Start ins Zeitalter der E-Mobilität

Mehr als 470.000 Elektroautos wurden im vergangenen Jahr in Deutschland neu zugelassen, 32 Prozent mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Pkw-Neuzulassungen ist 2022 auf 17,7 Prozent gestiegen. Rechnet man die Plug-In-Hybride hinzu, sind es sogar schon 31,4 Prozent. Die Energiewende im Verkehrssektor nimmt Fahrt auf und das Land Brandenburg hat einen wesentlichen Anteil am Umsteuern in Richtung Elektromobilität – nicht nur mit der Niederlassung des E-Auto-Produzenten Tesla in Grünheide. Auch für die Produktion und das Recycling von Batterien wird das Land zu einem wichtigen Standort. In Brandenburg entwickelt sich damit eine geschlossene Wertschöpfungskette für diesen Industriezweig. Die Landesregierung in Potsdam hat Brandenburg bereits zum „Land der E-Mobilität“ ausgerufen.
Damit die Umrüstung der Fahrzeugflotte auf den neuen Antrieb innerhalb weniger Jahrzehnte vonstattengehen kann, müssen sehr große Kapazitäten aufgebaut werden – in der Batterieproduktion und im Recycling der Ausgangsstoffe. Insbesondere das für die Lithium-Ionen-Akkus notwendige Lithium ist ein knapper Rohstoff. Nur eine Rückgewinnung der Ausgangsstoffe macht den batterieelektrischen Antrieb nachhaltig. Der Anfang ist bereits gemacht. In Schwarzheide will BASF noch in diesem Jahr eine Pilotanlage zum Batterierecycling in Betrieb nehmen, bis Mitte des Jahrzehnts soll eine großtechnische Anlage folgen. Neben Lithium werden auch zum Beispiel Mangan, Kobalt und Nickel aus den verbrauchten Batteriepacks zurückgewonnen. In Guben will das chinesische Unternehmen Botree Cycling ab 2025 ebenfalls mit dem Recycling von ausgedienten Batterien beginnen. Daneben sind in Guben, Lauchhammer, Schwarze Pumpe und Ludwigsfelde Anlagen zur Batterieproduktion im Bau oder in Planung.

Der Tesla-Vierfach-Effekt

Dr. Steffen Kammradt, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Brandenburg, sieht die Tesla- Ansiedlung in Grünheide als den bislang größten wirtschaftlichen Erfolg für Brandenburg. Sie war die Initialzündung für eine außergewöhnliche Entwicklung im Bereich der E-Mobilität – nicht nur im Osten Brandenburgs.

FORUM: Rock Tech, Microvast, BASF – in Brandenburg steigen immer mehr Unternehmen in die Produktion oder das Recycling von Batterien ein. Erleben wir gerade den Tesla-Effekt?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Absolut. Wenn Sie sich hier in meinem Büro umschauen, sehen Sie zwei alte Wandkalender, die man selbst drehen muss, damit sie das neue Datum anzeigen. Der eine ist aus Schwarzheide aus den 60er-Jahren, der andere zeigt den berühmten Turm auf dem Veritas-Gelände in Wittenberge. Aber beide zeigen nicht das heutige Datum an. Der eine zeigt den 12. November 2019 – das war die Grünheide-Bekanntgabe von Elon Musk. Der andere zeigt den 22. März 2022. Das war der Produktionsstart bei Tesla. Das sind beide die wichtigsten Daten für die Brandenburger Wirtschaftsförderung.

FORUM: Gibt es einen dritten Kalender mit dem Tag, an dem klar wurde, dass Tesla die Batterieproduktion in Grünheide erst einmal auf Eis legt?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Nein, wir als Wirtschaftsförderung haben an der Batteriefabrik keinen Zweifel. Batterien werden gebraucht, wenn in Grünheide die Autoproduktion immer weiter hochgefahren wird. Im Moment erleben wir einfach, dass Zeitpläne zwischen den Gigafactorys von Tesla ausjustiert werden. Veröffentlichungen zufolge hat das Werk bereits die Stückzahl von 3.000 Autos pro Woche erreicht. Das soll noch gesteigert werden.

