Brandenburgs Beste

Die Mauersegler von Strausberg

Wichtigste Säule der Brandenburger Wirtschaft sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Einige von diesen Firmen überzeugen durch Innovationen und Spezialisierungen. Sie bedienen Nischen, sind inhabergeführt und arbeiten nicht börsennotiert – die so genannten Hidden Champions. In unserer Serie stellen wir Brandenburger Unternehmen vor, auf die das zutrifft. Hier: die APUS Group.
Die APUS – Aeronautical Engineering GmbH aus Strausberg arbeitet am Traum vom emissionsfreien Motorflug mit einem Brennstoffzellenantrieb. „Die Aufgabe unserer Generation ist es, den ungehemmten Verbrauch begrenzter natürlicher Ressourcen zu beenden. APUS hat sich ihr im Luftverkehr angenommen.”
Unsere Mission ist, das Fliegen zu 100 Prozent emissionsfrei und kompromisslos klimaneutral zu gestalten, mit grünem Wasserstoff als Energieträger.

CEO Phillip Scheffel

Die Idee vom hybridelektrischen Fliegen beschäftigt den 43-Jährigen schon seit langer Zeit. Dazu gründeten er und drei weitere Luftfahrtingenieure 2014 ein Konstruktionsbüro. Neben der Auftragsarbeit für Kunden in Forschung und Industrie verfolgten sie von Anfang an das Ziel, ihr eigenes Wasserstoffflugzeug zu bauen, bei dem in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt wird. Noch in der Gründungsphase stellten sie Förderanträge an das Bundeswirtschaftsministerium, jeweils für ein Entwicklungsthema wie für die Ausführung der Wasserstofftanks als Karbonröhren, die quer zum Rumpf in den Tragflächen verbaut werden und so auch noch die Konstruktion stabilisieren. Die Wasserstofftanks müssen dabei einen Druck von 300 Bar aushalten, das Hundertfache eines Autoreifens.

Innovation überzeugte
Die fachliche Begutachtung bestätigte allen drei Teillösungen eine wirtschaftliche Relevanz und stufte die Priorität als hoch ein. Umso größer war das Erstaunen im Ministerium, dass die Entwicklungsthemen von einem Startup eingereicht wurden, das nicht – wie eigentlich erwartet – drei Jahresabschlüsse als Bonitätsnachweis vorlegen konnte. Tatsächlich setzte sich die Innovation gegen die Bedenken durch, und auch die Wirtschaftsförderung Brandenburg unterstützte die Firma aus ihrem Programm für Forschung, Innovationen und Technologien (ProFIT). Die quer liegenden Karbontanks in den Tragflächen werden sich in Prototypen wiederfinden, die seit einem Jahr im Bau sind und die 2024 fliegen sollen.

