "Zukunftsfeste Innenstädte" gibt Orientierung bei der künftigen Innenstadtentwicklung

Die erste umfassende Innenstadtstudie seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 liegt seit Ende 2021 vor. Die von der imakomm (Aalen, Stuttgart) durchgeführte Erhebung zeigt unter anderem Kennziffern zur aktuellen Situation der Innenstädte, zu effektiven Maßnahmen zur Innenstadtstabilisierung sowie Ansätze hin zu einer „Post-Corona-Innenstadt“. Die befragten, fast 750 Standorte in ganz Deutschland, liefern zum Teil überraschende Ergebnisse.

DIE STUDIE: UMFASSENDE DATEN VON 747 STANDORTEN IN GANZ DEUTSCHLAND

Brennglas“, „Brandbeschleuniger“, „Todesstoß“ – Bezeichnungen für Effekte der Corona-Pandemie auch und gerade in den Innenstädten sind sowohl vielfältig als auch zu hinterfragen. Genau das will die Studie der imakomm tun. Die Ergebnisse sind seit dem 03. November 2021 kostenlos abrufbar unter www.imakomm-akademie.de.
Die Studie basiert insbesondere auf einer nationalen Online-Befragung von Kommunen und innenstadtnahen Wirtschaftsvereinigungen. Insgesamt 747 Standorte aus allen 16 Bundesländern haben sich beteiligt.
Fachlich begleitet wurde die Studie im Zeitraum Januar bis September 2021 von namhaften Partner*innen: Neben dem DIHK waren die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, DStGB), die führenden Dachverbände der deutschlandweiten Stadtmarketingorganisationen (bcsd, CMVO) und der Wirtschaftsfördereinrichtungen in Deutschland (DVWE) beteiligt.
1 ZENTRALE KENNZIFFERN FÜR DIE INNENSTÄDTE
Die nun vorliegenden Kennziffern zeigen die nachhaltigen Veränderungen in den deutschen Innenstädten, relativieren allerdings auch manche düstere Prognose der letzten Monate. Beispiele:
  • Die Handelslage wird „schrumpfen“ – vermutlich um 11 bis 12 %. Plakativ formuliert: Eine 400 Meter lange Innenstadtlage mit Handelsbesatz wird künftig nur noch auf gut 350 Metern Länge ein Handelsangebot vorhalten können.
  • Insgesamt wird eine dauerhafte Leerstandsquote von 14 bis 15 % (vor Corona ca. 10 %) in einer Innenstadt wohl als durchschnittlich gelten müssen.
  • Die Kundenfrequenz in den Innenstädten wird sich dauerhaft erholen, allerdings nur dann das Vorkrisen-Niveau erreichen, wenn echte Besuchsgründe, die über „Einkau-fen“ hinausgehen, ausgebaut und erlebbar gemacht werden.
2  ANSÄTZE ZUR KURZFRISTIGEN STABILISIERUNG DER INNENSTÄDTE
Die Studie zeigt zudem auf, welche „schnellen“ Maßnahmen zur Stabilisierung der Innenstädte bisher umgesetzt werden – und welche in den kommenden Monaten wünschenswert wären:
  • Bemerkenswert: Vor allem die Erlebbarkeit des „Produktes Innenstadt“ soll schnell weiterentwickelt werden. Seine Erreichbarkeit und die Digitalisierung sind zwar Themen, aber nicht prioritär. Darin sind sich Kommunen und Wirtschaftsvereinigungen gleichermaßen einig.
  • Der Instrumentenkasten zur Innenstadtstabilisierung scheint groß. Als besonders effektive Maßnahmen zur kurzfristigen Stabilisierung haben sich Mikro-Events, das Erlebbarmachen von Alleinstellungsmerkmalen (statt austauschbaren Aktionen) und die Betonung regionaler Angebote herausgestellt.
  • Spätestens mit der Corona-Pandemie wurde die Schlüsselrolle von Immobilieneigentümer*innen für eine „funktionierende“ Innenstadt deutlich – eine Rolle, die bisher oftmals fälschlicherweise nur punktuell berücksichtigt wurde. Mit dem ersten Lockdown erfolgten meist eine temporäre Reduzierung des Mietzinses (in 59-60 % aller Standorte) sowie die Stundung von Mietzahlungen (53 %). Aus Standortsicht bedarf es in den kommenden ein, zwei Jahren aber vor allem flexiblere Mietmodelle und einer dauerhaften Absenkung des Mietpreisniveaus.