FORUM: Der Tesla-Effekt lebt also weiter?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Mehr als das: Wir erleben einen vierfachen Tesla-Effekt. Der erste Effekt ist Tesla selbst. Das ist die größte Investition seit der Wiedervereinigung in Ostdeutschland, vermutlich in ganz Deutschland. Wir gehen im Moment bereits von einer Zahl von mehr als 7.000 Jobs in Grünheide aus. Was wichtig ist – das wissen wir von der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder): Mehr als 1.000 Menschen konnten aus der Arbeitslosigkeit heraus vermittelt werden. Das kennen wir so von keinem anderen Projekt. Und etwa die Hälfte davon kommt aus der Langzeitarbeitslosigkeit. Da haben Menschen eine völlig neue Jobchance bekommen. Bei voller Auslastung des Werks sind 12.000 Jobs geplant. Solch eine Dimension hatten wir noch nie. Der zweite Tesla-Effekt ist die Lieferkette für Tesla. Der dritte Effekt ist die Wertschöpfungskette. Sie ist breiter als die Kette der Zulieferer und umfasst die sich rasant entwickelnde Branche der Batterietechnik und Elektromobilität im Land. Und der vierte Effekt ist ein indirekter, der aber eine große Rolle spielt. Es ist die deutlich positiv veränderte Wahrnehmung des Standorts Brandenburg – national und international. Wir erleben in vielen Ansiedlungsgesprächen, wie positiv die Tesla-Ansiedlung wahrgenommen wird. Und das auch bei Unternehmen aus völlig anderen Branchen. Brandenburg profitiert also gleich vierfach von Tesla.

FORUM: Wen sehen Sie als Teil der Wertschöpfungskette?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Brandenburg bildet Schritt für Schritt den kompletten Produktionskreislauf von Batterien ab. Rock Tech Lithium in Guben will den nötigen Rohstoff für Kathodenmaterial liefern. Altech im sächsischen Teil von Schwarze Pumpe, in Spreetal, plant die zweite Komponente: das Anodenmaterial. Spreetal liegt zwar in Sachsen, aber wir freuen uns genauso über diese Ansiedlung, denn Kathode und Anode werden beide für die Batterie gebraucht – und beides ist künftig „Made in Lausitz“. BASF in Schwarzheide geht den nächsten Schritt der Prozesskette mit der Produktion von Kathodenmaterial und steigt außerdem ins Batterierecycling ein. SVOLT aus China will in Lauchhammer Batteriezellen fertigen, das US-amerikanische Unternehmen Microvast in Ludwigsfelde liefert schließlich fertige Batteriemodule für Lkw und Nutzfahrzeuge. Ganz aktuell zeigt Botree Cycling, ein chinesisches Unternehmen für Batterierecycling, Interesse an einer Ansiedlung in Guben. Das wäre die erste europäische Fertigung von Botree überhaupt. Das Spannende ist: Dies alles hat sich erst in den letzten drei Jahren – also nach dem 12. November 2019 – entwickelt.

FORUM: Was macht Brandenburg für asiatische Produzenten so interessant?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Brandenburg wird als ein neues Zentrum moderner Industrie wahrgenommen. Als ein Standort, der bewusst Ja sagt zu Industrie – moderne, innovative und saubere Industrie. Das finden Unternehmen nicht überall. Firmen merken sehr schnell, wie sie empfangen werden. Der zweite Punkt: Brandenburg punktet mit Geschwindigkeit. Spätestens seit dem Tesla-Verfahren soll niemand erzählen, Verwaltungen seien langsam. Und schließlich ist Brandenburg ein Industrieland mit erneuerbaren Energien. Das ist extrem reizvoll für den heutigen Anspruch von moderner Industrie.

FORUM: Ein Großteil der Ansiedlungen ist in der Lausitz – ein willkommener Ersatz für den Kohleausstieg?

Dr. STEFFEN KAMMRADT: Es ist ein ganz wichtiger Pfeiler für die Lausitz. Man findet in ganz Deutschland nur noch schwer zusammenhängende und der Industrie gewidmete Flächen. Die Lausitz hat gute Standorte und sie entwickelt sie weiter. Beispiel Guben: Wenn Flächen vermarktet sind, entwickelt die Stadt neue. Das gleiche in Forst, Spremberg, im Wachstumskern Westlausitz und anderen Lausitzer Kommunen. Aber die Wertschöpfungskette ist eine Chance für das ganze Land. Zum Beispiel Diehl in Zehdenick in Oberhavel – ein Produzent von Zellkontaktiersystemen für Elektroautos. Vor drei Jahren waren rund 300 Beschäftigte am Standort, heute sind es 750. Der Kreis der Wertschöpfung schließt sich in Frankfurt (Oder). Hier hat die britische Firma EV Cargo eine 47.000 Quadratmeter große Halle für Batterielogistik angemietet.