Mit dem Fliegen groß geworden
Phillip Scheffel ist als Kind von Segelfliegern in Erfurt aufgewachsen. Mit 13 saß er zum ersten Mal am Steuer, mit 15 Jahren absolvierte er den ersten Alleinflug. „Ich durfte eher fliegen als Moped fahren. Das ist aber heute noch so. Mit 13 Jahren können Jugendliche beginnen, einen Flugschein zu machen“, erzählt er. Am Segelfliegen faszinierte ihn immer der Reiz, mit begrenzten Energieressourcen möglichst viel zu erreichen. Bei den Wettkämpfen kommt es darauf an, einen Kurs von 300 bis 500 Kilometern in einer möglichst kurzen Zeit zu absolvieren. Im reinen Gleitflug, also ohne Aufwind, schafft es ein modernes Segelflugzeug, aus einem Kilometer Höhe 60 Kilometer weit zu fliegen. Das ist Hochtechnologie aus dem Freizeitsport, die nun in der Null-Emissions-Luftfahrt Verwendung findet.
Motivation zur Gründung
Phillip Scheffel ging nach seinem Maschinenbaustudium in Dresden in eine Festanstellung als Ingenieur. Seine Eltern hatten sich nach der Wende selbstständig gemacht, und er erlebte als Jugendlicher mit, dass Aufwand und Nutzen oft in einem schlechten Verhältnis standen. Das hatte ihn von einer Gründung direkt nach dem Studium abgehalten. Bei seinem früheren Arbeitgeber, der Stemme AG in Strausberg, konstruierte Scheffel zehn Jahre lang Motorsegler mit Verbrennungsmotoren. Als Unternehmer arbeitet er heute an der Alternative zum Verbrenner. Er sagt: „Elektroflugzeuge sind die Zukunft. Aber die Batterien sind entweder zu schwer oder sie haben nicht die notwendige Kapazität. Wasserstoff ist aktuell die einzige echte Alternative dazu.“
Vorbild Vogelflug
Trotzdem ist ein Wasserstoffflugzeug über ein Drittel schwerer als ein vergleichbares herkömmliches Gerät, da Antriebssysteme, wie die Brennstoffzelle, Kühlsysteme und Leistungsumrichter, heute noch nicht leichtbauoptimiert sind. Diesen Nachteil müssen die Flugzeugbauer durch innovative Technologien ausgleichen. Die technische Entwicklung hat in den letzten Jahrzehnten gewaltige Fortschritte gemacht. Es sind seit jeher Phänomene aus der Natur, die die Flugzeugkonstrukteure nachahmen. Dafür steht auch der Firmenname APUS. Hinter dem lateinischen „Apus apus“ verbirgt sich der Mauersegler. Dass APUS bereit 2017 vom Branchenverband Berlin-Brandenburg Aerospace Allianz mit dem Lilienthal Preis ausgezeichnet wurde, macht den Gründer sehr stolz. 2021 folgte die Auszeichnung mit dem Brandenburger Zukunftspreis, den die IHKs verleihen.
Wasserstoffland Brandenburg
„Brandenburg, allen voran Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, hat vergleichsweise früh in Richtung Wasserstoff geschaut und war damit schneller als der Bund“, sagt Phillip Scheffel. Die Strategie wurde 2021 beschlossen, auch auf vehementes Drängen der Landesarbeitsgemeinschaft der Brandenburger IHKs hin. Inzwischen sind konkrete Projekte in der Umsetzung, zum Beispiel werden 2023 im Landkreis Barnim die ersten Busse und Müllautos mit Brennstoffzellenantrieb in Dienst gestellt. Und seit vergangenem Jahr gibt es für Berlin und Brandenburg einen Wasserstoffmarktplatz im Internet, der regional grüne Stromerzeuger, Wasserstoffhersteller und -anwender zusammenführen soll.
Gründung als Ingenieurbüro
Mit der Gründung 2014 siedelte sich das Ingenieurbüro in Wildau an und bezog Büros im Zentrum für Luft- und Raumfahrt Schönefelder Kreuz. Die Dienstleistungen der Ingenieure sind Flugzeugdesign, Flugzeugantriebe, die Entwicklung von Komponenten und die Begleitung von Zulassungsverfahren. Dazu gehört auch die Erprobung durch Testpiloten und -ingenieure. Das Büro führt Auftragsentwicklungen durch und entlastet in Kapazitätsspitzen die Entwicklungsabteilungen von Flugzeugherstellern. Die Region bietet viele Chancen für solche Dienstleistungen. Nach offiziellen Angaben sind in der Hauptstadtregion mehr als 100 Unternehmen mit 17.000 Beschäftigten in der Luftfahrtindustrie tätig.
Eigenentwicklungen
Für die Produktion eines eigenen Flugzeugs brauchten die Gründer Produktionshallen mit einem Flugplatz vor der Haustür. 2017 errichtete APUS in Strausberg ein eigenes Produktionsgebäude, das aktuell um eine neue Halle ergänzt wird. Im Jahr darauf begann hier die Produktion des ersten Prototyps. Alle vier Gesellschafter der APUS Group sind Luftfahrtingenieure und decken unterschiedliche Entwicklungsfelder ab. Neben Phillip Scheffel als CEO sind das Jan Eichhorn für die Unternehmensentwicklung, Robert Adam für die Antriebstechnologie und Martin König für die „Lufttüchtigkeit“. Dahinter verbirgt sich das aufwendige Zulassungsverfahren für Luftfahrzeuge durch die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA. Die vier haben die bisherige Entwicklung aus ihren Einnahmen als Ingenieure finanziert. Für den nächsten großen Schritt, die Serienfertigung von emissionsfreien Flugzeugen, werden sie sich Fremdkapital an Bord holen.