  • Die digitale Sichtbarkeit der Innenstadt, insbesondere bei den gewerblichen Anbieter*innen, erfuhr mit Corona einen Schub. Alarmierend: Hier besteht ein klarer Trend nach Größe der Standorte. Die digitale Sichtbarkeit wurde in Kleinstädten weniger stark ausgebaut, wird in den kommenden Jahren aber wohl überdurchschnittlich häufig wieder „zurückgefahren werden“. Es besteht also die Gefahr, dass die verbesserte digitale Sichtbarkeit in Kleinstädten nur ein „Strohfeuer“ war und die Schere zu größeren Standorten weiter aufgeht.
3  Die „Post-Corona-innenstadt“
Die Studie gibt schließlich Ansatzpunkte für eine langfristige Weiterentwicklung der Innenstädte. Zwei Beispiele:
Welche Funktionen die Innenstadt langfristig umfassen wird:
Die Gleichung „Innenstadt = Einkaufen als Hauptbesuchsgrund“ stimmt in dieser Klarheit nicht mehr, insbesondere in Klein- und Mittelstädten. An Bedeutung werden vor allem die Funktionen Wohnen, Aufenthaltsbereiche und Spielmöglichkeiten, Coworking-Spaces, Frei- und Grünflächen sowie Betreuungseinrichtungen gewinnen.
Damit eine multifunktionale Innenstadt entsteht, sehen die Standorte einen „Dreiklang“:
  1. Innenstädte müssen viel stärker als bisher ganz unterschiedliche Akteure bei der Innenstadtentwicklung einbinden (sagen 83 % der 747 Standorte). Die Zentren werden quasi zu „Gemeinsam-Projekten“. Das dürfte einen erheblichen Koordinationsaufwand auf kommunaler Seite mit sich bringen.
  2. 71 % der Standorte plädieren für eine Forcierung von „Reallaboren“, um verschiedene Ansätze bei den Funktionen testen zu können.
  3. Schließlich sind Innenstädte zu Orten der Kommunikation zu entwickeln – mit mehr Begegnungs- und Freiflächen. Nur 8 % aller Standorte in Deutschland sind der Meinung, dass bisher ausreichend Möglichkeiten zum Austausch in „ihrer“ Innenstadt bestehen.
Wie die Erreichbarkeit der „Post-Corona-Innenstadt“ aussehen wird:
Die „Post-Corona-Innenstadt“ scheint sich von dogmatischen Sichtweisen beim Thema Erreichbarkeit zu verabschieden. Weder die autofreie Innenstadt noch eine grundsätzliche Erreichbarkeit für den motorisierten Individualverkehr werden mehrheitlich für sinnvoll erachtet. 50 % der Standorte sehen eine teilräumliche Betrachtung der Erreichbarkeit von Innenstädten als zwingend an.
ORIENTIERUNGSHILFE FÜR DIE AKTIVE INNENSTADTENTWICKLUNG: Das A-B-B-A-MODELL DER IMAKOMM
Auf Basis der Studienergebnisse hat die imakomm ein Modell entwickelt, das konkrete Anhaltspunkte und damit eine Orientierungshilfe für Kommunen und Wirtschaftsvereinigungen bei der Innenstadtentwicklung gibt. Fasst man die zentralen Stoßrichtungen, die dabei zu beachten sind, zusammen, entsteht das A-B-B-A-Modell:
AGILERE STRUKTUREN:
Dem „Faktor Mensch“ kommt künftig nicht nur als Kund*in / Besucher*in der Innenstadt, sondern vor allem als Mitgestalter*in eine viel größere Bedeutung zu als bisher. Bisherige Strukturen (Beispiele: privater Gewerbeverein, städtisches Amt für Stadtmarketing usw.) allein können dies nicht leisten. Sie müssen ergänzt werden und benötigen dabei mehr Geschwindigkeit, eine Professionalisierung und mehr Lernfähigkeit. Acht Ansätze für Standorte arbeitet die Studie für agilere Strukturen heraus.
BELEBUNGSPOTENZIALE ALS ANSATZ:
Mit der Rückkehr zu einer multifunktionalen Innenstadt bedarf es der Abkehr von der (reinen) Verkaufslogik. Eine Orientierung in erster Linie an einem Einzelhandelskonzept und an baulichen Konzepten als Instrument greift künftig viel zu kurz – notwendig ist ein integriertes Konzept, das Belebungspotenziale gleichermaßen berücksichtigt (Gastronomie, Handwerk, Handel, nicht kommerzielle Räume, usw.).
BESONDERHEITEN AUF/-AUSBAUEN:
Angesichts begrenzter Zeit und finanzieller sowie personeller Ressourcen muss auf besonders effektive Maßnahmen gesetzt werden, die Wettbewerbsvorteile betonen – mit erheblichen Konsequenzen für die Erstellung von Maßnahmeprogrammen.
AUSBAU ALS RESILIENTER STADTRAUM:
Resilienz wird nach Angaben von 89 % der 747 Standorte zum Wettbewerbsvorteil. Die Themen resilienter Standorte sind mannigfaltig. Die Studie beschreibt die notwendigen Faktoren näher.

Lebendige Innenstadt befruchtet die Hotellerie

Das Hotellerie-Gewerbe hat unter den Restriktionen während der Pandemie stark gelitten. Für Hotelbetreiber ist aber auch wichtig, dass ihre Standorte eine funktionierende Innenstadt haben und die Region touristisch attraktiv ist. „Wirtschaft in Ostwürttemberg“ hat bei Patrick Schiehlen, Geschäftsführer bei Schiehlen Hotels in Aalen, nachgefragt.
Wie abhängig ist ein Hotel, speziell eines wie Ihres, von einer attraktiven Innenstadt?
Hier ist die Situation je nach Standort eines Hotels sehr unterschiedlich. Aber allgemein hilft es natürlich, wenn man dem Gast eine attraktive und lebendige Innenstadt, vor allem mit gutem Einzelhandelsangebot und vielfältiger Gastronomie, bieten kann, welche er möglichst noch fußläufig vom Hotelstandort aus erreichen kann.
Wird die Corona-Pandemie auch in der Hotellerie dauerhaft für Verän-derungen sorgen und wenn ja, welche sind das? Können gegebenenfalls sogar positive Effekte daraus  entstehen?
Je nach Standort und Art des Hotels können sich durch die Pandemie sowohl negative als auch positive Effekte ergeben. Die Ferienregionen mit ihren Urlaubshotels werden in den kommenden Jahren durch eine höhere Auslastung und Preisanstiege sicherlich einen positiven Effekt erleben. Die Hotels, die vornehmlich von der hiesigen Industrie leben, werden es schwerer haben, da die Geschäftsreisen sich nur langsam erholen. Homeoffice und digitale Prozesse werden dies weiter erschweren. Grundsätzlich haben wir in Deutschland ein Problem, da der Service sowie unsere Preise, vor allem auch gegenüber dem benachbarten Ausland einfach nicht so anerkannt werden. Und das, obwohl unser Standard meist besser ist.
Wie sehen Sie die Innenstadt der Zukunft und was muss von wem getan werden, um auch aus Sicht eines Hotel-Betreibers positiv in die Zukunft schauen zu können?
Für mich ist und bleibt die Vielfältigkeit im Handel und in der Gastronomie einer der Eckpunkte, um die Innenstädte attraktiv und lebendig zu gestalten. Die Leute haben hoffentlich verstanden, dass kein digitaler Prozess einen guten Verkäufer ersetzen kann und kein geliefertes Essen so gut schmeckt, wie frisch serviert auf einem Teller in einem Lokal. Spezielle Events, Konzerte und Veranstaltungen müssen mehr in der Innenstadt stattfinden. Ein Konzept dazu muss breit aufgestellt werden, um möglichst viele Leute zu erreichen.
Patrick Schiehlen - Geschäftsführer
Besten Dank für die Einblicke.