FORUM: Gibt es Vergleichbares in anderen Bundesländern?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Brandenburg ist mit dieser Entwicklung schon vorne. Hier gibt es komprimiert sehr viel Wandel und Entwicklung. Dabei arbeiten wir eng mit unseren benachbarten Bundesländern zusammen, vor allem mit Sachsen und Berlin. Ich denke, der Osten Deutschlands hat in der Dimension des originär Neuen insgesamt die Nase vorn.

FORUM: Mit wie vielen Jobs rechnen Sie in dieser Wertschöpfungskette?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Es gibt noch keine genaue Zahl. Es sind vielfach ganz neue Projekte, zu denen es erst Planzahlen für Arbeitsplätze gibt. Da bitte ich noch um etwas Geduld.

FORUM: Wie kann die Wirtschaftsförderung Brandenburg auf dieser Erfolgswelle reiten?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Das Land setzt auf starke Wachstumscluster, zu denen insbesondere die moderne Mobilität und die Energiewende zählen. Das greifen wir auf und werben auf der Investoren-Website Brandenburg-Invest.de mit zwei großen Themen: Brandenburg – das Land der Energiewende und das Land der modernen Mobilität. Brandenburg ist für viele Unternehmen neu in den Blick gekommen. In unserem bisherigen Rekordjahr 2019 hatten wir 108 Standortangebote abgegeben. In den folgenden zwei Jahren – beides Corona-Jahre – waren es jeweils mehr als 130! Alle natürlich im internationalen Standortwettbewerb. Aber je höher die Nachfrage, desto größer sind die Chancen, neue Ansiedlungen zu gewinnen. Diesen Ball ins Tor zu bringen, ist die Aufgabe, die uns jeden Tag beschäftigt.

FORUM: Wo sehen Sie das „Land der modernen Mobilität“ in fünf Jahren?

DR. STEFFEN KAMMRADT: Heute sind wir auf dem Weg, ein neues Zentrum moderner Industrie und ein führender Standort der Elektromobilität in Deutschland zu werden. In fünf Jahren werden wir vielleicht schon sagen: Wir sind es geworden. Warum ich so optimistisch bin? Weil hier in Brandenburg gerade in der Mobilität, Batterietechnologie oder den erneuerbaren Energien so viel Neues entsteht. Das gibt dem Standort eine neue Prägung. Und es kann noch eine Beschleunigung geben, wenn die Zahl der Elektroautos und der Bedarf an nachhaltiger Produktion weiter zunehmen. Brandenburg wird in fünf Jahren in Deutschland vielleicht als die Region angesehen, in der Dinge neu aufgebaut und neu zusammengefügt werden als ein großes Netzwerk.
Es fragte BMS/Ute Sommer

Kraftpakete für die Antriebswende – Batterieproduktion im Land Brandenburg: ein Überblick von Tesla bis BASF.

Herzstück der Elektromobilität ist der Batteriespeicher. Er muss mit ausreichender Leistung und zu einem vertretbaren Preis bereitstehen, damit der Abschied vom Verbrennungsmotor flächendeckend gelingen kann. Angesichts der Knappheit der Rohstoffe muss auch das Recycling gewährleistet sein. Im Land Brandenburg zeichnen sich eine Reihe von Projekten ab, die verschiedene Ansätze in der Batterieproduktion verfolgen.
Die im November 2019 verkündete Entscheidung des Elektroautopioniers Tesla, seine Gigafactory in Grünheide zu bauen, beflügelt zahlreiche weitere Investitionen in die E-Mobilität. Tesla selbst wollte ursprünglich zeitnah auch die Batterieproduktion am deutschen Standort beginnen. Dazu kommt es vorerst anscheinend nicht, aber in Guben im Landkreis Spree-Neiße wollen sich gleich zwei Unternehmen der Batteriebranche neu ansiedeln: Rock Tech Lithium und Botree Cycling. Weitere Schwerpunkte der Batterieproduktion im Land Brandenburg entstehen nahe der Grenze zu Sachsen, mit Vorhaben von BASF in Schwarzheide, SVOLT in Lauchhammer und Altech in Schwarze Pumpe. Ein weiterer Standort schließlich soll sich in Ludwigsfelde entwickeln. Dort investiert die US-Firma Microvast.

Eine von Tesla geplante Batterieproduktion in Grünheide wird offenbar noch auf sich warten lassen. Das Brandenburgische Wirtschaftsministerium geht aber nach wie vor davon aus, dass das Unternehmen die Akkufertigung in Brandenburg anstrebt.
Möglicherweise priorisiert Tesla einzelne Prozessschritte in den Werken neu, der Standort Grünheide wird jedoch im Aufbau und mit seinen Arbeitsplätzen so erhalten bleiben.

Prof. Dr. Jörg Steinbach

Laut Medienberichten ist aber mittlerweile davon auszugehen, dass das Projekt zumindest auf Eis gelegt wurde. Schon im Herbst 2021 hatten das Bundeswirtschaftsministerium und der Konzern mitgeteilt, anvisierte Förderungen der Batteriefertigung durch die EU vorerst nicht weiter zu verfolgen. Eigentlich hatte der US-Autobauer geplant, in Grünheide eine eigene Fertigung der bislang für die produzierten Fahrzeuge zugelieferten Batterien zu starten. Allein dort sollten rund 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Dann waren aber Pläne der US-Regierung zur Förderung heimischer Batterieproduktionen durch in Aussicht gestellte enorme Steuervergünstigungen bekannt geworden.

Rock Tech baut Lithiumhydroxid-Konverter

Nicht viel mehr als 100 Kilometer vom Tesla-Werk in Grünheide entfernt will das kanadische börsennotierte Unternehmen Rock Tech in Guben (Spree-Neiße) im zweiten Quartal 2025 mit dem nach eigenen Angaben europaweit ersten Konverter für Lithiumhydroxid als Ausgangsmaterial für die Batterieproduktion an den Start gehen. In Guben sollen jährlich rund 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid produziert werden, ausreichend für 500.000 E-Auto-Batterien. Neben einer eventuellen Perspektive für Tesla gibt es eine Abnahmevereinbarung mit Mercedes-Benz über 40 Prozent der Produktion. „Die Abnahme ist aber kein Problem, da finden wir genügend Partner“, so Unternehmenssprecher André Mandel.
Bislang sind derartige Unternehmen für die Produktion des Stoffs als elementarem Bestandteil von E-Auto-Akkus vorwiegend in Asien angesiedelt, vor allem in China. Nach einer Teilgenehmigung durch das Landesumweltamt plant Rock Tech, in den kommenden Wochen den Bau mit Arbeiten für einen ersten Abschnitt zu beginnen. In dem Konverter soll im teilweisen 24-Stunden-Betrieb zunächst lithiumhaltiges Gestein aus einer unternehmenseigenen Mine im kanadischen Ontario in den kristallinen Stoff umgewandelt werden. Um Personal für die etwa 150 in Guben benötigten Beschäftigten unterschiedlicher Qualifikationen
sowohl des technischen als auch kaufmännischen Bereichs wird bereits geworben. Bei der eingeplanten Investitionssumme von 650 Millionen Euro baut das Unternehmen auch auf Förderungen der öffentlichen Hand: So gab es Gespräche mit der Europäischen Investitionsbank, die eine Kreditfinanzierung in Höhe von 150 Millionen Euro prüft, der bundesdeutschen Förderbank KFW bis hin zur brandenburgischen Investitionsbank ILB. „Wir versuchen, alle Fördermittel, die relevant sind, ins Boot zu holen“, sagt Mandel. Rund 50 Prozent der eingesetzten Rohstoffe sollen mittelfristig aus dem Recycling von Altbatterien kommen. Auch dafür gibt es potenzielle Kooperationsmöglichkeiten etwa mit dem chinesischen Unternehmen Botree Cycling, das in direkter Nachbarschaft eine Recycling- und Demonstrationsanlage bauen will, und BASF Schwarzheide, das ebenfalls ein Werk zur Wiederverwertung plant. Als Motiv für den Standort Guben führt Rock Tech auch die räumliche Nähe zu relevanten wissenschaftlichen Zentren wie der Brandenburgisch-Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg als ein „ausschlaggebendes Kriterium“ an.
Die Lausitz ist zuletzt immer eine Industrieregion gewesen. Darauf bauen wir, und das hilft den Menschen.

André Mandel

Mit dem ITEL (Institute for Technologies and Economics of Lithium) hat Rock Teck gemeinsam mit Partnern in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt bereits ein unternehmensnahes Forschungsinstitut gegründet. Botree Cycling: Wiederverwertung und Qualifizierung. Mit einer Absichtserklärung für den Kauf eines Grundstücks kündigte das chinesische Unternehmen Botree Cycling im vergangenen Herbst an, ab 2025 im Industriegebiet Süd gebrauchte Batterien zu recyceln und Bestandteile wie Lithium, Nickel und Kobalt einer erneuten stofflichen Verwertung zuzuführen. Dazu sollen die Metalle mit chemischen, hydrometallurgischen Prozessen rückgewonnen werden. Mit möglichen Kooperationspartnern der E-Batterie-Branche in der Region habe es erste Gespräche gegeben, sagt Mitgründerin und Marketingchefin Xue Wang. Feste Verträge lägen noch nicht vor, aber lokal – also regional eingebunden – zu sein, bleibe ein Ziel. Das Unternehmen will bis zu 100 Millionen Euro in Guben auf dem 3,8 Hektar großen Areal investieren und mehr als 100 Arbeitsplätze schaffen. Zeitgleich sollen bis zu 30 Ausbildungsstellen angeboten werden, denn Botree plant am Standort auch ein großes Ausbildungs- und Trainingszentrum für Batterie-Recycling-Fachkräfte. Zudem wird die geplante Anlage bereits als eine Art Showroom für künftige Geschäftspartner gehandelt. Auch weitere Expansionen würden in Erwägung gezogen, berichtet Wang. Die Klassifizierung der Flächen als Industriegebiet macht Botree anstehende Genehmigungsverfahren einfacher. Bis Mitte 2024 wird mit allen nötigen Zulassungen gerechnet. Es wäre der erste Standort von Botree Cycling in Europa. „Wir werden unsere Erfahrungen von Recyclingprojekten für Lithiumbatterien in Europa und Nordamerika einbringen und dabei die Zusammenarbeit in Deutschland und speziell in Guben stärken“, kündigt Vorstandschef Xiao Lin an. Unterstützung bei der Standortsuche gab es seitens der Wirtschaftsförderung Brandenburg und der bundeseigenen Standortmarketingagentur Germany Trade and Invest.

BASF nimmt Batterierecyclinganlage in Betrieb

Um das Batterierecycling geht es auch bei einer neuen Anlage des Chemiekonzerns BASF, errichtet an seinem Standort Schwarzheide. Eine Pilotanlage ist in Bau und die Inbetriebnahme im Verlauf des Jahres 2023 vorgesehen. Bis Mitte des Jahrzehnts soll eine großtechnische Fabrik folgen, eine sogenannte „Raffinerie“ für das Batterierecycling. BASF wolle alle Bereiche der Wiederverwertung im Unternehmen etablieren, kündigt Peter Schuhmacher an, der Präsident des Unternehmensbereichs Catalysts bei BASF. „Der geschlossene Kreislauf von Altbatterien hin zu Kathodenmaterial für neue Batterien unterstützt unsere Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette, reduziert die Abhängigkeit von abgebauten Rohstoffen und ermöglicht eine Kreislaufwirtschaft“, führt er aus.
Als erster Schritt im Recycling werden Batteriepacks, deren Speicherfähigkeit erschöpft ist, auseinandergebaut und zerkleinert. Durch mehrstufige Filtration entsteht eine sogenannte „schwarze Masse“, die hohe Mengen an Lithium, Mangan, Kobalt und Nickel enthält. Im nächsten Schritt wird diese Masse mit einem speziellen Verfahren zu Metallsulfaten weiterverarbeitet, bei dem mit einem innovativen hydrometallurgischen Prozess, also mit wässrigen Lösungen, gearbeitet wird. Dabei muss weniger Energie eingesetzt werden als bei pyrometallurgischen oder thermischen Methoden, die bisher oft angewandt wurden. Die recycelten Metalle können dann erneut als Vorprodukte von Batterien genutzt werden. Allein in die Pilotanlage investiert BASF nach eigenen Angaben eine Summe im niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Über Standort und Kapazität des großtechnischen Recyclingwerks wurde noch nicht entschieden, so eine Sprecherin. Der Konzern gehört zu den Mitgründern der Global Battery Alliance, der große internationale Unternehmen sowie Vertreter von Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft angehören.

SVOLT will Vestas-Hallen in Lauchhammer beleben

Während auf dem BASF-Gelände in Schwarzheide schon eine vorzeigbare Anlage entsteht, sind die Pläne beim Batterieproduzenten SVOLT in Lauchhammer noch nicht so weit gediehen. In den leer stehenden Hallen des Windradproduzenten Vestas, in denen früher Rotorblätter gefertigt wurden, will das chinesische Unternehmen eine Fabrik für Batteriezellen für Elektroautos einrichten. SVOLT mit Zentrale in der chinesischen Provinz Jiangsu ist aus dem Automobilhersteller Great Wall Motor hervorgegangen und gehört nach eigenen Angaben zu den zehn größten Herstellern von Fahrzeugbatterien weltweit. Für den Standort Lauchhammer habe man sich entschieden, weil dort schnell die Aufnahme der Serienproduktion möglich sei, so ein Unternehmenssprecher. Im Werk in der Lausitz sollen Lithium-Ionen-Batteriezellen gefertigt werden, die dann an einem weiteren Produktionsstandort in Heusweiler im Saarland zu kompletten Modulen verarbeitet werden. Lauchhammer soll im selben Jahr oder 2025 folgen und im Endausbau eine Jahreskapazität von 16 Gigawattstunden (GWh) erreichen. Weil sich das Projekt noch in einem frühen Stadium befinde, seien bisher keine konkreten Aussagen zur Zahl der Beschäftigten an den Standorten möglich, so der SVOLT-Sprecher.

Microvast hat sich in Ludwigsfelde niedergelassen

Als weiterer Batteriehersteller hat Microvast aus den USA 2021 seine Europazentrale in Ludwigsfelde im Landkreis Teltow-Fläming bezogen. Der 2006 in Houston, Texas, gegründete Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien sieht sich als eines der weltweit führenden Unternehmen in diesem Bereich. Als vertikal integrierter Produzent mit hoher Fertigungstiefe habe man die Kompetenz, alle Schritte von der Batteriechemie bis zur Modul- und Packfertigung in einem Haus zu integrieren, so ein Firmensprecher. Brandenburg sei ein attraktiver Standort mit sehr guter Infrastruktur. Für Ludwigsfelde spreche der direkte Zugang zur Autobahn mit Anbindung an den Flughafen BER und das Vorhandensein gut ausgebildeter potenzieller Mitarbeitender. Derzeit hat Microvast in Ludwigsfelde nach eigenen Angaben ca, 90 Beschäftigte. Gefertigt werden aktuell Batteriesysteme für Nutzfahrzeuge und Busse.

Altech arbeitet mit Fraunhofer-Institut zusammen

Während SVOLT und Microvast mit der Lithium-Ionen-Technik arbeiten, will die australisch-malaysische Unternehmensgruppe Altech in Schwarze Pumpe mit Natrium-Aluminiumoxid-Festkörperbatterien einen anderen technischen Ansatz verfolgen. Die Altech-Gruppe hat mit dem Fraunhofer-Institut für keramische Technologien und Systeme (IKTS) eine Joint-Venture-Vereinbarung geschlossen, um die neu entwickelten Batterien zu produzieren und zu vertreiben. Das Werk soll zu Beginn eine jährliche Produktionskapazität von 100 Megawattstunden (MWh) haben, später bis zu zwei GWh. Altech sieht für die Neuentwicklung gute Marktchancen. In der bereits achtjährigen Entwicklungsphase habe sich gezeigt, dass die Aluminiumoxidbatterien über eine extrem lange Lebensdauer verfügen würden, sehr temperaturresistent und robust seien.
Das Unternehmen will 100 Millionen Euro im ersten Schritt und 700 Millionen Euro in einem zweiten Schritt in die Batteriefabrik investieren. Produktionsbeginn soll nach bisherigen Planungen im zweiten Quartal 2025 sein, die Belegschaft im zweiten Schritt auf bis zu 600 Mitarbeitende anwachsen. In einer zweiten Produktionslinie wurde auf einem Teil des Altech-Geländes bereits mit den Vorbereitungen für die Produktionm von Anodenmaterial begonnen. Die Investitionssumme für die Pilotanlage, die zum Ende des ersten Quartals 2023 ihren Betrieb aufnehmen soll, beträgt neun Millionen Euro. Für die reguläre Produktionshalle sind zunächst weitere 100 Millionen Euro an Investitionen veranschlagt, bis 2027 noch einmal 400 Millionen Euro. 2024 soll es mit 120 Mitarbeitenden losgehen, 2027 ein Stand von 400 Beschäftigten erreicht sein.
BMS/Gerald Dietz und Ulrich Nettelstroth

Batteriewechsel statt Schnellladung – Forschungsprojekt eHaul geht mit einer Wechselstation in den Probebetrieb