Akaflieg als Jobbörse
40 Mitarbeitende sind heute im Unternehmen tätig, sie sind Luftfahrtingenieure, Konstrukteure, Modellbauer und Schlosser. Etwa drei Viertel sind Hochschulabsolventen. Die meisten von ihnen kamen aus Begeisterung fürs Fliegen in die Firma, so wie die Gründer selbst. Die Mitarbeiterakquisition läuft größtenteils über ein Netzwerk namens Akaflieg. Das ist eine Interessengemeinschaft studentischer Segelfliegervereine und Forschungsgruppen. Paul Foltz aus Eberswalde ist angestellter Luftfahrtingenieur bei APUS. Er sagt: „Den Prozess von der Idee bis zur Typenzulassung zu begleiten, ist der heilige Gral für einen Flugzeugbauer. Learning by doing macht diese Arbeit spannend.“ Die Faszination des Neuen ist ein entscheidender Grund dafür, dass sich junge Leute für die Firma interessieren und wie die angehende Maschinenbauingenieurin Sophie Köhler dort ihr Praktikum machen.
Ein Flugzeug entsteht
In der Werkshalle bestimmen die Techniker das Bild. Sie bringen zum Teil langjährige Erfahrungen im Flugzeug- und Segelflugzeugbau in die Firma ein, zum Beispiel beim Schweißen von Stahlbauteilen, wofür eine Zulassung gebraucht wird. Auch drei Modellbauer aus Polen sind im Team. Sie sind Spezialisten, denn Polen ist eine starke Flugzeugbaunation. Aktuell sind die Prototypen im Bau. Dazu gehört zunächst die Herstellung
der Großformen für die Flügelschalen. Sie bestehen bei einem Leichtflugzeug aus einem Karbongewebe, das mit Kunstharz getränkt wird. Auch der Rumpf wird auf diese Weise hergestellt, für die Stabilität sorgt ein Fachwerkgerüst aus einem speziellen Flugzeugstahl. Die Brennstoffzelle stammt von einem schwedischen Hersteller. Sie wird von den Flugzeugbauern allerdings in ihre Einzelteile zerlegt und danach so zusammengesetzt, dass sie in den Rumpf passt.
Ziel ist die Serienproduktion
Die Firma entwickelt zwei Flugzeuge gleichzeitig, die zweimotorige i-2 mit vier Plätzen, die auf Privatnutzer abzielt, und die viermotorige i-5, die als Business-Flieger neun Plätze haben wird. Sie soll ein alltagstaugliches wasserstoffgetriebenes Reiseflugzeug werden. Bis 2024 sollen die Prototypen fertig sein. Eine Genehmigung für den Produktionsbetrieb selbst wurde bereits erteilt, APUS will die Flugzeuge selbst in Serie herstellen. Das wird noch einmal sehr große Investitionen erfordern und dann erstmals auch eine Finanzierungsrunde, um Kapitalgeber hinzuzuholen.
Marktchancen
Die APUS GmbH hat ihre Pläne 2022 erstmals auf Messen präsentiert, in Hannover, Friedrichshafen und auf der ILA Berlin. Das war über eine Marktzugangsförderung möglich und hat sich gelohnt. Das Interesse der Kunden ist groß, und das nicht nur aus Umweltgründen. Der Wasserstoffflieger wird auch wirtschaftlich sein, wie Phillip Scheffel erläutert. Flugzeuge werden oft geleast, sodass die Kosten über die gesamte Nutzungsdauer zu betrachten sind. Der höhere Anschaffungspreis relativiert sich durch die niedrigeren Betriebskosten und die längere Lebensdauer der elektrischen Komponenten. Auch der höhere Wirkungsgrad der Elektromotoren trägt zur Wirtschaftlichkeit bei, nicht zuletzt durch die steigenden CO2-Abgaben.
Phillip Scheffel ist sich sicher, dass mit der Energiewende auch die Preise für Wasserstoff sinken. In den Spitzen kann der aus Wind und Sonne erzeugte Strom schon heute nicht mehr von der Industrie abgenommen werden, und grüner Wasserstoff ist ein mögliches Speichermedium. Schließlich wirkt der gesellschaftliche und politische Druck auf die Flieger. Phillip Scheffel: „Wer – wie wir oder beispielsweise Friedrich Merz – mit dem Privatflugzeug reist, muss heute erhebliche Kritik einstecken. Und bei einem Verbrauch von 50 bis 60 Litern pro Flugstunde fragen auch die eigenen Kinder: Vater, was tust du da? Da wäre es doch schön, behaupten zu können, dass man mit dem umweltfreundlichsten Transportmittel der Welt geflogen ist.“
FORUM/Bolko Bouché
Jens Jankowsky
Referent Innovation/Energie
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik