Unternehmen & Märkte

Die fünf Leben einer Onlinebestellung

Die Fashion logistics GmbH hat sich darauf spezialisiert, zurückgesendete Waren wieder zu A-Qualität aufzubereiten. Damit macht das Unternehmen Logistik nachhaltiger. (Von Melanie Rübartsch)
Ein Shirt mit Make-up Spuren am Kragen. Schuhe, deren Ferse eingedrückt und schmutzig ist. Ein zerknittertes Sakko. Ein Rock mit offenen Nähten. All das sind klassische Fälle für Fashion Logistics. Pro Woche landen bis zu 40 000 solcher und ähnliche Kleidungsstücke und Schuhe auf den Bearbeitungstischen des Ibbenbürener Unternehmens. Es handelt sich um Retouren aus Käufen bei Onlinehändlern, die mit dem Logistikspezialisten zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter von Fashion Logistics unterziehen die zurückgesandte Ware zunächst einer genauen Untersuchung. Wie ist ihr Zustand? Noch A-Ware? Dann werden Kleidung oder Schuhe noch einmal aufgefrischt, neu verpackt und etikettiert und gehen wieder in den Warenbestand des Kunden zurück. Gibt es Mängel? Dann handelt es sich um B-Ware, die die Retouren-Profis versuchen, wieder zu A-Ware aufzubereiten.
Ausgebildete Näherinnen kümmern sich um Löcher und Nähte, Druckluft und spezielle Textilreinigungsmittel lassen Flecken verschwinden, Schuhe erhalten Farbauffrischungen oder landen in der Schusterwerkstatt, in Textil-Heißluftanlagen verschwinden Falten und Gerüche an Bekleidungsteilen. Sind die Fehler behoben, werden auch diese Stücke neu verpackt und können zurück in den Verkauf. „Uns gelingt es, Retouren so aufzubereiten, dass sie bis zu fünfmal wieder als Neuware angeboten werden können“, sagt Linda Stalljohann, Mitglied der Geschäftsleitung. Der Onlinehandel boomt. Insbesondere während der Pandemie haben die Deutschen die Vorzüge der Freihauslieferung neu entdeckt. Während die stationären Geschäfte schließen mussten, konnte man sich online alles Mögliche liefern lassen und ausprobieren. Am besten gleich mal das Shirt in verschiedenen Größen und Farben ordern. Die Kehrseite der Medaille: Unmengen an Retouren. 315 Millionen Pakete wurden zuletzt pro Jahr nach einer Umfrage der Universität Bamberg in Deutschland zurückgeschickt. Im Textilbereich geht sogar jedes dritte Paket zurück. „Der Zustand diese Rückläufer ist dabei in den seltensten Fällen wirklich noch wie neu“, weiß Pressesprecherin Sabine Habeck. Im Gegenteil: Das Gros wäre in seinem aktuellen Zustand unverkäuflich. „Mit unserer Dienstleistung setzen wir uns gezielt dafür ein, dass im Grunde neuwertige Ware nicht einfach vernichtet wird, sondern dem Warenkreislauf wieder zugeführt werden kann“, so Habeck.
Schritt für Schritt hat sich das Familienunternehmen zum Fulfillment-Dienstleister entwickelt, der im Onlinehandel mit Mode für eine nachhaltigere Logistik sorgt. Das eigentliche Kerngeschäft der Ibbenbürener ist die Aufbereitung von Kleidung für den stationären Verkauf. Containerweise kommt zum Beispiel die Ware, die stationäre Händler bei Produzenten in Übersee oder Osteuropa bestellen, an einem der drei Standorte in Ibbenbüren, Osnabrück-Lüstringen und Osnabrück-Sutthausen an. Die Textilprofis packen aus, bügeln, frischen auf oder bessern aus und liefern die Sachen dann so an die Filialen des Auftraggebers, dass dieser Pullover, Hosen und Blusen in perfektem Zustand seinen Kunden feilbieten kann. 2016 erweiterte Geschäftsführer Bernd Stalljohann das Angebot auf den E-Commerce. Seitdem bietet das Unternehmen neben der Lagerung und der Aufbereitung für den stationären Handel auch den Versand für seine Auftraggeber an die Endverbraucher an. 2017 kam die Retourenabwicklung hinzu und 2020 die professionelle Wiederaufbereitung für Retouren. „Wir haben in dem Zuge nochmal gezielt ins Personal investiert“, sagt Habeck. Schneiderinnen wurden eingestellt und ein erfahrener Schuster hat vier Wochen lang die Mitarbeiter professionell geschult. Heute hat das Unternehmen insgesamt 170 Mitarbeiter.
Die Kollegen haben inzwischen schon vieles gesehen. „Man kann sich teilweise wirklich nur wundern, was da im Paket zurückkommt“, berichtet Linda Stalljohann. In vielen Fällen sind die Kleidungsstücke ganz offensichtlich vor dem Zurücksenden länger getragen und regelrecht abgenutzt worden. Teilweise versuchen die Käufer auch, eigenständig Flecken zu entfernen - und scheitern. Dennoch: „In 95 Prozent der Fälle können wir die Waren erfolgreich behandeln“, sagt Pressesprecherin Habeck. Die restlichen fünf Prozent werden dann entweder in das Recycling geführt oder schlussendlich vernichtet.
Nicht nur bei der Retourenbearbeitung sorgen die Logistiker für mehr Nachhaltigkeit. Auch den Versand selbst versuchen sie, für ihre Kunden so grün wie möglich zu gestalten. Die Kunden können bei Fashion Logistics regelrecht buchen, dass die Waren unter anderem plastikfrei und in Kartons versandt werden, die aus alternativen, umweltfreundlichen Materialien wie etwa Gras-Anteilen bestehen. Die Wege der Pakete werden ohnehin seit Jahren papierlos, also digital gesteuert. Ein eigener Logistikberater hat darüber hinaus die Wege in den Lagern von Fashion Logistics so optimiert, dass möglichst wenig Energie beim Zusammenstellen der Pakete benötigt wird. Die Lkws folgen sowieso einer energieoptimierten Tourenplanung. Die Nachfrage nach „grünem Onlineversand“ nehme definitiv zu, hat die Pressesprecherin beobachtet. Das liegt nach ihrer Einschätzung auch daran, dass die Käufer das mehr und mehr nachfragen. Ähnlich ist das mit dem Retourenmanagement. „Immer mehr Konsumenten hinterfragen inzwischen, was mit den zurückgesandten Waren passiert. Und Händler möchten zeigen, dass sie verantwortungsbewusst damit umgehen.“