Mit einem Batteriewechselsystem, das Mitte des Jahres in Brandenburg in den Probebetrieb gehen wird, sind E-Lkw schneller wieder fahrbereit. Ein Roboter übernimmt den automatisierten Austausch und hat dabei schwere Lasten zu bewegen: Akkus mit einem Gewicht von 1,3 Tonnen auf der rechten Seite und 1,3 Tonnen auf der linken Seite. Nur fünf bis zehn Minuten dauert die Prozedur, dann sind die entladenen Stromspeicher gegen frische Batterien ausgetauscht und der Lkw ist wieder fahrbereit. So sind die Erwartungen für den Probebetrieb des Projekts eHaul. „Später könnte es noch schneller gehen“, sagt Projektleiter Jens-Olav Jerratsch vom Fachbereich Fahrerverhaltensbeobachtung für energetische Optimierung und Unfallvermeidung an der Technischen Universität Berlin.
Beim Thema Elektromobilität galt bisher, dass schwere Nutzfahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb nur für den Zubringerverkehr im städtischen Raum auf 200 bis 300 Kilometern eingesetzt werden können. Zu lange dauert die Aufladung, zu große Strommengen wären zu bewältigen, sodass ein Tankstopp während einer Tour nicht praktikabel wäre. Das könnte sich mit der neuen Technik ändern. Der Halt zum Batteriewechsel würde nicht mehr Zeit kosten als die bisher zum Auffüllen des Dieseltanks notwendige Pause. Auch die Kosten würden sich nach den Erwartungen von Jens-Olav Jerratsch im späteren Regelbetrieb im Rahmen halten. Bis 2025 könnte für das Verfahren die Marktreife erreicht sein.

Wirtschaft im Boot

Die Planungs- und Entwicklungsarbeiten für die automatisierte Batteriewechselstation sind bereits weitgehend abgeschlossen. Ihren Standort wird sie im Raum Lübbenau haben, in Absprache mit den Projektpartnern Reinert Logistik GmbH mit Niederlassung in Lübbenau und Unitax-Pharmalogistik GmbH mit Sitz in Schönefeld. Weitere Partner sind neben der TU Berlin das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) in Dresden, die IBAR Systemtechnik GmbH in Cottbus, die Urban Energy GmbH in Berlin und die Bosch-Gruppe. Zwei Elektro-Sattelzugmaschinen wurden bei dem Schweizer Hersteller Designwerk beschafft und für das Batteriewechselverfahren vorbereitet. Die Fahrzeuge haben eine Batteriekapazität von 440 Kilowattstunden und eine Reichweite von rund 250 Kilometern. Die Reinert Logistik GmbH und die Unitax-Pharmalogistik GmbH werden je ein Fahrzeug mietweise übernehmen, betreiben und anhand der Erfahrungen ein Geschäftsmodell für den Betrieb der Wechselstationen mitentwickeln. Anspruchsvoll sind vor allem der Umgang mit den sehr schweren Batterien und die Sensorik der Roboter, erklärt Jerratsch.
Ein wichtiger Punkt ist zudem die Standardisierung der Batteriesysteme.

Jens-Olav Jerratsch

Dafür sei jetzt unter dem Namen UniswapHD das Folgeprojekt an den Start gegangen. Ein Batterietausch kann schließlich nur dann funktionieren, wenn die eingesetzten Stromspeicher einem einheitlichen Standard entsprechen. Der Wissenschaftler sieht große Perspektiven für batterieelektrisch betriebene Nutzfahrzeuge, besonders für den gewerbsmäßigen Güterverkehr. Möglich könnte es zum Beispiel sein, dass die Batterien von den Speditionsbetrieben für den Einsatz gemietet würden.

Gegenüber dem bisher üblichen Verfahren der Schnellladung im Fahrzeug könnte der Batteriewechsel den Vorteil haben, dass sich die Batteriealterung langsamer vollzieht. Die Systembetreiber haben die Möglichkeit, die ausgebauten Stromspeicher mit einer optimal angepassten Geschwindigkeit aufzuladen. Das könnte sich auch auf der Kostenseite bemerkbar machen. Ein wesentlicher Kostenpunkt ist allerdings die Wechselrobotik. Erst im Probebetrieb wird sich zeigen, mit welcher Kalkulation kommerzielle Wechselstationen an den Start gehen könnten.
FORUM/BMS/Ulrich Nettelstroth

Jetzt für später qualifizieren – FORUM sprach mit Bildungsforscherin Christine Schmidt.

