IHK Ostwürttemberg
Im Herzen Italiener geblieben
Er spricht breitestes Schwäbisch und feuert doch die italienische Nationalmannschaft an, wenn sie gegen die deutsche antritt. Denn er wurde im Lorcher Ortsteil Weitmars als Sohn italienischer Eltern geboren und ihm käme nie in den Sinn, seine italienische Staatsbürgerschaft aufzugeben.
Er sagt nämlich: „Ich heiße Celestino Piazza und nicht Hans Scheuffele.“ Das hat ihn aber nicht daran gehindert, auf der Ostalb familiär, beruflich und politisch tiefe Wurzeln zu schlagen. Celestino Piazza ist Chef der Vereinigten Gmünder Wohnungsbau (VGW) und war 2000 deutschlandweit und im „Ländle“ der erste Ortsvorsteher ohne deutschen Pass. Verheiratet ist er an seinem Wohnort mit einer „Ur-Herligkoferin“. Seit 2019 hat Piazza zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft.
© Viktor Turad
Seine Eltern kommen aus einem kleinen Ort in Venetien in der Nähe von Belluno, auf halber Strecke zwischen Cortina D'Ampezzo und Venedig. Die Suche nach Arbeit führte sie 1957 nach Weitmars, wo sein Vater, ein gelernter Maurer, ein landwirtschaftliches Gebäude zu einem Wohnhaus umbaute, in dem der kleine Celestino zur Welt kam. Der Vater fand Arbeit bei dem Bauunternehmen Braun und 1963 machte er den Meister und gründete zusammen mit einem deutschen Kompagnon ungarischen Abstammung eine Baufirma. Piazza senior holte Landsleute aus Italien als Arbeitskräfte nach. Für sie baute er auch ein Wohnhaus, um sie unterbringen zu können. Sein Sohn trieb sich schon als Fünfjähriger Knirps gerne auf Baustellen herum, fuhr begeistert mit einem Kran oder machte Beton. Sein erstes Schuljahr absolvierte er unter der Obhut seiner Großeltern in Italien. Als der Opa krank wurde, ging der Enkel ab der zweiten Klasse in Weitmars in die Schule.
Eine Sportverletzung, die ihn ein halbes Jahr außer Gefecht setzte, verhinderte, dass Celestino Piazza das Abitur machen konnte und so absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser beim Verpackungsmaschinenhersteller Hesser in Lorch. Über den zweiten Bildungsweg konnte er letzten Endes Architektur studieren. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich übrigens bereits 1984, als noch kaum jemand darüber sprach, mit dem Thema regenerative Energien. 1986 eröffnete er sein eigenes Architekturbüro, leitete zusätzlich aber auch das väterliche Baugeschäft - „Ich war schon immer praktisch unterwegs“ - und war als Sachverständiger tätig. Das Baugeschäft wurde nach der Jahrtausendwende geschlossen. Mit seinen breiten beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wurde Celestino Piazza vor sieben Jahren bei insgesamt 28 Bewerbern zum Chef der Vereinigten Gmünder Wohnungsbaugesellschaft gewählt.
Um die Jahrtausendwende wurde Celestino Piazza auch politisch aktiv. Er hatte sich zuvor bereits in der Jungen Union engagiert und war Gründungsmitglied des Ortsverbandes in Lorch-Waldhausen. Als italienischer Staatsbürger hatte er aber keine Rechte. 1998 trat er der CDU bei. 1999 durften erstmals EU-Bürger bei Kommunalwahlen in Deutschland nicht nur ihre Stimmen abgeben, sondern auch in Kommunalparlamente gewählt werden. Und da gelang Piazza etwas Einmaliges: Er wurde mit hohen Stimmenzahlen nicht nur auf Anhieb in den Ortschaftsrat in Herlikofen, wo er seit 1995 wohnte, und in den Gemeinderat Schwäbisch Gmünd gewählt, sondern auch gleich noch zum Ortsvorsteher in Herlikofen und blieb es bis zum Jahr 2016. Damit erregte er bundesweit Aufsehen. Er war nämlich der Erste in diesem Amt ohne deutschen Pass. Den er im Übrigen, wie er freimütig einräumt, eigentlich auch nie vermisst hat. Als EU-Bürger kam er auch so gut zurecht und dank seiner offenen, empathischen Art hatte er auch kein Problem, mit seinen Mitmenschen klar zu kommen. Er hat immer auf Teilhabe und Eigeninitiative gesetzt und sagt daher: „Ich brauche das Wort Integration nicht.“ Und auch daraus macht er keinen Hehl: „Im Herzen bin ich immer Italiener geblieben!“
Noch heute gilt für ihn als Chef der Wohnungsbaugesellschaft, dass die Tür für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso für Kundinnen und Kunden immer offen steht. Für letztere gibt es sogar jeden ersten Samstag im Monat eine Sprechstunde im W-Punkt, die laut Piazza „mega“ angenommen wird.
Diesen engen Kontakt hat er auch als Ortsvorsteher immer hergestellt. So hat er es sich nicht nehmen lassen, Geburtstagsjubilarinnen und -jubilare immer selbst zu besuchen und sich nicht nur um die Anliegen seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger zu kümmern, sondern auch Zeit für ein „Schwätzle“ zu haben. Diese offene Art habe ihm immer geholfen, sagt er, und so habe er wegen der Staatsbürgerschaft nie einen Nachteil gehabt. Überdies war er schon als Kind nicht auf den Mund gefallen. Wenn seine Spielkameraden ihn als „Zitronenschüttler“ aufziehen wollten, habe er sie im Gegenzug als „Kartoffelfresser“ tituliert und alles war gut.
Drei Perioden, von 2004 bis 2019, hatte Celestino Piazza Sitz und Stimme im Kreistag sowie bis 2016 im Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Gmünd und bei der jüngsten Kommunalwahl fehlten ihm wenige Stimmen, um erneut ins Kreisparlament einziehen zu können. Aber in die Regionalversammlung wollten ihn seine Parteifreunde entsenden. Dafür aber ist wie bei einer Kandidatur für den Landtag die deutsche Staatsbürgerschaft Voraussetzung. Und so entschloss sich Piazza, Deutscher zu werden und dennoch Italiener zu bleiben. Und das, obwohl er eigentlich immer gegen die doppelte Staatsbürgerschaft war, wie er schmunzelnd einräumt. Der seinerzeitige Landrat Klaus Pavel überreichte ihm 2019 freudestrahlend die Einbürgerungsurkunde.
Das hat aber nichts daran geändert, dass Celestino Piazza im Herzen Italiener geblieben ist. Mindestens zwei Mal im Jahr ist er zu Besuch in „bella Italia“, wo noch viele Verwandte leben. „Dort ist es einfach schön“, schwärmt er von seinem Ursprungsland. In 40 Minuten ist man in Venedig, in einer Stunde und 15 Minuten in Cortina D'Ampezzo.