Wie stark verändert eine neue und im Wachsen befindliche Wertschöpfungskette das jeweilige Berufsbild wie beispielsweise für die Batterieproduktion bzw. das -recycling?
„Es gibt keinen spezifischen Beruf in der Branche“, sagt Christine Schmidt, Projektleiterin im Institut für betriebliche Bildungsforschung mit Sitz in Berlin. Es gebe im Entsorgungssegment eine Fachkraft, aber die sei nicht für ein spezielles Produkt wie die Batterie oder Batteriezelle ausgebildet, sondern erlerne vielmehr den Umgang mit Stoffen und Materialien. In bereits bestehenden Unternehmen gebe es hingegen einen hohen Automatisierungsgrad. Beispielsweise würde ein Anlagenmechatroniker Prozesse steuern, beaufsichtigen oder Reparaturen vornehmen können. Dahinter stünden aber auch Menschen, die Produktkonzepte entwickelt haben, möglicherweise aus den Bereichen Batteriechemie kommen. Auch entsprechend ausgebildete Lageristen oder Transporteure seien nötig. Sie alle bräuchten spezielle Weiterbildungen – vorausschauend schon jetzt. „Denn aktuell gibt es beim Lithium-Ionen-Batterierecycling in Deutschland noch keine industriell betriebenen Anlagen. Lediglich in Pilotanlagen entstehen derzeit Kenntnisse über das Recyceln von Lithium-Ionen-Batterien. Mehrbedarf sei noch nicht da. Unternehmen wie die Alba Group besäßen Erfahrungen beim Einsammeln, Transportieren oder Recyceln von allen möglichen Batterietypen, weniger von Lithium-Ionen-Batterien. Dass diese wachsende Speicherbranche einen neuen Beruf hervorbringen müsse, verneint Christine Schmidt.
Wir brauchen eine Verständigung darauf, dass bestimmte Berufe eine gemeinsame Basisausbildung haben und die Spezialisierung erst später einsetzt.

Christine Schmidt

„Und wir sollten schneller auf sich verändernde Anforderungen an die Berufsbilder eingehen können. Da gibt es inzwischen schon einen Konsens zwischen Bildungsforschern und Berufsbildungspraktikern. Im Metall- und Elektrobereich fand diese Angleichung bereits statt.“ Das Institut für betriebliche Bildungsforschung (IBBF) gehört zu einem Konsortium aus Wirtschaft, Bildung und Forschung, das ab 2023 etwa fünf Jahre lang in einem groß angelegten Projekt den Qualifikationsbedarf der Unternehmen in der Batteriebranche in Berlin-Brandenburg identifizieren, entsprechende Angebote entwickeln und umsetzen möchte. Das IBBF hat dafür einen Informationsvorsprung. 2014 begann das Institut mit vielen Partnern, Lösungswege für die Qualifizierung in der Elektromobilität aufzuzeigen. Unterstützt wurden diese Bemühungen jahrelang von den Ländern Berlin und Brandenburg.
Jetzt will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auch die Thematik der Batteriespeicherqualifizierung fördern. Das jahrelang gesammelte Know-how bringt das Institut nun in die Entwicklung von Qualifizierungsangeboten für die Batteriezellproduktion und im Batterierecycling in der Mark ein. Im ersten Schritt werden die Unternehmen befragt (Welche Wertschöpfung ist geplant? Welchen Qualifizierungsbedarf gibt es?). Es wird nach Skandinavien geschaut, wo die Batteriezellfertigung schon läuft, um möglicherweise Nutzungskonzepte zu übernehmen.

Weiterbildung nach Bedarfen

Die „Erhebungsphase“ wird vermutlich ein Jahr in Anspruch nehmen. Die bestehenden Weiterbildungskonzepte werden anschließend überarbeitet und angepasst. In den fünf Jahren werden die Ideen mit Mitarbeitenden in Unternehmen (möglicherweise im Jahresrhythmus) erprobt, immer auf der Grundlage der neuesten Forschungsergebnisse. So gebe es, sagt Christine Schmidt, jedes Jahr neue Weiterbildungen. Nach dem Auftakt mit dem Fokus der Bedarfsidentifizierung bei der Batteriezellproduktion sollen ab dem zweiten Jahr weitere Wertschöpfungsstufen miteinbezogen werden: Service, Recycling und Zuliefersektor.

Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nötig

Noch existiert in Brandenburg kein Hersteller, der Lithium-Ionen-Batteriezellen in den erforderlichen Größenordnungen produziert. Bislang seien es, so Christine Schmidt, Absichtserklärungen, „die aber schon sehr weit gediehen sind und konkrete Formen annehmen.“ Die Idealvorstellung der Projektleiterin des IBBF ist, „dass wir in fünf Jahren nicht nur Anlagen für die Zellproduktion haben, sondern auch für das Recycling und die Rohstoffketten aus der Bergbauregion miteinbezogen werden.“ Für elementar hält sie einen Schulterschluss zwischen Forschung, den Investoren, der Wirtschaft und denen, die die Qualifizierung durchführen. Wenn der gelinge, wäre es bei der Energie- und Mobilitätswende ein großer Schritt nach vorn. Aus dem Grund müsse man jetzt darauf hinarbeiten, um qualifizierte Arbeitskräfte zu haben, wenn es losgeht. „Aktuell gibt es diese Qualifikationen in Deutschland nicht. Genau deshalb ist das Förderprogramm aufgelegt worden.“
FORUM/BMS/Stefan Blumberg
Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik